Roterzer Herzklopfen - Aufmarsch
Die Sindelsaumer Truppen rückten langsam und geordnet Richtung Bochswies vor. Halmar von Sindelsaum war bewusst, dass Roban, ebenso wie er lange Jahre in Tobrien gekämpft hatte und daher vermutlich den ein oder anderen Trick auf Lager hatte, schließlich hatte der Grobhand lange Zeit gehabt um sich vorzubereiten. Laut seiner Späher waren die Grobhands die letzten Tage und Wochen nicht untätig geblieben und hatten den Hof, so gut es ging, befestigt, aber der Sindelsaumer Übermacht würden sie dennoch nicht wiederstehen können.
Halmar hatte Bodar, gemeinsam mit den in Ferdok und Uztrutz geworbenen Söldnern als Späher vorgeschickt und ritt nun, gemeinsam mit den Sindelsaumer Waffenknechten und seinem Vetter Baltram von Eichental den Weg nach Bochswies hinauf. Der Wagen mit dem Geschütz verlangsamte ihr vorankommen, doch hätten sie ohnehin auf die Axtschwinger der Munteren Breitäxte warten müssen, die zu Fuß deutlich langsamer waren, als die Sindelsaumer zu Pferde. Die Breitäxte waren zu beiden Seiten des Pfades ausgeschwärmt, Halmar hoffte so einen Hinterhalt frühzeitig entdecken zu können.
Das erste, was er allerdings entdeckte, war ein dunkler Punkt, der einige hundert Schritt vor ihnen plötzlich durch die Luft flog und dabei einen überdeutlich sichtbaren rotbraunen Schweif hinter sich herzog wie ein Komet.
”Was zum Namenlosen...”, entfuhr es Halmar, als ihm einfiel, wo er so etwas bereits gesehen hatte. Mit zusammen gebissenen Zähnen verfolgte er die Flugbahn der trockenen, roten Erde. Nichts weiter als ein Gemisch aus Staub und Lehm, trocken wie der Humor eines Phex-Geweihten, und das ganze an einer Art Wildfalle befestigt. Löste jemand die Falle aus, flog der Beutel durch die Luft und verteilte den Inhalt gut sichtbar für jedermann. In diesem Fall für die Verteidiger von Bochswies, die als gewarnt angesehen werden durften.
”Gar nicht dumm, Grobhand, gar nicht dumm”, knurrte Halmar verdrießlich und fragte sich im Stillen, welcher Art Einheit Roban wohl angehört haben mochte. Vermutlich mehreren, gedachte man der Zahl der dezimierten, aufgelösten und neu formierten Gruppen. Hesinde allein wusste, welche verrückten Ideen der Kerl im Schädel hatte, und womit man würde rechnen müssen.
”Verkürzt die Abstände!” wies er die Breitäxte an. ”Und achtet darauf, wo ihr hintretet. Wir müssen nicht nur mit einem Hinterhalt, sondern auch mit Fallen rechnen!”
Die Breitäxte gehorchten und gingen jetzt dichter nebeneinander. Halmar fragte sich, ob er genau das tat, was der Grobhander bezweckt hatte, oder ob der Zweck darin lag, dass er an sich selbst zweifelte.
Noch zweimal flogen Staubbeutel vor ihnen durch die Luft. Halmar seufzte. Bodar und seine Leute waren keine Anfänger, sondern erfahrene Späher. Das sprach dafür, dass die Fallen gut getarnt gewesen waren. Außerdem wusste Roban jetzt nicht nur, dass sich jemand näherte, sondern auch wie schnell.
Er wollte seine Späher schon zurück holen lassen, als einer von ihnen im Laufschritt heran trabte.
”Das Gelände ist mit Fallen gespickt, Herr!” keuchte er schon von weitem. ”Überall diese komischen Wildfallen, die Staub verteilen...oder andere Dinge!”
”Was für andere Dinge?” wollte Halmar schon fragen, als er die dunklen Flecken auf dem Wams des Mannes bemerkte, und den mehr als unangenehmen Geruch, der von ihm ausging.
”Hühner- und Schweinemist, Herr!” Der Mann schien vor Wut fast zu platzen. ”Euer Feind scheint einen eigentümlichen Humor zu haben! An einer Falle hatte er sogar eine Nachricht befestigt! Hat Humbold genau an die Stirn bekommen!”
Er hob ein mit Kohlestift beschriftetes Stück Zaunlatte hoch. ”Buh – du bist tot!” stand mit krakeliger Schrift darauf.
”Ist Humbold verletzt?” fragte Halmar, unsicher, ob er lachen oder noch wütender sein sollte.
”Eine große Beule, Herr, und eine noch größere Wut! War nicht genug Zug auf dem Zweig, um jemanden ernsthaft zu verletzen. Man könnte fast meinen, das macht der Kerl mit Absicht!”
Halmar straffte sich im Sattel. Er hatte manch einem schwierigen Gegner gegenüber gestanden, verhassten Feinden, Verrätern an Reich und Zwölfgöttern, opportunistischen Gierhälsen und anderem Geschmeiß.
Aber noch nie jemandem, bei dem er nicht wusste, ob er völlig verrückt oder auf merkwürdige Weise genial war.
Zeitgleich, auf Bochswies
”Roter Staub in der Luft!”
Roban sprang auf den improvisierten Wehrgang und blickte umher. Tatsächlich, die kamen tatsächlich über den Pfad.
”Wieder ein Karnickel, Herr?” Der Söldling kaute auf einem Stück Kautabak, nicht dem ersten, wenn man sich die Bretter des Wehrganges ansah.
”Abwarten. Wenn es ein Karnickel war, sollte nichts passieren. Und wenn nicht...”
In dem Moment flog der zweite Beutel.
”Scheint ein sehr dummer Karnickel zu sein”, bemerkte der Söldner und erntete einen finsteren Seitenblick.
”Bist nicht die hellste Kerze auf dem Kuchen, was? Die kommen über den Pfad, und das bedeutet, dass es vermutlich ziemlich viele sind.”
”Wollt Ihr auf Spähgang raus, Herr?”
Roban erwog die Möglichkeit kurz, dann schüttelte er den Kopf.
”Bringt nix. Wenn´s die Sindelsaumer sind, wissen wir in einer Stunde, wie viele es sind, und wenn sie es nicht sind, finde ich auch nichts!”
Er wandte sich dem Innenhof zu, wo kaum ein Dutzend Kämpfer im Schatten herum lungerten. Die aufgespannten Fischernetze verströmten einen Duft nach Fluss und Fisch, was die Stimmung auch nicht gerade hob.
”Alarm! Feind im Anmarsch! Los, schwingt Eure Ärsche auf Gefechtsposition!”
Das hatten sie geübt, jeden Tag. Roban hatte tatsächlich ein paar neue Schimpfworte gelernt, während er seine Mannschaft traktierte, aber jetzt lief es wie ein zwergisches Uhrwerk. Keine Minute war vergangen, da waren alle auf Position, die Mauer, so weit das möglich war, bemannt, zwei Mann lagen mit ihren Armbrusten flach auf dem Dach, Löschwasser und Verbandszeug lag bereit.
Roban atmete tief durch. Ob er diesen vermaledeiten Kasten länger als eine halbe Stunde halten konnte, wusste er nicht. Aber wenn der Sindelsaumer um Bochswies kämpfen wollte, würde er auch wirklich kämpfen müssen.
Langsam kamen die Sindelsaumer in Sicht und so manchem Söldner ging der Atem schneller, denn es war klar, dass die Kämpfer unter dem Dachsbanner ihnen zwei zu eins überlegen waren. Ruhig und wohlgeübt formierten sich die Sindelsaumer um, sobald sie aus dem Birkenwäldchen heraus waren und Bochswies in Sicht kam. Die Munteren Breitäxte formierten sich nun auf der Mitte des Pfades und rückten langsam in Dreireihe vor, dabei schlugen sie rhythmisch mit ihren Äxten auf ihre Schilde, zu beider Seite hatten nun die Sindelsaumer Reiter Aufstellung genommen, während die kleine Schar Söldner hinter den Breiäxten mit geladenen Armbrüsten marschierten. Gemächlich rumpelte ein großer Karren hinter der Schar her, das Vierergespann an Ochsen schien sich um die ganze Aufregung nicht zu scheren.
Weit außerhalb der Schussweite hielten die Kämpfer an und Halmar von Sindelsaum und der dickliche Baltram von Eichental lösten sich von der Gruppe. Baltram entrollte nun ein Tsabanner und die beiden Ritter hielten auf das Tor von Bochswies zu. Als Roban keine Anstalten machte ihnen das Tor zu öffnen hielten sie ihre Pferde kurz vor dem Tor an. Halmar rief “Roban Klumpfuss von Koschtal. Dies ist eure letzte Warnung. Lasst ab von eurem lästerlichen tun und zieht von unserem Gut ab. Wir gewähren euch freien Abzug, so ihr versprecht euch unserem Land auf Jahr und Tag nicht zu nähern.”
Roban ließ mit seiner Antwort nicht auf sich warten. “Halmar das Stinktier von Sindelsaum. Ihr seid hier im Unrecht, das habe ich euch doch schon einmal eingebläut. Kommt her zu uns, wenn ihr euch blutige Nasen holen wollt. Hier sind mehr als genug von uns, um mit euresgleichen fertig zu werden.”
Halmar lief vor Zorn Rot an:
“Macht doch keinen Unsinn Roban. Wir sind euch an Zahl weit überlegen und haben schweres Belagerungsgerät dabei, ihr habt keine Chance.”
“Dann versucht Euer Glück, wenn Ihr genug Arsch dafür in der Hose habt! Wir haben noch ein paar Überraschungen parat.”
Riefs, und seine Kämpfer johlten.