Gebt das Duell frei!

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Ausgabe Nummer 31 - 1024 BF

Gebt das Duell frei!

Eine Streitschrift zur Revision des Landfriedens

Von Seiner Hochgeboren Ramiro Escario von Culming-Alcorta, Baron zu Schelak, Producador der Almadaner Landstände etc. pp.

Seit dem der Landfrieden von 21 Hal ist der Adel im Heiligen Neuen Reiche zum Greifenthron zu Gareth beschnitten. Beschnitten in seiner Freiheit, beschnitten in seinen praiosgewollten Vorrechten, beschnitten auch in seiner Ehre. Seit zehn Götterläufen werden wir verlacht von jedem anderen Reiche in Aventurien, und können uns nicht einmal dagegen zur Wehr setzen, wie es unsere Väter und Vorväter taten.

Gemeint ist das Duell, der Gebrauch der Waffe zur Verteidigung der Ehre, der persönlichen Integrität. Wird man als Adliger beleidigt, so muss man nun zu einem Gericht laufen und sich wie ein Marktweib zeternd vor den Richter stellen, gerade als wäre man ein Fellache! Dies ist eines Magnaten nicht würdig. Darum seien hier gute Argumente genannt, das vom Landfrieden geächtete Duell als notwendig und praiosgefällig wieder einzuführen.

Zuvorderst jedoch sollen einige Worte verloren werden über das Wesen des Duells, von dem einige Gecken wenig Ahnung zu haben scheinen. Wie sonst konnte es passieren, daß „Fehde“ und „Duell“ unterschiedslos in einen Topf geworfen wurden?

Sieg oder Niederlage sind in einem Duell erst einmal völlig zweitrangig. Man streitet nicht um ein handfestes Ergebnis, sondern man stellt seine Ehre unter Beweis. Es geht nicht darum, wer am schnellsten sein Schwert zieht oder den härtesten Schlag hat; wichtig ist allein, daß beide Gegner sich einem vielleicht tödlichen Kampf stellen und auf diese Weise zu erkennen geben, daß sie ihre Ehre höher schätzen als ihr Leben.

Ehre, ein Schlüsselbegriff ständisch-praiosgewollter Ordnung, ist nicht an Reichtum und Erwerb gebunden. Er fußt auf immateriellen Werten, auf einem ritterlichen Ideal. Treue und Tapferkeit spielen dabei eine große Rolle, die völlige Hingabe des Dienstes an seinen Lehensherren, Ehrlichkeit, Hilfsbereitschaft, Frömmigkeit, so wie es in den „12 Ehernen Geboten der Ehrenhaftigkeit“ genannt wird. Diesem Geist liegen die Ritterturniere zugrunde: zusätzlich zur einfachen Waffenübung geht es um den Gewinn von Ehre, Ansehen und Ruhm. Es ist natürlich, daß nur Angehörige des gleichen Standes, die die gleichen Ehrbegriffe teilen, miteinander um Ehre ringen können. Einen Bauern, der sich mit einem Adligen duellieren will, lasse man wegprügeln wie einen tollen Hund!

Im besagten Ehrbegriff kommt ein besonderer Charakter des Adels zur Geltung, der sein Land verteidigt, sei es mit blankem Stahl oder arkaner Macht. Gradlinigkeit, Entschlußkraft und Mut zeichnen ihn aus, der sich im Augenblick der höchsten Gefahr gar bis zur Lebensverachtung steigern kann. Ein Anführer, der im Gefecht diese Eigenschaften vermissen lässt, hat seine Bestimmung verfehlt, denn er gibt seinen Untergebenen ein schlechtes Beispiel und schwächt die Kampfkraft seiner Truppe. Wie fatal muß dies sein, gerade in den heutigen dunklen Zeiten?

Ehre und Mut sind das unverletzliche Eigentum des Kriegers, das im Duell verteidigt und bestätigt werden muß. Die Welt muß wissen, daß Ehre ihm alles und Gefahr nichts gilt. Wie wichtig dies ist, wird der verstehen, der bereits bei einer Campanya in erster Reihe stand. Man muß sich auf seinen Kameraden verlassen können, mit dem man Schulter an Schulter reitet wider den Gegner. Wenn dieser sich aber schon im Frieden als feiger Zauderer gezeigt hat, der eine Beleidigung auf sich beruhen ließ, anstatt seine Ehre zu verteidigen ... wie soll der gleiche Mann dann wohl erst im echten Kampf reagieren? Könnte man ihm bedenkenlos den Rücken zuwenden in der Gewissheit, daß der Feigling diesen schütze? Wohl kaum.

Als zweite Überlegung muß gesagt werden, daß eine Person ohne Ehre nur eingeschränkt rechtsfähig ist. Wie will ein Ehrloser sein Ehrenwort geben, frage ich? Wie soll er zum Beispiel einen Vasalleneid leisten, wenn er nicht mit der Integrität seiner Person dahintersteht? Welches Geschäft „auf Ehre“ will er noch tätigen? Keines, denn die Ehre ging ihm verloren!

Nach diesen Überlegungen lasse ich denn nun die Argumente folgen, die für das Duell sprechen.

Primo: Das Duell ist notwendig, um Rechenschaft abzulegen über die persönliche Ehre.

Der Mensch ist fundamental abhängig von der Anerkennung und Achtung seiner Mitmenschen. Ohne diese Achtung ist die Existenz ausgelöscht, allein als Einsiedler kann man sein Leben weiterfristen. Achtung und Ehre richten sich aber nicht nur nach den inneren Werten (die für die Außenwelt allzu oft auch gar nicht recht erkennbar sind oder falsch gedeutet werden, wie die borbaradianischen Verräter im Adel zeigten), man muß Entschlossenheit und Tatkraft zeigen, man muß beheizt und konsequent auftreten und keinen Zweifel daran lassen, daß man seine Meinung und seine Position in der Welt aktiv zu vertreten gewillt ist. Dies ist nur logisch: welche Familia, welche Knechte, welche Vasallen wollen sich dem Schutz dessen anvertrauen, der selbst dem Angriff jedes mutwillen Schurken ausgesetzt ist, ohne sich zu wehren? Wer will also jemandem vertrauen, der eine Beleidigung seiner Ehre ungesühnt hinnimmt?

Nun könnte man sagen: es gibt Gerichte, die die Ehre eines Beleidigten wieder herstellen können. Ich sage: Durch die Anhäufung belastenden Materials macht man die Beleidigung aktenkundig, wiederholt sie gar und steigert sie noch! Da zudem keine empfindlichen Strafen ausgesprochen werden können, ist ein solcher Vorschlag als nicht praktikabel abzutun.

Secundo: Das Duell ist ein Mittel zur Zivilisierung des Menschen.

Duelle haben einen ungemein positiven Einfluß auf die Verfeinerung des Umgangstones und die Zivilisierung der gehobenen Stände. Die Erwartung, für unehrenhaftes Verhalten sofort persönlich zur Rechenschaft gezogen zu werden und es möglicherweise mit dem Leben zu büßen, macht aus frechen und unerträglichen Narren manierliche Leut’. Es steigt die Behutsamkeit, nichts Anstößiges zu sagen, man benimmt sich gefälliger in den Gesellschaften seines Standes. Wenn man weiß, daß jede Beleidigung ein Duell und damit das Risiko des eigenen Todes nach sie ziehen kann, befleißigt man sich jener vornehmen Zurückhaltung und Rücksichtnahme, die den Edelmann vom Bauerntrampel unterscheidet, was wiederum wechselseitigen Respekt unter den Adligen erzeugt.

Gibt es das Duell nicht, werden Konflikte in weit brutalerer und ungeregelterer Form ausgetragen. Das Beispiel der Blutnacht zu Rommilys ist einem jedem geläufig. Die Frage stellt sich, wieso ausgerechnet nun so ein Blutbad stattfinden konnte. Die Antwort ist schnell gefunden: wo der Druck sich nicht durch den ehrenvollen Zweikampf abbauen kann, steigert er sich ins Unermeßliche, bis er sich in einem Fanal der Gewalt entlädt. Die Präventivfunktion des Duells wurde durch den Landfrieden beseitigt, das Ergebnis hat Hunderten von Menschen das Leben gekostet. Was uns zum nächsten Punkt bringt:

Tertio: Das Duell ist kein Instrument der Rache, sondern der Versöhnung.

Oft wird von Unwissenden gesagt, daß Duelle allein der Rache genüge verschaffen würden. Das ist natürlich ganz und gar närrisch. Ginge es um Rache, wer würde sich selbst in die Gefahr begeben, im Zweikampf zu sterben? Ein schneller, nicht angekündigter, den anderen überrumpelnder Assaut wäre um vieles leichter und sicherer.

Indem man jedoch den Kampf mit gleichen Waffen, Chancen und Risiken wählt, zeigt man deutlich, daß man sein Gegenüber als ebenbürtigen Gegner akzeptiert, als Feind zwar, der aber als Gleicher auch ein potentieller Freund ist.

Die Verwandlung vom Feind zum Freund vollzieht sich dann durch das Medium des Kampfes, der eine existenzielle Situation heraufbeschwört.

Die Nähe des Todes unterzieht beide Kämpfer einer Art „ritueller Reinigung“, in der alle negativen Gefühle wie Haß und Feindschaft abgestreift werden. Im Augenblick höchster Gefahr sieht man sein Gegenüber als alter ego, das sich dieser Gefahr in der gleichen Einsamkeit aussetzt wie man selbst. Mehr als ein Duell endete damit, daß die Kontrahenten sich nach dem Gefecht in die Arme nahmen und ewige Freundschaft gelobten. Wer hat gleiches nach einem Gerichtsurteil jemals gesehen?

Quarto: Das Duell stellt die soziale Gleichrangigkeit des Adels wieder her.

Beim Duell wird eine Sphäre der Begegnung geschaffen, in der Standesunterschiede bis zu einem gewissen Grad ihre Geltung einbüßen. Der Ehrenzweikampf überbrückt soziale Distanzen innerhalb des Adels. Der ärmste adlige Offizier kann sich mit dem reichsten adligen Gutsbesitzer im Duell auf eine Stufe stellen, der jüngste Leutnant kann den erfahrensten Hauptmann zum Kampf fordern. Der Adel wahrt folglich mittels seines Ehrprinzips eine innere Geschlossenheit, die im Besitz- und Lehensverhältnis verloren geht, aber durch gemeinsame kulturelle Orientierungen und Verhaltensweisen wieder auflebt. Über alle signifikanten Unterschiede hinweg ist es möglich, die gemeinsame Standeszugehörigkeit zu bekräftigen.

Damit rede ich nicht der Möglichkeit das Wort, als einfacher Junker einen Provinzherrn herauszufordern, dies sei mir fern. Aber bei ungefährer Gleichrangigkeit sind die weiteren Unterschiede wie Besitz nicht mehr bedeutend.

Quinto: Das Duell bewahrt die Freiheit des Adels.

Immer mehr wird der Adel in seinen Vorrechten beschnitten. Leibstrafen dürfen nicht mehr von Baronen ausgeführt werden, sondern solcherart Verurteilte müssen dem Grafen übergeben werden. Der Adel in seiner Funktion als Anführer der Milizen und persönlichen Truppen wird zu Gunsten der Garderegimenter mehr und mehr übergangen.

Die Person des Adels muß also beschützt werden vor einer politischen Entwicklung, die immer mehr hingeht zu einer „Liebfeldisierung“ des Neuen Reiches. Das Duell manifestiert den Anspruch des einzelnen Adeligen, ohne alle Beziehungen zum Staat für sich selbst etwas zu gelten. Es ist ein Widerschein der Freiheit. Diese Herrschaft einer selbständigen persönlichen Ehre und Ehrengesetzgebung, einer mutvollen Gesinnung und Tüchtigkeit zu ihrer Verteidigung ist eine der herrlichsten Seiten des Adels. Sie ist der Schutzwall gegen jene monarchistische Despotie, wie man sie im Horasiat „bewundern“ kann. Mit diesen Worten ist, wie ich denke, eindeutig bewiesen, daß das Duell im Neuen Reich schnellstmöglich wieder eingeführt werden muß. Andernfalls drohen Nachteile gewaltigster Art, in denen Situationen wie die Blutnacht zu Rommilys zur Alltäglichkeit werden. Auf dem nächsten Reichskongreß oder Hoftag sollte deshalb vom versammelten Adel darüber abgestimmt werden, den Landfrieden dahingehend zu modifizieren, daß Duelle nicht weiterhin verboten bleiben.

Schon haben Frau Emers Herolde mit dem Greifenrock fürs Frühjahr die kaiserlichen Vasallen aus den Provinzen zum Reichsgroß in die Alte Residenz nach Gareth gerufen. Wohl hörte man es durch das Jahr munkeln, die Almadaner Landstände wollten eine entsprechende Eingabe machen, wie sie Baron Ramiro von Culming-Alcorta als Verfasser dieser Streitschrift fordert. Ob dies aber tatsächlich geschehen ist und auf dem Reichscongresse zur Abstimmung stehen wird, weiß niemand, geschweige denn, welcher Art die Stellung der Reichsbehüterin dazu ist. Von Se. Exzellenz Hartuwal vom Großen Fluß, dem Reichs-Erz-Kanzler, indes ist bekannt, daß er den Reichslandfrieden so hoch hält wie jeden anderen Rechtsakt.

— Die Schriftleitung

(derselbe Text im GGP-Wiki)