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Version vom 27. Juni 2022, 19:24 Uhr
Glück auf der Reise
Der Aves-Stein bei Unterangen
Heiligtümer müssen nicht immer groß und prächtig sein, um fromme Verehrung zu genießen; ein gutes Beispiel dafür ist der Aves-Stein bei Unterangen.
Reist man von Oberangbar nach Steinbrücken, erblickt man etwa eine halbe Meile hinter dem Örtchen Unterangen am Wegrand einen großen Findling, der schon seit Urzeiten dort liegen mag. Über die Jahrtausende haben Wind und Wetter dem Stein seine seltsame Form gegeben, ohne dass Menschen- oder Zwergenhand dazu beigetragen haben. An seiner Oberseite gibt es mehrere Mulden, die das Regenwasser auffangen und Vögeln aller Art als Tränke oder Bad dienen. In der Mitte des Felsens aber, auf der dem Weg zugewandten Seite, befindet sich eine kleine Höhlung, die wie eine winzige Grotte aussieht. Und in dieser steht eine schlichte, aus Holz geschnitzte Figur, die Aves zeigt, den Schutzgott der Reisenden.
Und tatsächlich ist es guter Brauch in der Gegend, dass Wanderer dort eine kleine Gabe hinterlassen. Das mag eine Münze sein, viel öfter aber sieht man Blumen, kleine Früchte, hübsche Steinchen oder kleine, geschnitzte Vögel – selbst Muschelschalen aus weiter Ferne finden sich unter den Gaben. Denn die Leute glauben, dass ein solches Opfer dem Spender eine sichere Reise gewährt.
Schon oft haben die Leute aus Unterangen beobachtet, wie eine Elster sich beim Aves-Stein niederließ, zwischen den Gaben scharrte und dann mit einer blitzenden Münze im Schnabel davonflog. Dies sei aber kein schlechtes, sondern vielmehr ein gutes Zeichen, ist doch Aves der Sohn von Rahja und Phex, und Letzterem sind die Elstern liebe Tiere.
Es folgen aber bei Weitem nicht nur einfache Wanderer dem Brauch, am Aves-Stein zu opfern; auch der Baron Wolfhardt von der Wiesen legt hier regelmäßig etwas nieder, wenn er gen Süden reitet – und bislang ist er immer heil von seinen Reisen zurückgekehrt. Möge es auch weiterhin so sein!