Graf Orsinos langer Schatten - Auf dem Weg nach Angbar
◅ | Im sicheren Schoße der Familie |
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Eberhelms Triumph | ▻ |
Auf der Reichsstraße III, Anfang Hesinde 1041
Die Reise zum Grafenhof nach Grauensee würde die Entensteger entlang der Reichsstraße und dann durch gräfliches Territorium führen. Einen sichereren Weg konnte es kaum geben! Vor dem Aufbruch hatte Furgund noch trotzig verkündet, Eberhelm von Treublatt könne gerne eine Fehde mit ihrem Haus haben, wenn er denn wolle.
Doch die zuversichtliche Stimmung wurde bald durch einen einsetzenden Schneeregen abgekühlt. Kalt und klamm saßen die Reiter auf ihren Pferden. Manch einer dachte daran, dass sie in der warmen Stube am Kaminfeuer sitzen könnten, wenn dieser Treublatt sie nicht zur Eile gezwungen hätte. Wegen Anghild konnten sie nicht in vollem Tempo voran, und die Festgefahrenheit der Situation trug ihren Teil dazu bei, dass die Bewaffneten bald angespannt und gereizt waren.
Die Entensteger Reisegesellschaft hatte bereits die halbe Strecke auf dem Weg nach Heimthal zurückgelegt. Gerade überholten die ersten Reiter ein langsam rollendes Fuhrwerk, welches anscheinend Koschbasalt geladen hatte, als eine Reitergruppe voraus ihnen den Weg verstellte. Es waren Eberhelm von Treublatt und seine Spießgesellen!
„Halt!“, rief Eberhelm mit sichtbar erhobener rechter Hand. Das war zuviel für Furgund, die nicht abwartete, bis er weiter redete, sondern ihm scharf entgegnete: „Aus dem Weg, Treublatt! Nicht genug damit, dass Ihr eurer eigenen Frau und eurem Sohn auflauert, nein, nun wollt Ihr euch auch noch auf der Reichsstraße an uns vergreifen? Wenn Ihr es wagen solltet, hier die Waffen zu erheben, werdet Ihr nicht nur den geballten Zorn des Hauses Entensteg auf euch ziehen, sondern auch die Reichsacht, denn die Straße steht unter dem Schutz der Kaiserin!“
Eberhelm ließ die Worte an sich abprallen. „Wir haben keineswegs vor, die Waffen zu erheben. Ich möchte nur Anghild und Bolzer, damit ich meine Gemahlin vor das Hofgericht beim Grafen führen und wegen Untreue anklagen lassen kann. Also gebt die beiden heraus, dann können wir das glimpflich regeln und keiner kommt zu Schaden.“
„Keiner kommt zu Schaden?“, fuhr es aus Birgon heraus. „Und was ist mit dem Armbrustbolzen, den Eure Leute auf Anghild abgeschossen haben? Ihr könnt Phex danken, dass die beiden noch leben, bei dem Zustand, in dem sie waren, als sie auf der Burg ankamen!“
„Es war stets meine Absicht, sie gefangenzunehmen und vors Hofgericht zu bringen. Phex braucht hier keiner zu bemühen, denn er war schon meiner Gattin nicht hold, als sie unglücklicherweise getroffen wurde.“
Furgund machte eine abfällige Handbewegung. „Pah! So wollt Ihr Euch also herausreden? Auf keinen Fall werde ich Euch meine Verwandten übergeben, denn wir haben ja gesehen, was mit ihnen beim letzten Mal passiert ist, als sie in Eurer Obhut waren. Ganz im Gegenteil, wir ziehen hier selbst vors gräfliche Gericht, um Euch für Eure Missetaten anzuklagen. Wenn Ihr Euch so sicher seid, dass Eure Anschuldigungen Bestand haben, könnt Ihr sie ja so oder so in Ruhe zu Protokoll geben.“
Anghild fuhr leicht zusammen. Es war nicht festzustellen, ob es dass nasskalte Wetter war, die Angst vor ihrem Mann – oder die Erinnerung an ihre Schuld… „Mutter!“, flüsterte Bolzer ihr voller Sorge zu.
„Das glaubt Ihr doch selbst nicht!“, erwiderte Eberhelm derweil. „Ich lasse ganz bestimmt nicht wie ein naiver Tölpel zu, dass Ihr Anghild wer-weiß-wohin bringt, nachdem Ihr sie so lange auf Burg Entensteg dem Zugriff des Gesetzes entzogen habt! Doch Praios und Rondra lassen sich nicht austricksen!“, rief er mit erhobener Stimme. „Praios und Rondra?“, rief Bolzer ungläubig zurück. „Das sagst Du, der Du heimliche Häscher ausgesandt hattest, die uns aufspüren sollten? Alles, was recht ist, Vater, aber...“
„HALT‘S MAUL, DU BASTARD!“, brüllte Eberhelm nun mit hochrotem Kopf. „UND WAGE ES NICHT, MICH NOCH EINMAL VATER ZU NENNEN!“ Er atmete schwer und versuchte, seine Fassung zurückzuerlangen. Bolzer tastete unbewusst nach dem Schwert an seiner Seite, was Eberhelms Söldnern nicht verborgen blieb und sie ihrerseits mechanisch geübt die Hände die Knäufe ihrer Schwerter und Äxte legen ließ.
Birgon bemerkte dies nicht, hatte er doch seinen Blick ganz auf Eberhelm gerichtet. Er war völlig außer sich angesichts dessen Verhaltens, Travias gute Sitten mit Füßen zu treten – zuerst zu Hause, dann auf der Reichtsstraße! Er ritt langsam auf Eberhelm zu.
Furgund ahnte derweil die Gefahr der Lage, doch sie war zu stolz, um jetzt klein beizugeben. Stattdessen versuchte sie es ein letztes Mal mit Autorität. „Ihr geht uns jetzt aus dem Weg!“
Dies wertete Birgon als Bestätigung seiner Gattin für seinen traviaheiligen Zorn. Den Weg würden sie sich zur Not schon freiprügeln! Er hatte seine Reitgerte schon griffbereit.
„Ich lasse mich nicht von Euch herumkommandieren!“, setzte Eberhelm entgegen, doch dann trafen ihn ein Hieb Birgons und brachte ihn aus der Fassung. „Ich werde Euch schon Benehmen beibringen!“, schrie dieser. Eberhelm wehrte einige weitere Gertenhiebe mit seinen gerüsteten Armen ab, zögerte jedoch, sein Schwert zu ziehen.
Unter den Söldnern brach derweil Geschrei aus. Sie wussten, dass sie kein Geld mehr sehen würden, wenn ihrem Auftraggeber etwas zustoßen oder er gedemütigt würde. In geübten Bewegungen umkreisten sie Birgon und trennten ihn von den anderen. Dann rissen ihn zwei vom Pferd, währen der Rest abwartend, aber mit gezogenen Waffen die andere Partei anstarrte.
Das rief ihrerseits die Entensteger Waffenknechte auf den Plan, die ebenfalls die Waffen zogen und dem Gemahl ihrer Herrin zu Hilfe eilten. Als Furgund sah, wie Birgon zu Boden ging, hielt sie nichts mehr zurück. Sie versuchte, sich mit dem Pferd einen Weg zu ihm durch die nun ausbrechenden Zweikämpfe zu bahnen. Einzig Bolzer blieb schützend bei seiner Mutter.
Schwerter und Äxte klirrten aufeinander, Armbrustsehnen sirrten. Das Wiehern der Pferde und das Aufeinandertreffen der Nahkampfwaffen mischte sich schnell mit den Schreien der Verwundeten und Sterbenden.
Nach einem kurzen Gefecht mussten sich die Entensteger ergeben, waren ihnen Eberhelms Leute doch sowohl zahlenmäßig als auch an Kampfkraft überlegen. Zwei Entensteger Knechte waren schwer verwundet – und Birgon von Garnelhaun lag in seinem Blute. Auf Eberhelms Seite war nur eine einzelne Waffenmagd verwundet worden...