Neues aus Drift - Growin der Schlichter

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Durstein, Anfang Phex 1041

Eine massige, mit Schießscharten versehene Kutsche rumpelte langsam die Serpentinen der Passstraße Richtung Durstein bergauf. Je sechs Zwergenkrieger gingen mit geschulterten Äxten der Kutsche voran, bzw. hinterher.
Die Kutsche hielt direkt vor dem Eingangsportal des Hauses Zarabas, wo Hakan von Nadoret schon mit verschränkten Armen zu warten schien. Die Tür der Kutsche schwang mit einem Ächzen auf und niemand geringerer als Graf Growin setzte seinen Fuß auf den durch die einsetzende Schneeschmelze matschigen Dursteiner Boden.
„Hochwohlgeboren persönlich. Mit seiner halben Streitmacht. Was verschafft uns diese Ehre?“ grüßte Hakan betont gelangweilt und blickte auf Growin hinab.
„Die Streitmacht, passend zur Angelegenheit, mein Guter. Aber ich sehe, ich habe schon wieder übertrieben.“ murrte Growin ebenfalls betont gelangweilt.
„Darüberhinaus besuche ich meine zänkischen Untertanen, Hakan!“ fuhr Growin fort, hängte seine Daumen in seinen breiten Gürtel und ließ seinen Blick über die Gegend schweifen.
Dann fokussierte er Hakan: „Der Winter ist vorüber. Es wird Zeit dass diese Belagerung ebenfalls endgültig ein Ende findet. Findet ihr nicht?“
Hakan verschränkte die Arme vor der Brust: „Ich habe eurem Lakai Gerling bereits vor Monaten gesagt, dass ich erst Abziehe wenn für Gerechtigkeit gesorgt wurde. Euer Richtspruch war mehr als Tendenziös. Ich forderte eine Bestrafung dieses Agitatoren Brumil, doch ihr habt ihn zum Baron erhoben!
Growin reagierte sichtlich genervt „Hört zu Hakan: Dass ist meine Grafschaft! Ich habe das Treiben in Drift lange genug beobachtet. Treib es nickt auf die Spitze.“
Hakan blickte Growin düster an: „Vielleicht vermögt ihr es eine Streitmacht hinter euch zu versammeln. Vielleicht auch nicht. In eurer bisherigen Regierungszeit seid ihr den Beweis jedenfalls schuldig geblieben. Hier und heute sind meine Truppen den euren um das Vielfache überlegen. Ich habe also Grund anzunehmen, dass ihr verhandeln wollt?
„So, so. Bedingungen will er stellen.“ Erwiderte Growin und fuhr eine Weile mit dem Fingern durch seinen Bart. "Bisher haben Ferdoker Truppen unter mir ausschließlich gegen Feinde des Reiches gekämpft. Und das sollte so bleiben. Wir können verhandeln, aber ich warne Dich. Wer meine Hand einmal wegschlägt, bekommt meine Faust zu spüren.“
Hakan antwortete lapidar: „Ich bin bereit mit euch zu verhandeln. Wer mir die Hand zum Frieden reicht, dem werde ich sie bestimmt nicht wegschlagen.“
Growin nickte und deutete auf ein Gebäude: „Sehr gut … Wir treffen uns zur ersten Nachmittagsstunde dort im Park, im Praiostempel. Brumil wird natürlich auch eingeladen!“
Hakan nickte: „So sei es!“

Viele Stunden später, es war schon Nacht geworden, saßen Growin, Hakan und Brumil unter Beisein der örtlichen Geweihten immer noch im kleinen Praiostempel Dursteins beisammen und diskutierten.


Brumil: „... Es ist doch gleich ob wir Durstein mit Gewalt oder mit List eroberten. Ich schwöre bei meines Bartes Silberlocke, dass keiner von den Meinen Narmur im Schlaf ermordet oder gar hingerichtet hat, wie ihr hier vermutet Hakan. Er wollte sich abseilen und verlor dabei den Halt. – So und nicht anders war‘s!“
Hakan: „Wenn aber einer von Narmurs Leuten euch eingelassen hat, so ist diese Person ein Verräter und muss dem Recht zugeführt werden!“
Brumil: „Ob ein Verräter im Spiel war oder nicht, ändert nichts an unsrer jetzigen Lage. Lasst doch mal ab von eurer Gier nach dem Schafott!“
Hakan: „…Dem Gerechten ist's Freude, wenn Recht geschafft wird, den Übeltätern aber ist es ein Schrecken.
Die Geweihte nickte zustimmend und lächelte milde zu Hakans Worten.
Brumil überlegte kurz und entgegnete: „ … Der Langmütige ist reich an Einsicht, aber der Jähzornige treibt die Torheit auf die Spitze.“
Hakan blickte Brumil verblüfft an, die Geweihte hingegen nickte abermals zustimmend: „Ich sehe, ihr habt beide die Offenbarungen der Sonne gelesen und vermögt sie zu rezitieren. So lasst uns zu dem zurückkehren, was wir in den letzten Stunden besprochen haben: Ihr, Hakan von Nadoret, werden die Belagerung beenden und mit euren Truppen Drift verlassen. Dafür ernennt ihr, Brumil Wackerstock Hakan zum Junker von Durstein.
Holdwin von Rohenforsten bleibt Vogt des Gutes, dafür bleibt Josper von Kemlar Hauptmann der Drifter Garde.“
Die Geweihte blickte zwischen Brumil und Hakan hin und her.
„So sei es.“ stimmte Hakan schließlich zu.
„So sei es.“ Entgegnete Brumil nickend.
Growin nickte zustimmend und ein Lächeln ließ sich unter seinem Bart erkennen: „So, bei Angroschs Hammer! – Ich lasse Brief und Siegel bringen und hinterher noch ein Fass Bier für alle!“
Während sich die Nachricht vom Ende der Belagerung schnell im Dorf und in der Burg herumsprach und sich alle Leute trotz der hereingebrochenen Nacht freudig in die Arme fielen und den Frieden feierten, standen Brumil und Hakan an der Schwelle des Tempels und beobachteten die Szenerie.
Hakan drehte sich zu Brumil: „Ihr habt den Aufstand gegen Narmur geschickt genutzt Herr Wackerstock. Vom Landvogt zum Baron in nicht mal drei Jahren. Alle Achtung. Aber seid auf der Hut. Ich werde euch beobachten und dafür sorgen, dass euch … Gerechtigkeit … wiederfährt.“
Brumil: „Ich dachte gerade ähnliches über euch, Hakan. Abertausende Dukaten und mehrere Güter als Beute. Ihr solltet Narmur und den Aufständischen dankbar sein.
Und noch etwas: Gerechtigkeit ist nicht das höchste Gut, Hakan. Es gibt etwas Höheres.“
Hakan: „Diese Worte an der Schwelle eines Praiostempels zu sprechen grenzt an Häresie, Zwerg. Was ist höher als Gerechtigkeit?“
Brumil steckte die Hände in die Manteltaschen und machte sich auf den Weg zurück zur Burg: „Gnade, Hakan.“