Auferstanden - Regentag
Ingerimm 1042, Angbarer Zitadelle
Begleitet von einem ohrenbetäubenden Donnerschlag flog die Tür zur Werkstatt auf und Hauptmann Gurolosch stapfte, triefend nass und mit grimmigem Gesichtsausdruck herein. „Burgom!“ - rief er und blickte suchend um sich: „Warum ist deine Gruppe nicht im Feld bei der Übung!?“
Zwischen fein säuberlich gestapelten Geschosskugeln, Eisenscharnieren und Holzbalken unterschiedlicher Größe, stand Burgom im Kreis seiner Geschützmannschaft vor einer Schiefertafel. Kreidestaub vom Wams klopfend, schritt er Gurolosch entgegen und antwortete mit einem skeptischen Blick durch die offen stehende Tür auf den regenverhangenen Gewitterhimmel: „Ich habe mir schon länger vorgenommen mit meinen Jungs und Mädels ein paar Trockenübungen zu machen.“
Gurolosch blinzelte ungläubig: „Bitte was? – Heute ist Gefechtsübung – Ka roboschan hortiman Angroschim!“
„Ka baskan draxin - Wir üben doch!“ protestierte Burgom. „Und noch mehr. Das wird dir gefallen! – Während meine Leute voller Fleiß Triangulieren lernen, habe ich mir aus dem Archiv die alten Regiments-Rechnungsbücher ausheben lassen.“
Diesmal war es Gurolosch, der Burgom einen skeptischen Blick zuwarf: „Alte Rechenbücher – Was soll mir daran gefallen? Wozu soll das gut sein?“
Burgom zuckte mit den Schultern: „Da Aufgrund der Neuaushebung Erfahrungswerte fehlen, lassen sich die Bedürfnisse eines technischen Regiments am besten durch das Studium von alten Rechnungs- und Inventarbüchern ersehen. Was nützt uns der beste militärische Drill, wenn wir die nötige Güterversorgung im Feld nicht beherrschen?“
Gurolosch knurrte: „Schön und gut, dass du dich auch mit diesem Kram beschäftigst. Aber ich habe dir schon unzählige Male gesagt, dass solche Sachen nicht deine Aufgabe als Geschützmeister sind! – Ich werde mit dem Oberst über dich reden müssen.“
Burgom schüttelte den Kopf: „Völlig unmöglich.“
Gurolosch stemmte die Arme in die Seiten: „Domad Rogelo! Was soll das bedeuten?!“
Burgom: „Jedes Mal, wenn du mir das gesagt hast war nur ein weiteres Mal und damit zählbar. Es ist also völlig unmöglich, dass du mir es unzählige Male gesagt hast.“
Gurolosch knurrte: „Wie auch immer. Der Oberst wird dir schon zeigen, wo der Hammer hängt.“
Burgom: „Interessiert dich nicht, was ich in den Rechenbüchern gefunden habe?“ Gurolosch blickte ihn müde an: „Ist es wichtig?“
Brugom: „Es ist sehr interessant! – Ich denke, die alte Zahlmeisterin hat in ihre eigene Tasche gewirtschaftet.“
Gurolosch winkte ab: „Bei den Angbarer Sappeuren? Niemals!“ Dann strich er sich nachdenklich durch den Bart: „Lass mal sehen, was du da gefunden hast.“
Mit einer Flinkheit, die er dem pummeligen Burgom niemals zugetraut hätte, eilte dieser zu einem Tisch, packte unter jeden Arm zwei dicke Folianten und stand im Nu, die Bücher in den Händen balancierend und in einem davon wild herumblätternd, wieder vor ihm: „Schau doch nur! Es fällt zuerst nicht auf.“ Burgom deutete wortlos auf unterschiedliche Zahlenkolonnen.
Gurolosch: „Was soll damit sein? Die Einträge und Summen sind doch ident. Schaut korrekt aus.“
Burgom blätterte und fuhr mit dem Finger über die Zeilen und blätterte weiter: „Wenn man genau schaut, merkt man, dass sich die Zahlmeisterin bei Währungskonvertierungen – zum Beispiel beim Wechsel von Auromox auf Dukaten – jedes Mal zu Ungunsten des Regiments verrechnet hat. Schau, hier: Hier wurden 900 Stein Zwergenkohle für 360 Dukaten gekauft. Und hier, bei der Jahresabrechnung“ – Burgom blätterte weiter: “ tauchen die 900 Stein wieder auf, allerdings für 360 Auromox. Und das ist nur ein Beispiel.“
Gurolosch zwirbelte sich den Schnurrbart: „Interessant. Was braucht der Fürst Feinde, wenn solche Leute für ihn arbeiten?“ Dann räusperte er sich: „Bring die Bücher zum Oberst und dann ab ins Feld!“