Das Erbe des Verräters

Aus KoschWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen


Kosch-Kurier36-.gif

Ausgabe Nummer 43 - Ingerimm 1029 BF

Das Erbe des Verräters

Intrigen und Ränke auf dem Elenviner Landtag

ELENVINA. Unglaubliche, hochverräterische Umtriebe erschütterten den Landtag des Herzogtums Nordmarken, der im vergangenen Phexmond zu Elenvina abgehalten wurde — und um ein Haar wäre daraus ein Streit zwischen den einzelnen Provinzen des Raulschen Reiches erwachsen.

Die Adelsversammlung in der Herzogenhalle auf Schloss Eilenwîd über den Wasser stand schon von Anfang an — so möchte man meinen — unter keinem guten Stern, musste der Rat doch ohne den Haus- und Landesherrn tagen, da Seine Hoheit Jast Gorsam vom Großen Fluss von einer (götterlob nicht ernsten) Krankheit ans Bett gefesselt wurde. Und so oblag es dem Kreise seiner engsten Berater, namentlich dem Reichs-Erzkanzler Hartuwal vom Großen Fluss, der Landhauptfrau Iseweine von Weiseprein sowie dem Illuminatus Jorgast von Bollharsch-Schleiffenröchte, nicht nur den Landtag zu leiten, sondern auch über jene schurkische Intrige zu richten, deren Fäden — den Göttern sei’s geklagt! — von einer gebürtigen Koscherin gezogen wurden!

Alles begann damit, dass gegen Ende der ersten Ratsversammlung die Nachricht eintraf, einige aus der Schar der Knappen seien verschwunden, und zwar sowohl aus dem Gefolge nordmärkischer wie auch koscher Barone. Die Spuren in den Quartieren wiesen eindeutig auf einen Kampf, auf eine Entführung hin — und so beschloss man einmütig, die Ratsversammlung zu vertagen und sich auf die Suche nach den Entführten zu begeben.

Tatsächlich gelang es auch in kurzer Zeit, die Knappen zu befreien, einige der verantwortlichen Häscher unschädlich zu machen und verschiedene Hinweise auf den Urheber der Verschwörung zu sammeln. Und dies war Anglinde von Treublatt, die Tochter des Vogts von Fürstenhort und Knappin des Barons von Metenar!

Um dem geneigten Leser die Zusammenhänge zu verdeutlichen, müssen wir ein wenig ausholen und zurückgehen in den Traviamond des Jahres 1028 BF. Damals war es dem Edlen Lechdan von Gareth, einem Sohn des seligen Kaisers Bardo, gelungen, sich in den Besitz der Raulskrone zu bringen. Mit blankem Silber und klangvollen Versprechungen scharte er einige Anhänger und Söldlinge um sich und marschierte gegen Elenvina. Ein eilig ausgehobenes Aufgebot unter der Führung des Herzogs persönlich zog den Aufwieglern entgegen. Im Wedengraben kam es zur Schlacht, in welcher die herzöglichen Truppen einen überragenden Sieg errangen; der Verräter Lechdan fand wie die meisten seiner Anhänger den Tod.

Nur Lechdans Knappin — und das war die besagte Anglinde von Treublatt — hatte nicht an der Schlacht teilgenommen. Im Glauben, sie habe sich rechtzeitig von ihrem schurkischen Lehrherrn losgesagt, ließ man Milde walten und sandte sie zurück zu ihrem Vater nach Fürstenhort. Damals wusste niemand, dass Anglinde nicht nur die Knappin, sondern auch die Geliebte des Verräters Lechdan gewesen war; und der Verräter selbst hatte sie fortgeschickt, doch nicht im Streit, sondern aus Sorge, da Anglinde zu der Zeit ein Kind im Leibe trug! Dieses brachte sie heimlich auf der Burg ihrer Familie zur Welt, was bislang niemand außer ihrem engsten Verwandtenkreise wusste. Ihr Vater jedoch vertraute Anglinde dem allseits geachteten Herrn Graphiel von Metenar an, damit das Kind bei ihm (einem gestrengen Mitglied vom Orden des Bannstrahls) nach den hochverräterischen Lehren Lechdans nun wieder die praiosgefällige Ordnung lerne.

Doch in Anglinde brannte der Wunsch nach Rache und Vergeltung für den Tod ihres Geliebten, der ihr offenbar eine goldene Zukunft als Kaiserin und Mutter eines Kaisers versprochen hatte. Während ihr Lehrherr in Elenvina mit Angelegenheitendes Reichsgerichtes und anderer Dinge beschäftigt war, spann sie ihre Intrige: Wie oben schon erwähnt, ließ sie am Hoftag die Knappen verschiedener Edelleute entführen und lenkte dabei geschickt den Verdacht auf die Gesandtschaft aus Almada — im Grunde ein Plan von nur geringer staatskundlicher Weitsicht, doch wer weiß, vielleicht wäre dies der Funke gewesen, der die angespannte Lage zwischen Gareth, Punin und Elenvina in einen Brand verwandelt hätte. Doch — götterlob! — die Wahrheitkam ans Licht, und Prinz Hartuwal vom Großen Fluss ließ die Verräterin von seinen Wachen festnehmen. Während man sie aber noch nach den Hintergründen ihrer Tat befragte, ereiferte sich die Verräterin, schleuderte Beleidigungen und Schimpfworte gegen die Adligen, das Haus vom Großen Fluss, die Kaiserin und — ja, man glaubt es kaum! — den Herrn Praios selber, so dass ihrem Lehrherrn, dem gestrengen Baron Graphiel, der heilige Zorn in die Hand fuhr, worauf er Anglinde, die eigene Knappin, mit dem blanken Schwert erschlug. Nur wenige Herzschläge später aber wurde ihm bewusst, welch ungeheuren Frevel er nun selbst verübt hatte, indem er die herzögliche Halle mit Blut befleckte. Streng waren darum auch die Worte des Illuminatus Jorgast von Bollharsch-Schleiffenröchte, doch die Buße, welche er schließlich verhängte, erschien vielen der Anwesenden noch recht milde zu sein; und manch einer wagte gar im Stillen, über die Art zu murren, wie dieser Totschlag geahndet worden war...

Mag die Intrige auch vereitelt worden sein, die Verräterin Anglinde zu Recht den Tod gefunden haben, so schwelt doch immer noch ein gefährlicher Funke, welcher irgendwann einmal zu einem neuen Brand entfacht werden könnte — und zwar inmitten unserer heimatlichen Koschberge. Denn Cella, die Tochter jener Anglinde und Lechdans, ist unbestreitbar eine Enkelin des Kaisers Bardo, und wenn auch nur ein Bastard und ohne wahren Anspruch auf den Thron, so weiß doch niemand, ob dieses Mädchen in ein paar Jahren nicht anderen Ränkeschmieden ein willkommenes Instrument sein wird.

Noch immer befindet sich das Kind auf dem Sitz seines Großvaters, Vogt Roban von Treublatt in Fürstenhort; doch nicht wenige in höchsten Kreisen sind der Meinung, dass die kleine Cella in anderen Händen besser aufgehoben wäre — vielleicht gar in einem Kloster des Herrn Praios. Seine Durchlaucht, Fürst Blasius vom Eberstamm, hat sich indessen noch nicht durchgerungen, eine entsprechende Weisung an den Vogt zu senden, würde dies doch heißen, einem Manne, der soeben seine Tochter verloren hat, nun auch das Enkelkind zu rauben — und unser Fürst weiß selbst sehr gut, wie schmerzlich ein solcher Verlust ist, wenn auch der Tod der Koscher Prinzen Idamil und Holduin Hal beileibe nicht mit diesem schändlichen Falle zu vergleichen ist.

Karolus Linneger, nach Berichten von Augenzeugen