Der Geistmärker Ochs

Aus KoschWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen


Kosch-Kurier8-35.gif

Ausgabe Nummer 14 - Ingerimm 1018 BF

Der Geistmärker Ochs

In der letzten Ausgabe berichtete der Kosch-Kurier von einem mysteriösen Auerochsen, der die Baronie Geistmark terrorisierte. Über den Fortgang dieser Ereignisse erreichte uns ein Bericht des fürstlichen Zahlmeisters Derwart Gernwein, welcher in jeniger Baronie stationiert ist:

Noch bevor die Wächter Rohals, die der Fürst beauftragt hatte, in der Geistmark nach dem rechten zu sehen, auf Burg Halmwacht angekommen waren, unternahm der Vogt von Blaublüten-Sighelms Halm eine Hatz auf das geheimnisvolle Untier, das den Bauern des Landes so sehr zusetzte. Denn der Vogt ist ein wahrer Verehrer des Herrn FIRun und ehrt auch den Herrn PRAios zu sehr, um sich von Magiern in seine Regierungsgeschäfte reden zu lassen.

Also nahm er seinen Waffenknecht und zwei der Büttel, welche er die Hunde zu führen sowie eine große Menge Pfeile und Spieße zu tragen hiess. Am 15. BOR. brachen sie auf, nachdem die Junkerin Vieska von Wengerich zu ihnen gestoßen war, eine Freundin des Vogtes und gleich ihm Mitglied des Ordens Unseres Hlg. Fuchses Rajok.

Sie ritten von Hof zu Hof und fragten die Leute, wann und wo zuletzt der Ochse gesehen worden sei. So folgten sie einer Spur der Zerstörung von Moorkaten nach Storchsklausen, von da nach Rondrasdank und wieder zurück bis Boltansroden, doch schien es, als springe der Ochse wild hin und her und wäre gar an zweien Orten zugleich. So musste die Jagdgesellschaft in Boltansroden nächtigen, ohne etwas wie eine echte Fährte gefunden zu haben.

Doch der Weiße Jäger schien ihr Unternehmen gnädig anzusehen, denn noch vor Mitternacht schlugen die Hunde des Vogts ein großes Geheul an und zerrten an ihren Ketten, so daß der Vogt, augenblicklich in Wams und Waffen gestiegen, die Tiere los ließ und ihnen unverzüglich in den Wald folgte. Mit ihm war nur die ebenso entbrannte Junkerin von Wengerich, dieweil die Gehilfen noch kaum den Fuß aus den Betten gestreckt hatten.

Nicht leicht war es, den aufgebrachten Hunden zu folgen, die wie von Dämonen gehetzt über Stock und Stein sprangen, und oft mußten die Jäger sich nur am Gebell orientieren. Doch plötzlich verstummte dieses — wich einem gewaltigen Donnern und Krachen. Da hatten die Herren die Hunde, die stocksteif dasassen, auch schon eingeholt — und starrten mit stummem Entsetzen auf das Bild, das sich ihnen bot.

Da war Er ein ungeheurer Berg von Muskeln, von flammend rotem Fell bedeckt. Wohl drei Schritt hoch ragte sein massiger Rücken. Der Schädel dagegen verschwindend klein, nur dampfende Nüstern und böse funkelnde Äuglein unter einem gewaltigen Hornpaar - welches er hin und her schwang und immer wieder krachend gegen eine Buche donnern liess, sie, die offenbar seinen Zorn erregte, in Stücke zu schlagen.

Die Hunde winselten ängstlich, und auch dem Vogt und seiner Gefährtin mag es nicht geheuer gewesen sein, denn nie hatten sie einen Ochsen gesehen von so fürchterlichem Äußeren und so gewaltiger Kraft. Nun bereuten sie, ihre Begleiter im Dorf zurückgelassen zu haben; doch ermannten sie sich und nahmen die Bogen zur Hand, dieweil das Untier ihrer nicht zu gewahren schien, sondern weiter gegen den Baum anrannte. Da sirrten die Sehnen, und zwei Pfeile bohrten sich tief in den Körper des Ochsen, hinter den Schultern — wahre Meisterschüsse, doch das Untier blieb aufrecht. Nun drehte es den Kopf zu den Jägern, und in seinen entsetzlichen Augen blinkte Mordlust. Langsam schritt es auf die Herren zu, die eiligst ihre Bogen wieder bereiteten — da erscholl ein spitzer Schrei, und aus dem Geäst der Buche plumpste ein unförmiges, buntes Ding, schlug direkt neben dem Ochsen auf und blieb liegen, mit kurzen Ärmchen und Beinchen zappelnd.

Wissend, dass die seltsame Gestalt, was immer sie auch sein mochte, verloren war, wenn sie zögerten, sprangen Vogt und Junkerin vor, mit gezogenen Schwertern, und vom Beispiel ihrer Herren angespornt, setzten die Hunde nach. Unter ihrem Ansturm wich der Ochse ein paar Schritte zurück. Schnell packten sie die Gestalt, um sie etwas außer Reichweite zu bringen. Doch ein kurzer Blick zurück machte klar, daß das Heil nun in der Flucht zu suchen war: Denn schon lagen zwei Hunde zerfetzt am Boden, und ihr Blut war das einzige, das an dem Untier zu sehen war.

So brachen die Jagdleute mit der Last über den Schultern als einziger Beute durch das Unterholz und hielten nicht eher, als bis völlige Stille sie umgab. Nun erst wandten sie sich der geretteten Gestalt zu, und siehe, sie staunten nicht schlecht: Es war der Secretarius und Magier des Vogtes, Magister em. Malzan Lichterlohe, eingehüllt in ein Gewand aus einem Dutzend verschiedener Stoffe, ausgestopft mit Kleidern und Wolle, dass er aufgebläht war wie ein Koschtaler Küchlein, und behängt mit Schutzzeichen und Amuletten aller Art.

Bald stellte sich heraus, dass der Secretarius, aus Furcht vor den Wächtern Rohals1 , beschlossen hatte, das Mysterium des Auerochsen selbst zu lösen, wozu er sich allerdings, seiner vorsichtigen Natur entsprechend, in dieses selbst verfertigte „Schutzgewand“ gekleidet hatte. Tatsächlich gelang es ihm, den Ochsen aufzuspüren, doch griff ihn dieser wutschnaubend an, so daß er sich, wiewohl ihm die Höhe ebenso zusetzte wie das Untier, auf die Buche retten mußte, bis ihn die Kräfte verliessen und er zu Boden stürzte.

Der Vogt schalt seinen Secretarius kräftig, solches ohne sein Wissen unternommen zu haben, beschloß dann aber, in die Burg zurück zu kehren und das Eintreffen der Wächter Rohals abzuwarten, da dem Untier mit Waffengewalt offenbar nicht beizukommen war.

Soweit der Bericht des Zahlmeisters. Die Wächter Rohals trafen zu dritt am 1. HES. auf Burg Halmwacht ein, unter der Führung der Magistra ex. Thalessia von Herbonia. Sie reisten jedoch am 14. unverrichteter Dinge wieder ab, da sich der Ochse während jener zwei Wochen nirgends mehr zeigte. Am 1. FIR. aber zerstörte das Untier eine Scheune und tötete einen Knecht und eine Magd, die gerade die Tiere versorgten. Darauf kehrten die Magier des OCR zurück und nahmen mittels der Clarobservantia die Verfolgung auf. Am 20. FIR. gelang es ihnen, den Ochsen zu stellen, doch zogen sie es vor, nach eingehendem Fernstudium den Rückweg nach Burg Halmwacht anzutreten.

Dort proklamierten sie, es handle sich bei dem Untier um eine Präsenz dämonischer Natur. Diese sei aller Wahrscheinlichkeit nach von Magister Lichterlohe in diese Welt gerufen worden, weswegen sie ihn zu arretieren trachteten. Der Vogt widersetzte sich aber dem Ansinnen, so daß demnächst wohl der Fürst diese Sache entscheiden muss. Zur Bekämpfung des Geistmarker Ochsen wird zur Zeit nach geeigneten Spezialisten gesucht.

1 Magister Lichterlohe ist nämlich Graumagier und lehrte bis vor kurzem an der Schule zu Rhôndur, bevor jene von den Geweihten auf Geheiß des Herrn Hilberian geschlossen wurde.