Unter Schurken - Die Müllerstube

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Hinterkosch, 1021

Die ‚Müllersstube‘ lag ein Stück abseits des Dorfes, einige Dutzend Schritt rechterhand der Landstraße, die in den Ort führte. Märkische Kiefern und Eisenwälder Tannen ragten zu beiden Seiten des Kreuzweges auf, und just in der Gabelung prangte ein großer Findling, als habe ihn in grauer Sagenzeit ein Riese oder Troll hierhin geschleudert. Auf diesem Steine nun saß der Herr Wolfhardt und blickte über den Weg in beide Richtungen. Er würde den Jergenquell schon bemerken, wenn er käme.
Die Zeit wurde ihm lang, fast so, als habe Satinav das Steuer seines Schiffes aus der Hand gelegt und sich zur Ruhe begeben. Wolfhardt nahm die Harfe von der Schulter und griff, sanft wie Lenzwind im Laube, durch die glitzernden Saiten. Unbewußt schlug er eine Weise an, die er schon lange nicht mehr gespielt hatte. Die Töne reihten sich langsam und zögerlich aneinander, wie das Schmelzwasser, das von den letzten Eiszapfen im Phexmond herabtropft.
Ein fremder Klang mischte sich in sein Spiel und das laute Pochen des Blutes in seinen Schläfen. War das Hufgetrappel?
Dort vorne, auf dem Weg – waren das Reiter?
Ja! Keine zwanzig Pferdelängen entfernt, stand ein Reiter. Das Pferd tänzelte und stieg, als er die Zügel anzog. Ein paar beruhigende Worte trieb der Wind herüber. Der Mond brach hervor und gab einen silbrigen Widerschein, bevor er sich wieder hinter dichten Wolken verbarg und das Land in tiefstes Boronsschwarz hüllte; der Reiter schien in Rüstzeug zu sein, ein Helm hatte das Licht gespiegelt.

Wir sitzen hier in der Falle! stöhnte Rena von Arbasien innerlich. Lange kann das Spiel nicht mehr gutgehen – diese Schurken müssen einfach Verrat wittern. Der Baron sieht nicht aus wie ein Strauchdieb – aber er sitzt da und spricht, als bestelle er ein Maß Ferdoker in einer gemütlichen Hügeltaverne. Wir müssen hier raus!

Die Gestalt auf der Landstraße winkte nun, und aus dem Schatten des nahen Tannichts kamen weitere Reiter; die genaue Zahl konnte Wolfhardt nicht ausmachen, aber es waren einige.
“Das muß es sein“, hörte er den ersten Reiter rufen.
“Bist du sicher?“ fragte eine Stimme zurück.
“Werden’s sehen, Baron!“
Baron! War das der Jergenqueller, der noch immer die Frechheit besaß, sich als Baron von Albumin zu bezeichnen? durchzuckte es die Stirn des Sängers wie ein Blitz. Ihm wurde übel: hier ein bewaffneter Haufe mit dem schlimmsten Schurken des Kosch, und in der Taverne, in der Hand von ebensolchen Schurken, der Baron und Rena!
Bei den Göttern, ich darf sie nicht näherkommen lassen! Wenn der Schwindel mit dem falschen Jergenquell auffliegt, sind wir am Ende. Aber was kann ich tun? Wenn ich jetzt Alarm schlage, werden wir von beiden Gruppen erdrückt. Ich muß die Gefährten warnen und zugleich diese Leute hier aufhalten...
Die Reiter kamen näher. Langsam ließen sie die Pferde durch den stockfinsteren Weg unter den Bäumen im Schritt gehen.