Ratsherren-Humpen geschändet!
◅ | Rettet die Prinzessin! |
|
Keine Gnade für Scherzbolde | ▻ |
Ratsherren-Humpen geschändet!
Dummer Streich oder unheiliges Treiben?
ANGBAR. Als sich die Angbarer Zunftherren nach der Versammlung vom ersten Rohalstag im Peraine 1034 zum traditionellen Mahl im Ratskeller setzen wollten, wurden sie durch einen schrillen Schrei aufgeschreckt. In der Küche fanden sie die Schankmaid Salmissa besinnungslos vor dem Humpenschrank liegen. In diesem wuchtigen Eichenschrank bewahrt der Kellerwirt Binsbart Haubinger die Trinkgefässe der Ratsmitglieder auf, allesamt reich verziert, meist mit Namensgravur und oft alte Familienerbstücke. Phexseidank waren die Humpen noch alle da, säuberlich auf den Tablaren des Schranks aufgereiht – doch in jedem steckte kopfüber eine tote Ratte. Die Schwänze der Tiere waren kunstvoll um die Henkel geknotet.
„Der Appetit ist uns natürlich allen gleich vergangen“, berichtete Alma Schratmaul, Zunfträtin der Fenstermacher, gegenüber dem KOSCH-KURIER. Stattdessen habe sich, während noch der Apothekermeister Olber Bocksaum nach der armen Schankmaid schaute, eine hitzige Diskussion entsponnen, was nun zu tun sei. Laut Meisterin Schratmaul wollten die einen die Kadaver sofort entfernen und verbrennen, während andere meinten, man solle nichts anfassen, bis ein Praiote sich die Sache angesehen hätte. Auch nach der berühmten Spürnase von Väterchen Nirwulf Sohn des Negromon wurde gerufen. Ratsherrin Gidiane Caramos hätte gar einen Rohalswächter beigezogen, doch blieb sie allein mit dieser Forderung. Wie so oft wurde sich der Rat nicht einig, so dass man Wirt Haubinger schliesslich eine Liste übergab, welche Humpen er leeren und reinigen solle, welche zur Einsegnung dem Travia- oder Ingerimmtempel übergeben, welche gleich mit der Ratte in die Kerichtgrube werfen und welche gar zu Händen der Stadtgarde oder der Inquisition aufbewahren. Bisher kam es allerdings nach Informationen des KOSCH-KURIERS zu keiner offiziellen Untersuchung des unge- heuerlichen Vorfalls.
Damit unzufrieden, hat Ratsherr Metzel Wackertopf von der Kannenmacherzunft einen Anschlag an der Neuwen Mûr angezettelt. Für jeden nützlichen Hinweis zur Aufklärung der Untat verspricht er zwölf Si bertaler zu zahlen. Auf Anfrage des KURIERS äusserte er auch gleich ein paar Vermutungen:
„Nuja, wer Ratten sieht, denkt natürlich gleich an den Praiosseibeiuns! Mögen die Zwölfe verhüten, dass sich solch unheiliges Gesindel tatsächlich im schönen Angbar herumtreibt. Aber im Vertrauen, was hätte denn so ein Kultist davon, ein paar Humpen zu besudeln, und seien sie noch so prächtig... Da drängen sich mir weltlichere Verdachte auf. Ich bin gewiss kein Nirwulf, aber ich denke da an einige Damen und Herren, die sich in jüngerer Zeit von Ratsentscheiden ungerecht behandelt fühlten. Ein Racheakt, vielleicht auch gar nicht gegen uns gerichtet, sondern gegen den Wirt? Jemand müsste sich auch mal die Schanksleute genauer ansehen, bei Ingerimm!“ Auf der Straße kam dem KOSCH-KURIER zudem das Gerücht zu Ohren, um den Neumarkt seien in jüngerer Zeit öfters Kobolde gesichtet worden. Entpuppt sich das Ganze am Ende bloss als übler Scherz?
Keine Gnade für Scherzbolde
ANGBAR. Wie tief der Schreck bei den Zunftvorstehern sitzt, zeigt sich auch daran, dass der sonst eigentlich recht tolerante Rat mit deutlicher Strenge gegen einen Bänkelsänger verfahren ist, der von dem Vorfall mit den Ratten Wind bekommen und ihn in seine Possen eingebaut hatte.
So erging er sich zwischen seinen Liedern und Gedichten in Spötteleien, darunter das Wortspiel, dass man bei Haubinger kein Rats-Bräu bekomme, sondern Ratz-Bräu. („Ratze“ ist bekanntlich ein volkstümlicher Ausdruck für Ratte.) Hätte er dergleichen in der Neuen Bastey, etwa im Pfeffersack oder Hinkefuß getan, hätte wohl kein Hahn danach gekräht. Aber am hellichten Tage auf dem Neumarkt, just, als die Herren Odoardo Markwardt und Anghalm Eisenstrunk des Weges kamen - das ist etwas anderes. Gerade, als der Scherzbold seine Zuhörer fragte, was denn der Unterschied zwischen einem Bierhumpen und einer Rattenfalle sei, legten sich ihm zwei schwere Pranken auf die Schultern, und er ward abgeführt und zu zwei Stunden Pranger verurteilt - zu mehr nicht, da er erwiesenermaßen zum Zeitpunkt der „Rattenplage“ nicht in der Stadt gewesen war.