Glaube im Kosch — Teil IX: Mutter Travia

Aus KoschWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen


Kosch-Kurier36-.gif

Ausgabe Nummer 42 - Tsa 1029 BF

Auf dem Zwölfergang

Glaube im Kosch — Teil IX: Mutter Travia

Vom Greifenpass, dem Heiligtum des Herrn Praios, aus setzt Meister Born von Stedtler seine Wanderung auf dem Zwölfergang fort. Diese Etappe seiner Pilgerschaft steht ganz unter dem Zeichen der Wildgans, der Mutter Travia also, die neben dem Herrn Ingerimm wohl die am meisten verehrte Gottheit im Koscherland ist.

Nach dem Mitternachtsgebet durch einen Geweihten des Praios, der sehr wohltuende Worte aus dem heiligen Buch „Offenbarung der Sonne“ sprach, scheint die hohe Halle im Schlafsaal des Pilgerhauses noch größer zu wirken. Als die ersten Sonnenstrahlen ihr goldenes Licht ins Tal des hiesigen Örtchens Dunkelhain werfen, werden wir vom Gong des in einer nahen Schlucht gelegenen eigentlichen Klosters geweckt. Im Kloster sollen so manche Unheiligtümer bewahrt werden, auf dass sie keinen Schaden anrichten, sozusagen ein geistliches Gegenstück zur weltlichen Asservatenfeste Koschgau — eine Aufgabe, die nach der Zerstörung der Stadt des Lichts umso wichtiger erscheint, den Ort aber mit einer fast unheimlichen Aura umgibt.

Noch furchteinflößender muss jedoch der Magierturm sein, der ebenfalls nicht weit entfernt im Westen, an der Grenze zum Hinterkosch, stehen soll — jedenfalls haben die Herbergseltern mich vor ihm und der angeblich unsterblichen Magierin Domaris gewarnt. So bin ich ganz froh, dass mich mein Weg ohnehin in die östliche Richtung führt — hinab ins Tal des heimatlichen Angbar.

Wieder packt mich das Heimweh, die Sehnsucht nach den großen Augen meiner Tochter Belisa und meiner lieben Gemahlin Bachede, deren Niederkunft nicht mehr fern sein dürfte. Doch dann besinne ich mich, denn die Bitte um eine gute Geburt ist es ja, die mich auf Pilgerfahrt gehen ließ.

Neuen Mutes gehe ich ohne Rast weiter auf dem serpentinenreichen Pass, bis ich am späten Abend die Lichter von Trottweiher und des über dem Ort liegenden Klosters von der inniglichen Einkehr unserer Schwester Vieska von Wengenholm erkenne. Schon bevor ich das Tor des bescheidenen Gebäudes erreiche, werde ich vom tiefen Bellen der wachsamen Hunde begrüßt, die vor allem im Winter noch immer durch die Region streifen, um in Not Geratene aufzuspüren.

Mir wird von einer freundlichen, kleinen Geweihten namens Hamwide Einlass gewährt. Auf ihre Bitte hin helfe ich ihr eine Weile beim Käseschöpfen, darf von einem Rad gereiften Trottlerkäses probieren und komme mit ihr ins Gespräch. Sie erzählt in blumigen Worten von einer Horde Trunkenbolde, die einst regelmäßig die Ruhe des Ortes gestörte hatte, ehe die Äbtissin jeglichen vergorenen oder gebrannten Trank aus der Heiligen Stätte verbannte.

Ich berichte ihr von meinen Erlebnissen während der Pilgerfahrt, denen sie interessiert lauscht, ehe sie gesteht, dass sie einst als Obstdiebin aus ihrem Dorf gejagt wurde und während eines Bußwegs auf dem Zwölfergang den Ruf Travias empfing. Als ich auf meine Familie zu sprechen komme, wird sie besonders hellhörig, und auf ihr Gesicht legt sich ein strahledes Lächeln. Für einen Moment verschwindet sie in einem Nebenraum und kommt mit einem kleinen Brief zurück. Ich traue meinen Augen kaum, als ich die Schrift meiner Gemahlin erkenne. Mich überkommt ein unbeschreiblich wohliger Schauer, als ich lese, dass Bachede hierher schrieb, weil sie hoffe, dass mich ihre Zeilen hier, an der Pilgerstation Mutter Travias, erreichen würden. Belisa könne schon erste Buchstaben schreiben, ihr und dem Ungeborenen gehe es auch gut, vor allem aber liebe sie mich von ganzem Herzen und sie freue sich sehr auf meine Rückkehr. In diesem Moment spüre ich, was Travias größtes Geschenk ist, und ich danke der gütigen Mutter mit Tränen in meinen Augen dafür.

Aus der Historie

Es ist bemerkenswert, dass die Koscher wohl schon seit frühesten Tagen im Sinne Travias lebten — schon immer scheinen Heim, Familie, gutes Essen und Gemütlichkeit als einige der wichtigsten Lebensziele gegolten zu haben. Hierbei deckte sich auf wundersame Weise der Traviaglaube mit den traditionellen Werten des Hügelvolkes, das die menschlichen Siedler (vom anfänglichen Zwist auf der Wergenburg abgesehen) von jeher gastlich aufnahm.

Friedenskaiser Arn, Hochkönig Angbarosch und Graf Broderic von Ferdok, der als Kind von Zwergen aus bitterer Not gerettet wurde, gelten heute als Väter des 752 v. BF geschlossenen und bis heute geltenden Friedens — doch waren es vor allem die Siedler und Zwerge selbst, die diesen Vertrag mit Leben erfüllten. Aus dem Austausch von Brauchtum und Wissen entstand eine gemeinsame Koscher Lebensart, und aus guter Nachbarschaft wurde allmählich Freundschaft, die 524 v. BF schließlich in den Koscher „Bund auf Ewig“ mündete. In jenen frühen Tagen wurde auch die Saat für eine tief wurzelnde Verehrung Travias gelegt. Schon damals entstanden erste Tempel — und so mancher Ort, wie etwa Trallik oder Fünfbrunnen, geht auf die Gründung durch Geweihte der Gütigen zurück.

Während dieser Zeit ereignete sich auch die rührende Legende vom Hadertal, in dem sich die Bewohner einer alten Hügelzwergensiedlung mit unweit siedelnden Menschen stritten, bis schließlich ein Kampf entbrannte und die ersten zwei Blutstropfen von Zwerg und Mensch auf den Boden fielen. Ingerimm zürnte den Friedensstörern und ließ die Häuser in beiden Orten in einem großen Beben vergehen. Alles was verschont blieb, war das glimmende Herdfeuer im Kamin einer einsamen Kate in der Mitte beider Dörfer. Erst jetzt öffneten sich die Augen der Streitenden und sie errichteten rings um dieses Herdfeuer eine neue gemeinsame Siedlung, in der sie seither in Frieden miteinander leben: das noch heute vor den Toren Angbars liegende Heimthal.

Auch wenn der Mütterlichen vor allem im einfachen Volk innigliche Verehrung galt, hielten stets auch viele Adelige die Tugenden Travias hoch. Nicht zuletzt gilt das Fürstenhaus selbst traditionell als recht traviafromm. So verfügte etwa Fürst Angfold vom Eberstamm im Jahr 798 BF, dass der zehnte Teil des Brückenzolls dem nächstgelegenen Traviatempel zufließen solle. In der Folge gründeten sich an manchen Brücken neue Häuser der Heiligen Mutter — die auf diese Weise zugleich darauf achten konnten, dass kaum heimatloses und unfrommes Streunervolk in den Kosch einzuwandern vermochte.

Auf Fürst Idamil sollen die ersten Alleen aus Apfel- oder Birnbäumen zurückgehen, die noch immer wichtige Landwege säumen, und an welchen der Wanderer seinen Hunger stillen kann — ein gastlicher Brauch, den auch unser heutiger Fürst Blasius in hohen Ehren hält und neu belebt hat.

Die jüngste Tempelgründung erfolgte im Anschluss an das Wüten des Alagrimm in Angbar. In der niedergebrannten Ruine des einstigen Efferdtempels ließen sich noch am Abend der Schlacht Geweihte aus Heimthal und fernerer Orte nieder, um den obdachlosen und Not leidenden Opfern des Flammenaars beizustehen.

Koscher Eigenheiten

Heimat, Herdfeuer, Friedfertigkeit, Familie, Kochkunst, Gastfreundschaft — kaum eine Gottheit steht dem Koscher in ihrer Lehre so nahe wie Travia. Einzig der Name Ingerimms mag noch enger mit unserer Heimat verknüpft sein. So ist es kein Wunder, dass Ingerimm und Travia bei vielen Koschern als Ehepaar gelten — als wachender Vater und behütende Mutter unserer Heimat. Zwar kennt die offizielle Glaubenslehre die Zwölfe einzig als Geschwister, doch bleibt der Widerspruch der hiesigen Traviageweihten in der Regel leise — unterstreicht der Gedanke an ein elterliches Götterpaar doch die Nähe der Götter zu den Gläubigen auf anschauliche Weise. Ja, manche Geweihten fördern diese Sicht in ihren Predigten sogar.

Die Lehre Travias scheint den Koschern schon von klein auf im Blut zu liegen, so dass die Priester nur selten mahnende oder bekehrende Worte erheben müssen. Häufig werden kleinere Verfehlungen gegen Anstand und Sitte schon von der eigenen Großmutter zurechtgewiesen. Ein übriges verrichtet das Brauchtum — zu dem gemeinsame Familienfeste ebenso wie kleine Gesten zu Ehren Travias gehören.

Schon bei der Errichtung eines neuen Heimes wird zur Gewähr von Gemütlichkeit und Gastlichkeit stets ein Stück Buchenholz eingebaut. Ähnliches gilt für einen neuen Ofen, dessen erstes gebackenes Brot den Gänsen verfüttert wird. Auch die Fertigstellung des Hauses gilt erst als besiegelt, wenn das Herdfeuer im Namen Travias gesegnet ist. In kaum einem Haus fehlt eine geschnitzte oder gemalte Gans und sei es nur als eingekerbtes Zeichen der Göttin am Rahmen der Eingangstür. Vor allem die Wirtshäuser drücken häufig ihre (vermeintliche) Frömmigkeit durch besonders hübsche Statuen in den Ecken der Schankstube aus – wobei jedoch eine besonders prunkvolle Wildgans nicht unbedingt einen untrüglichen Rückschluss auf die Qualität der Taverne zulässt. Dennoch ist es angeraten sich beim Eintritt in die Gute (Schank-)Stube kurz vor dem Traviawinkel zu verneigen, wenn man bei Wirt und Mitgästen nicht als ungehobelt dastehen will. Ein wahrhaft traviagefälliges Gasthaus erkennt man besser an einem möglichst aktuellen Siegel des Braugreven am Tresen und daran, dass die Wirtsleute im Winter und Sturm eine Kerze als Wegweiser für Verirrte ins Fenster stellen.

Naturgemäß finden sich traviagefällige Riten vor allem bei Hochzeitsfeiern wieder. In vielen Gegenden des Kosch tritt der Werbende in seinem schönsten Gewand und mit einem (oft fingerhutgeschmückten) Krug voll Bier vor das Haus der Eltern seiner Holden. Es folgen meist regionaltypische Bräuche: im Garnelhaunschen etwa muss er nun seine Liebe offenbaren und die Vorzüge der Angebeteten, ebenso wie seine eigenen aufzählen, häufig in Versform oder als Gesang. Wenn Vater und Mutter nun einen Schluck aus dem Krug nehmen, gilt das als ihre Zustimmung — und die (meist spätestens jetzt vor dem Haus versammelte) Menge bezeugt die Verlobung mit lautem Jubel.

Im Vorfeld (oft am Vorabend) einer Eheschließung finden sich die Familienmitglieder und Freunde von Braut und Bräutigam beim Rabbatzabend zusammen. Ihre Gaben sollen dem jungen Paar nicht nur als Aussteuer dienen, sondern anhand ihres Wertes wird auch bestimmt, welcher Name in die Ehe getragen wird. Diese Entscheidung liegt häufig bei der örtlichen Traviageweihten, wobei diese nicht nur dem materiellen Wert oder die Menge der Geschenke Bedeutung zumisst — sondern auch der inniglichen Zuneigung der Schenkenden zum Brautpaar. Vielleicht ist dies ein Grund, warum man bei dynastisch wichtigen Hochzeiten in Händler- oder Adelskreisen lieber Phex-, Praios- oder Rondrageweihten diese wichtige Entscheidung überlässt.

Noch vielfältigere Traditionen finden sich unter den eigentlichen Hochzeitszeremonien. Sie mögen sich von Dorf zu Dorf, von Zunft zu Zunft, bisweilen gar von Sippe zu Sippe unterscheiden. Oft entstehen durch Vermischung der Bräuche von Braut und Bräutigam gar ganz neue und eigene Überlieferungen, so dass nahezu jeder Traviabund ebenso einzigartig ist wie das Paar selbst. Vielerorts trägt man (übrigens selbst im Hinterkosch) Glut aus den Herdfeuern der beteiligten Familien zusammen und lässt daraus das neue Herdfeuer der Jungvermählten entstehen. Häufig wird auch ein Silbertaler als Opfer an Ingerimm vergraben, weil sich dadurch der Wohlstand vermehren soll. Weit verbreitet ist auch die Sitte, den traditionellen Jünglings- und Jungfernkranz aus weißem Traviakraut gegen einen Ehekranz aus Buchen- oder Lindenblättern oder eine hübsch bestickte Haube zu tauschen (daher das Sprichwort: „Unter die Haube kommen“). Wie auch immer die Zeremonie aussehen mag, der Abend findet stets im Kreis der Familie, Freunde und Nahbarn auf zünftige Art mit gutem Bier, Braten, Musik und Tanz seinen Ausklang.

Feiertage

2. Praios – Fürstlich Gnaden.

Der Travia gefällig, verteilt Fürst Blasius Gaben an die Armen, stiftet den Lehrburschen und Gesellen Freibier und den Kindern ein Festmahl. An diesem Tag ist es zudem jedermann erlaubt nach eigenem Verbrauch im Fürstlichen Forst Kleinwild zu jagen und Holz zu schlagen. Auch wenn Seine Durchlaucht mittlerweile auf Burg Fürstenhort residiert, findet dieses Fest noch immer in Angbar statt — weilt der Fürst am Vortag zur Sommersonnenwende doch ohnehin in der Reichsstadt. Bis zur Wiedererrichtung des Fürstenschlosses nächtigt er in diesen Tagen wie so manche seiner Vorfahren in der Alten Zitadelle.

1. Travia – Fest der Heimkehr.

Am ersten Tag des dreitägigen Festes der eingebrachten Früchte begrüßt man in die Ferne verzogene Familienmitglieder im heimatlichen Elternhaus. Der Abend gehört einem feierlichen Essen im Kreis der Lieben, bei dem oft die Erlebnisse des Jahres ausgetauscht werden.

1. Markt- und Praiostag im Travia — Koschtaler Bierfest.

Nur eines von zahlreichen ähnlichen Stadt- und Dorffesten in diesen Tagen.

11. Travia – Jungfernfest.

Im Ferdoker Land findet ein Wettstreit der Jungfern und Jünglinge statt. Die Sieger werden über Nacht (bis zum Tag der Treue) aneinandergebunden — Ursprung mancher Ehe (oder Fehde).

12. Travia – Tag der Treue.

Auch im Kosch beliebter Tag für Liebesschwüre und Hochzeiten. So gingen vor wenigen Jahren an diesem Tag Prinzessin Iralda von Schetzeneck und Throndwig von Bregelsaum-Wettenberg ihre kurze, aber innige Ehe ein.

30. Travia – Nacht der Ahnen (am Vorabend des Tages der Toten).

Vor den Türen brennt eine Kerze, um den verblichenen Mitgliedern der Familie den Weg zu weisen. Während eines Festmahls im Familienkreis wird am Tisch ein Platz für die Verstorbenen frei gehalten. Man gedenkt ihrer, reicht ihnen symbolisch vom Mahl, erzählt ihnen von den Ereignissen des letzten Jahres, bis man die Tafel aufhebt und nur noch eine rote Kerze am Platz der Toten verbleibt.

30. Phex – Vortag des Saatfestes.

Auf dem Land richtet die gesamte Familie das Saatfest her: Die Frauen backen Perainebrot und Belmartkränze, die Männer bereiten die Saat vor und die Kinder ziehen mit den Familienältesten auf die Wiesen, um Blumen zu sammeln und schmückende Kränze zu flechten.

2. RahjaTralliker Sängerwettstreit zu Ehren Travias:

Verschiedene Sänger und Chöre treten gegeneinander an, um den Besten zu wählen und Mutter Travia zu preisen. Wenn der Sieger ein wahrhaft traviagefällig vorzutragen wusste, dann lässt die Göttin an diesem einen Tag aus dem unscheinbaren Holzkrug, der im Tralliker Tempel verwahrt wird, das köstliche Bier sprudeln, und keiner der Gläubigen bleibt durstig.

Wichtige regionale Heilige

So manche Legende von wundersamen Rettungen Verirrter oder in Elend Geratener wird seit Generationen weitererzählt und der Nachwelt bewahrt. Einige der darin vorkommenden Personen gelten in ihren jeweiligen Tälern und Dörfern als Heilige. In Storchsklausen etwa betet so mancher zum erst vor wenigen Jahren verstorbenen Traubart, der sich nach dem Orkenzug um die Waisen kümmerte. Im gesamten Kosch wird Vieska von Wengenholm (558-642 BF) als Heilige anerkannt. Gemeinsam mit ihrem treuen Hund Born rettete sie so manchen Verirrten der Berge vor dem Tod in Eis und Fels. Sie stiftete das Kloster am Greifenpass, das ihr Andenken bewahrt und die Nachfahren Borns bis in unsere Tage heranzüchtet. Auch der Himmlischen Familie sind einige Tempel geweiht. Die Bäcker verehrten zudem die Heilige Dythlind, die im brennenden Bosparan ums Leben gekommen sein soll.

Heilige Artefakte

Hier ist in erster Linie der Tralliker Holzkrug zu erwähnen, aus dem die Göttin einmal beim Tralliker Sängerstreit wie aus einem Füllhorn köstliches Bier in Strömen fließen lässt. Daneben weiß der Volksmund von „ewigen Eintöpfe“ und „immervollen Bierfässern“ zu erzählen, doch gehört das meiste davon in den Bereich der Märchen und Legenden.

Heilige Orte

Der Yarbocsee in der Baronie Bragahn gilt den Südferdokern als wichtiges Heiligtum der Mütterlichen. Wenn im Herbst die gen Süden ziehenden Wildgänse auf dem See landen, versucht die Geweihte von Bragahn aus ihrem Flug und der Anzahl Schlüsse für das kommende Jahr zu ziehen.

Irgendwo in den Koschbergen soll eine Höhle zu finden sein, in der Born, der heilige Hund Vieskas, bei seiner letzten Rettung starb. Die Heilige Vieska selbst soll ein Jahr in dieser Höhle gelebt und ihr Inneres mit der Lebensgeschichte ihres treuen Gefährten bemalt haben. Wo diese Höhle liegt, weiß keiner mehr — doch wer sie findet und in ihr übernachtet, habe ein glückliches Familienleben vor sich. Ähnliches soll ein, unter anderem mit Fingerhut bewachsenes, Blumenfeld in der Nähe von Pirkensee im Uztrutzschen bewirken. Allerdings nur, wenn es einem im Traviabund vereinten Paar gelingt quer über die Wiese zu laufen ohne auch nur eine der Blumen zu knicken.

Das moorbrücksche Dorf Donken soll auf einem Buchenwald errichtet worden sein, der im Sumpf versank — aber bis heute den Donkenern den Schutz Travias vor den Gefahren des Moores gewährt. Vergleichbar ist der Kranz aus Buchen, der den Ort Wildreigen in den Ambossbergen umgibt und der die Häuser vor der Zerstörung beim jüngsten Erdbeben (siehe S.11 in dieser Ausgabe) bewahrt haben soll. Hieran wird deutlich welch hohe Bedeutung den heiligen Blumen und Bäumen beigemessen wird.

In vielen Dörfern finden sich Hochzeitswiesen, -buchen oder -linden, auf bzw. bei denen sich die Hochzeitsfeiern im Dorfkreis abspielen. Oft handelt es sich um stattliche Exemplare, die schon seit vielen Generationen im Mittelpunkt der Festlichkeiten stehen und sicher so manche Geschichte erzählen könnten. Fast jedes Dorf kennt eigene Legenden, die sich um heilige Linden und Buchen, Herbergen, Opferbilder und Gedenksteine ranken. Dem Leser sei empfohlen einfach die Dorfältesten oder Wirtsleute zu fragen, die häufig nur zu gerne die entsprechende Mär in fesselnden Worten zu erzählen wissen.

Wichtige Tempel

Es wäre ein müßiges Unterfangen alle über den gesamten Kosch verstreuten Häuser der Göttin aufzählen zu wollen. Zumal sich so manches auf den ersten Blick als einfache Herberge gibt oder derart klein und bescheiden am Wegesrand steht, dass es sich scheinbar nur den Augen der Notleidenden offenbaren möchte. Mancher kleine Tempel findet sich auch in entlegenen Dörfern und hat schon verirrte Wanderer vor dem Hunger gerettet. Weil eine Betrachtung aller Tempel also unmöglich wäre, seien hier einzig jene erwähnt, deren Bedeutung in Größe und Einfluss den Durchschnitt übersteigen.

In unseren Tagen erregt ausgerechnet die jüngste aller heiligen Stätten besonderes Aufsehen. In den Tagen der größten Not, nachdem der Alagrimm große Teile der Reichsstadt in Flammen aufgehen ließ, kamen Geweihte aus vielen Orten nach Angbar um zu helfen. Längst ist die in der Ruine des einstigen Efferdtempels eingerichtete Unterkunft kein Provisorium mehr — und wandelt sich nach und nach zu einem festen Tempel der Travia. Da die Geweihten die gewährten Spenden noch immer eher für die Unterstützung des Wiederaufbaus zerstörter Wohnhäuser oder warme Speisen für verarmte und zunftlose Opfer und Waisen als für den Ausbau des eigenen Tempels verwenden, geht der Bau nur sehr langsam voran. Noch immer überspannt das Haus ein grob gezimmertes Behelfsdach, noch immer befindet sich der Traviaschrein zwischen Szenen zu Ehren Efferds auf rußgeschwärzten Wänden.

Ein Großteil der Angbarer Geweihten kam aus dem nahegelegenen Tempel von Heimthal, der auch unter den Stadtbürgern stets großes Ansehen genoss — und bis heute Ziel so mancher kleinen Wallfahrt ist. Die Kultstätte wird nicht zuletzt für das gute Bier gerühmt, das allerdings nur als Gegenleistung für einen Tag Mitarbeit im Dienst des Tempels an die Pilger ausgeschenkt wird, was den Tempel zu einem der schönsten im Land werden ließ. Sein Dach ist wie alle Häuser Heimthals nach Hügelzwergenart mit Gras gedeckt, die holzvertäfelten Räumlichkeiten im Inneren sind, ähnlich wie das nahe gelegene Waisenhaus, an Gemütlichkeit kaum zu überbieten. Es mag an alldem gelegen haben, dass die doch so traviagläubigen Angbarer bis vor kurzem noch keinen eigenen Tempel in den eigenen Mauern hatten. Ähnliche Bedeutung, auch als Ausbildungsstätte für Novizen, genießt das Haus zu Koschtal. Hier richtete vor gut hundert Jahren ein zwergisches Ehepaar in einem bauchigen Turm der Stadtbefestigung, der liebevoll „der Dicke“ genannt wird, einen Tempel der Travia ein. Bis heute ist der Einfluss von Mütterchen Burescha und Väterchen Brogumir auf den gastlichen Ort und den Umkreis ungebrochen.

Große Bedeutung besitzt der Tempel zu Trallik, findet doch dort in jedem Götterlauf ein Sängerwettstreit zu Ehren Travias statt, bei welcher Gelegenheit auch der heilige Krug von Trallik gezeigt wird und — so die Göttin will — in Form von köstlichstem Bier die Gläubigen erquickt.

Im Reigen der Dreischwestertempel von Gôrmel findet sich neben dem Tsa- und Perainetempel auch einer der Mutter Travia. Die dortigen Geweihten kümmern sich nicht zuletzt darum, dass auch weniger zahlungskräftigen Pilgern und Kurgästen eine göttergefällige Beherbergung und Speisung zuteil wird. In letzter Zeit haben die Gôrmeler Schwestern eine kleine Ansiedlung alter und gebrechlicher Geweihter, darunter auch solcher anderer Geschwister der Zwölfe, gestiftet — in der die Bewohner ihre letzten Jahre gemeinsam verleben.

Nicht wenige der kleinen Tempel finden sich am Wegesrand bedeutsamer Wegstrecken, wo sie frommen Pilgern und armen Wanderern Obdach und Speise bieten. Zu diesen mag man die Häuser zu Drift, Salmingen oder Lacuna zählen — vor allem letzterer Ort gilt unter den Treidlern fast schon als „unangenehm gastfreundlich“. Auch das bereits erwähnte Kloster am Greifenpass zählt zu diesen Wegherbergen, ebenso wie die Tempel an einigen der wichtigsten Brücken unserer Provinz. Diese „Brückentempel“ gehen auf einen Erlass Fürst Angfolds zurück und erhalten noch immer einen Zehnt des Brückenzolls. Im Gegenzug achten sie darauf, dass arbeitsscheue Landstreicher auf den Koscher Straßen eine Seltenheit bleiben, indem sie ihnen gegen Arbeit eine Unterkunft bieten. Derlei Häuser finden sich etwa in Moorbrück, Auersbrück, Thûrbrück, Tarnelfurt und Rakulbruck. In letzterem Brückentempel haben sich Mitglieder des Badilakaner-Ordens niedergelassen, eines Bettelordens, der wider Armut und Laster streitet. Die Rakulbrucker kümmern sich in letzter Zeit verstärkt um die Flüchtlinge aus den östlichen Provinzen – und sind daher auch häufig im nahen Ferdok anzutreffen. Auch im recht entlegenen Uztrutzer Örtchen Fünfbrunnen finden sich einige wenige Anhänger des Heiligen Badilak. Ursprünglich während der Kaiserlosen Zeit errichtet, als viele Schetzenecker unter den Fehden selbsternannter Barone zu leiden hatten, behütet die dortige Niederlassung heute vornehmlich arbeitsunfähige Mägde und Knechte, deren Herren nicht das Geld haben ihnen das Gnadenbrot zu gewähren.

Um den Reigen der regional bedeutsamen Tempel abzuschließen, seien noch die Häuser in Bragahn, dem wichtigsten Tempel der Baronie am Ufer des Yarbocsees, und Donken genannt, wo so mancher Verirrte im unheimlichen Moorbrücker Sumpf Rettung fand.

Bedeutende Geweihte

Perdita (geb. 984 BF in Trottweiher)

Die rotblonde Äbtissin des Klosters der Inniglichen Einkehr am Greifenpass ist als recht resolut bekannt, wenn es darum geht die traviagefällige Ruhe in ihrer Herberge zu wahren. Erst vor zwei Jahren verwies sie die Ingerimmgeweihte Ingrimiane Lohsack mit ihren Anhängern aus ihren Hallen, weil sie des Nachts lauten Gesang und Paukenschlag zu Ehren Ingerimms anstimmten. So erging es schon manchem, der seine Mitbewohner im Schlafsaal belästigte oder sich nur als Pilger ausgab um sich ein billiges Obdach zu erschwindeln. Betrunkene aber landen gleich im Hundehaus.

Burescha und Brogumir (geb. 820 bzw. 818 in Grunsbirn)

Im Koscherland gab es schon einige Traviageweihte aus dem Hügelvolk. Mütterchen Burescha und Väterchen Brogumir jedoch mögen die bekanntesten von ihnen sein. Vor gut hundert Jahren herrschte der finstere Porquid über unsere Heimat und seine Schergen hatten das Land fest im Griff. Die Menschen litten unter zahlreichen Fehden während der Zeit der Hundert selbsternannten Kaiser. Die Barone pressten das letzte Korn aus ihren Untertanen, doch viele Felder blieben unbestellt, während ihre Kinder in sinnlosen Schlachten fielen. In Koschtal verfielen die Häuser und finsteres Söldnergesindel strich durch die Gassen. In diesen Tagen trat das Zwergenpaar mutig vor Baron Grantel Goldmund von Koschtal mit der Bitte einen Tempel der Travia zur Linderung der Not errichten zu dürfen. Der Scherge Porquids aber verbot ihnen auch nur einen Balken oder Stein auf seinem Grund für einen Tempelbau zu setzen. Da zogen die Geweihten kurzerhand in einen leerstehenden Turm der Stadtbefestigung ein und versorgten von dort die Hungernden mit hügelzwergischer Kost und erbauenden Predigten. Die Koschtaler besannen sich auf den hohen Wert eines behaglichen Heims und begannen ihre Häuser wieder herzurichten und mit Blumen zu schmücken. Als der Baron sah, wie seine Stadt erblühte, konnte selbst er nicht anders, als die Geweihten gewähren zu lassen — und es heißt, er sei als traviafrommer Mann gestorben. Seither hat das Zwergenpaar so manche Hilfe geleistet und Generationen zum Traviabund geführt — kein Wunder, dass sie im Koschtaler Land schon fast legendenhaftes Ansehen genießen.

Herdane Haubinger (geb. 961 BF in Angbar)

Mutter Herdane erwarb sich hohe Achtung, als sie sich mit ihrem Gemahl Traubart in Storchsklausen als einfache Laiin um die Waisen des Orkzuges kümmerte. Nachdem sie die Kinder großgezogen hatten und ihr Gemahl vor sechs Jahren gestorben war, kehrte sie in den Schoß ihrer Heimatstadt Angbar zurück. Dies mag ein Fingerzeig Travias gewesen sein, denn so war die gute Seele rechtzeitig vor Ort, als der Alagrimm die halbe Stadt verwüstete und viele Bürger ihr Heim verloren. Sie begann noch am Abend nach der Schlacht in den verkohlten Resten des Efferdtempels eine Herberge zu errichten — und immer mehr Helfer und Geweihte strömten herbei um sie darin zu unterstützen. Diese federführende Rolle führte schließlich dazu, dass ihr der Tempelvater von Heimthal nun endlich — im hohen Alter von 66 Jahren — die Weihe spendete und ihr zugleich die Leitung des neuen Angbarer Tempels übertrug.

Weitere Geweihte

Beim eben erwähnten Tempelvater von Heimthal handelt es sich um den alten Hannusch Sirbensack, der einer alten Wirtsfamilie entstammt und sich nicht zuletzt dadurch bleibende Verdienste erwarb, dass er das Heimthaler Bier zu einer Perle der Koscher Braukunst werden ließ. Zum Bedauern der Gläubigen achtet Vater Hannusch jedoch streng darauf, dass es nur nach getaner Arbeit in Dienste Travias, und alleine innerhalb des Tempels selbst ausgeschenkt und getrunken wird. Das zum Tempel gehörende Waisenhaus wird von Mutter Algrid Lindgrün geleitet, die vor allem als Erzählerin wunderschöner Märchen bekannt ist.

Aus Albumin drang die Kunde, dass der Geweihte Angrich Rübfolder seinen bescheidenen Holztempel inzwischen zu einer kleinen Tempelburg zum Schutz vor dem allgegenwärtigen Gesindel, den Gefahren aus dem Finsterkamm und vor allem dem Menschenfresser Goro ausgebaut hat.

Im Ferdoker Land genießen unter anderem Ulfried Ulmentreu aus Rakulsbruck und A’Bragá die Milde aus Bragahn überregionales Ansehen.

Unvergessen bleibt uns auch Erma von Sighelms Halm, die inzwischen verstorbene Tante von Baron Kordan von der Geistmark, welche vor allem in Adelskreisen so manche Ehe gestiftet hat.

Born von Stedtler, Ratsschreiber zu Angbar

In der nächsten Ausgabe: PERaine, die Spenderin von Blüte, Frucht und Korn

Irdischer Hinweis: Dieser Artikel bildete die Grundlage für den Wiki-Artikel Travia.