Liebe geht durch den Magen - Ankunft auf Burg Felsenried
Burg Felsenried, Stanniz, 1035
Die Burg Felsenried war ebenso sehr herausgeputzt worde wie auch die vielen Gäste und Freier die sich dieser Tage auf der Burg einfanden. Acht von ihnen warem vom Fürsten ausgewählt worden um offiziell um die Hand der Anglinde von Mackenstein anzuhalten. Es ging um viel, denn Anglinde war nicht nur sagenhaft schön, sondern zugleich auch noch Herrin über das Junkergut Mackenstein und die Burg Felsenried. Ein erfolgreicher Freier stand also gleich in zweierlei Hinsicht gut dar. So war es auch wenig verwunderlich das sich wesentlich mehr als acht Freier angekündigt hatten, doch der Fürst und seine beiden Berater Cantzler Nirwulf und Säckelmeister Erlan hatten eine Strenge Auswahl getroffen.
Nun endlich war es soweit und man sah so manchen der Bewerber die Aufregung an. Im großen Saal zu Felsenried saßen der Fürst, seine beiden Berater und die zukünftige Braut und lauschten während der Hofkoch Filbu Sohn des Filib die Bewerber vorstellte. Da die Bewerber sich in einem Backwettbewerb messen sollte war dem Hofkoch die Aufsicht zugefallen. Während der Vorbereitungsphase war ein jeder der Freier von einem der Garde-Greven begleitet worden, damit die drei Richter über den Backwettbewerb mehr über das alltägliche Verhalten der Männer erfahren würden. Zahlreiche Emotionen spiegelten sich in den Gesichtern der acht wieder, die unterschiedlicher kaum sein konnten. Was verband den ruhigen Heiler Etilian etwa mit dem adelsstolzen Ritter Trest, dem Weiberheld Edelfried, oder dem handfesten Roban?
Roban flatterte das Hemd. Hätte er in ein Turnier, eine Schlacht oder einen handfesten Krieg ziehen sollen, er wäre nicht mal halb so nervös gewesen. Vor der Toren der Zwietrutz hatte er sich eindeutig wohler gefühlt als hier, wo er einen Kuchen hinbekommen sollten. Einen Drachen mit einer Gänsedaune zu erschlagen erschien ihm einfacher als das.
Die paar Tage zur Vorbereitung hätten kaum gereicht, ihm die Grundbegriffe der Backkunst zu vermitteln, und geklappt hatte eigentlich nichts. Das lag bestimmt nicht an jenen Leuten, die sein Vater angeheuert hatte, um ihn zu lehren, eher an seinem eigenen Unwillen. Zugegeben, diese Anglinde war mehr als einen Blick wert, aber gleich heiraten...
Ziemlich missmutig begann er mit seinem Werk, und vermied jeglichen Blick auf die Kontrahenten. Dass er keine gute Figur machte, davon brauchte er sich nicht zu überzeugen, und der Boden an seinem Platz war bald schon befleckt mit all den Dingen, die Sumus Kraft seinen Fingern entrissen hatte. Wenn er viel Glück hatte, wurde die Sache ”nur” ein Debakel. Aber immerhin, er würde als freier Mann nach Hause zurück kehren. Als freier Mann, der eine gehörige Standpauke seines Vaters zu erwarten hatte, aber immerhin frei.
Er schlug ein Ei und versuchte, das Geglibber im Inneren zu Trennen. Ein weiterer Fleck verunzierte den Fußboden, und Eigelb tropfte von seinem Stiefel.
”Na großartig”, murmelte er vor sich hin. ”Vielleicht sollte ich nachher die Treter in die Backröhre schieben. Da sind dann garantiert alle Zutaten versammelt!”
Mit ernster Miene vermengte Etilian von Lindholz-Hohenried Mehl, Butter und saure Sahne in einer Schüssel. Solange er sich alleine auf das Backen konzentrierte, so seine Hoffnung, würde er auch nicht nervös werden. Und dennoch hatte er das Gefühl, von vielen Augen gemustert und bemessen zu werden. Unruhig irrte sein Blick durch den Rittersaal, während er den Teig in drei gleichmäßige Teile trennte, schätzte die Arbeiten seiner Mitstreiter ein und traf schließlich unweigerlich auf die schöne Anglinde. Ihre sanften Züge zeigten ein Lächeln, doch er war nicht vermessen genug, anzunehmen, dass es ihm galt.
Kochen und Backen hatte ihn schon die alte Yolde gelehrt als er noch ein kleiner, schmächtiger Wicht gewesen war; nun, ein noch kleinerer, schmächtigerer Wicht als heute, korrigierte er sich innerlich. Yoldes Kuchen waren in jedem Fall die besten gewesen, die er je hatte kosten dürfen und auch wenn sich seine Kochkünste nicht mit den ihren messen konnten, so wusste er doch, dass er zweifelslos als versierter Koch und Bäcker gelten dürfte. Dennoch fragte er sich, ob seine Fähigkeiten wirklich so sehr herausstechen würden, dass die edle Anglinde darüber so wohlgestaltete, tapfere und ehrbare Ritter würde vergessen können, wie sie sich hier im Raume versammelt hatten. Und selbst wenn: Würde er ihr je eröffnen können, wer, oder besser was, er wirklich war? Würde sie nicht spüren, dass ein Geheimnis sie trennte?
Etilian seufzte und griff zum Salz. Als die weißen Kristalle durch seine Hände glitten, zögerte er: Nur etwas mehr davon, und seine Speisen würden ungenießbar werden. Nein, das konnte er nicht tun. Wie sehr wünschte er sich, dass sich auf den Zügen der bezaubernde Junkerin das reine Vergnügen zeigen würde, wenn sie von seinen Speisen kostete. Er würde alles daran setzen, dass sie sich wenigstens dieses eine Mal durch sein Zutun ganz in Verzückung verlor. Der Medicus errötete als er sich bewusst wurde, was er sich da in seiner Schwärmerei eigentlich ausmalte.
Er ließ die richtige Menge Salz durch seine Finger schneien, wandte sich dem zweiten Teig zu und fügte ihm einen Hauch harzigen Tannenhonigs zu. Das letzte Drittel süßte Etilian deutlich stärker mit leichtem, elfenbeinfarbenem Kleehonig. Die Formen für die drei Tartes, die er zuzubereiten gedachte, waren vorbereitet und gefettet. Um sich zu beruhigen, ging er noch einmal – das zehnte Mal mochte es mindestens sein – die auf dem Tisch gesammelten Zutaten durch. Es fehlte nichts. Nur sein Selbstbewusstsein. Wie üblich.
Das Ehepaar Dornenstrauch war ganz auf Boronars Arbeit konzentriert. Garescha wirbelte nur um den Tisch herum und gab Anweisungen, während Hagebar ein Auge auf die Zutaten und Utensilien hatte. Jedem Beobachter musste klar sein, dass sie am liebsten selbst am Wettbewerb teilgenommen hätten und nicht Boronar vom Kargen Land, der fast mechanisch die Arbeitsschritte übernahm und sich vollständig dem Kommando der Hügelzwerge beugte.
Die Angroschim waren ihre eigene gemütliche Behausung bei Skretin gewohnt. Außerhalb ihrer eigenen Umgebung fühlten sie sich stets etwas unwohl und fehl am Platze, doch hatte Boronars dritter Begleiter, der alte Olbyn Grambart, diesen absehbaren Nachteil ein wenig abmildern können. Einen Tag vor dem Beginn des Wettbewerbs hatte er darum gebeten, zusammen mit den anderen den Raum und die Tische begutachten zu dürfen. Auf diese Weise hatten sich die Dornenstrauchs schon innerlich darauf einstellen können, was sie erwarten würde. Tatsächlich waren sie ein ganzes Stück weniger nervös als auf ihrer Reise oder bei ihrer Ankunft. Olbyn achtete darauf, dass sich seine drei Gefährten wohl fühlten. Ohne das würde es kein hügelzwergisches Werk werden!
Boronar war froh, mit irgendetwas beschäftigt zu sein. Während der letzten Nacht war er erst spät eingeschlafen, weil er so lange über den Auswahlmodus und die anderen Mitbewerber gegrübelt hatte. Einige altehrwürdige Koscher Häuser waren vertreten. Der Baron von Lûr brachte den höchsten Titel mit und war daher zweifellos die beste Partie. Aber das sollte ja angeblich keine Rolle spielen... sonst wären der Heiler und der einfache Außerkoscher nicht zugelassen worden. Immerhin handelte es sich bereits um eine Auswahl aus einer langen Liste von Bewerbern.
Wenigstens hatten die endlosen Diskussionen ein Ende, mit denen die vier einen großen Teil der Reisezeit verbracht hatten. Die Geduld und Stärke eines Ritters waren bereits dadurch geprüft worden, dass Boronar schweres Gepäck hatte tragen müssen, da die Dornenstrauchs nicht ohne ihre eigenes Küchengeschirr hatten reisen wollen. Außerdem war man sich bei der Abreise noch nicht über das zu vollendende Werk einig gewesen, so dass sie zur Vorsicht lieber zuviel Zutaten als zuwenig eingepackt hatten.
Was wohl der Greve den Ausrichtern des Wettbewerbs berichtet hatte? Er hatte Boronar und seine Helfer freundlich und mit wachen Augen beobachtet, sich bei allen Diskussionen ums Backen höflich zurückgehalten und sich ansonsten als recht angenehmer Gesprächspartner erwiesen, der sich sowohl für die Geschichte der drei Zwerge als auch des vom Kargen Land interessierte und seinerseits gerne erzählte, was er über Stanniz und das Haus Mackenstein berichten konnte.