Ärger um den „falschen Fürsten“
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Ärger um den „falschen Fürsten“
Von einem handfesten Streut an „Durchlauchts Geburtstag“
TARNELFURT, Peraine 1043 BF. Wohin Unverstand und Jähzorn führen können, zeig-te sich jüngst auf dem sonst eher friedlichen Markt von Tarnelfurt im Rahmen der Feiern zu „Durchlauchts Geburtstag“.
Am 11. Tag des Saatmondes wird in allen Städten, Dörfern und Weilern unseres Landes – mal mehr, mal weniger üppig – der Geburtstag unseres Fürsten gefeiert. Gemeint sind selbstredend Seine Durchlaucht Anshold vom Eberstamm, der immerhin seit zwei Jahren die Krone trägt.
Seit zwei Jahren? Und da wagt Ihr es, das lange Wörtchen „immerhin“ zu setzen, Meister Linneger? So höre ich Väterchen Orbosch Sohn des Orolosch rufen, den wackeren Schneider aus der Leinengasse in Steinbrücken. (Er hat mir neulich eine zerrissene Hose geflickt, so dass sie fast wie neu aussieht; darum habe ich ihm versprochen, ihn einmal im KOSCH-KURIER zu erwähnen, was hiermit geschehen ist. Der geneigte Leser mag es mir nachsehen.)
Ganz recht, seit nunmehr zwei Götterläufen sitzt Herr Anshold auf dem Thron der Eberstammer; doch was ist diese Zeit für einen Angroscho? Zwei Dutzend Monde, etwas über hundert Wochen, keine achtmal hundert Tage ... wie man’s auch dreht und wendet, zu kurz ist es gewesen, um sich an den neuen Fürsten zu gewöhnen. Oder ging es nur darum, die alten Bestände loszu-werden?
Wovon ich eigentlich rede? Nun, bei dem hübschen Fest, das man in Tarnelfurt zu Ehren des fürstlichen Tstags abhielt, gab es nicht nur Gaukler, fah-rende Sänger und allerlei Buden mit bunten Bändern, Würsten und Backwerk, sondern auch einen zwergischen Zinngießer, der kleine Figuren oder Teller mit dem Konterfei des Fürsten feilbot. Wohlgemerkt: des guten Fürsten Blasius selig!
Dies fiel als erstes einem Honigkuchenbäcker auf, der lauthals seine Ware anpries. Und weil er über ein sehr mächtiges Organ verfügte, hallte es sogleich unüberhörbar über den Platz: „Ei, Väterchen, was hast du da? Das ist der falsche Fürst!“
Das mochte der Zinngießer, der wohl an jenem Morgen mit dem falschen Fuße aufgestanden war, sich nicht gefallen lassen, und keineswegs leiser gab er zurück: „Du Lump! Den guten Herrn Blasius nennst du einen falschen Fürsten! Wart’ nur, ich dich will lehren, ein rechter Koscher zu sein!“
Und ehe sich’s der Honigkuchenbäcker versah, hatte er schon die Faust des Zwergen in der Magengrube. Der so Gebeutelte war zwar kein Schmied, der mit mächtigen Armen den Hammer schwingt, doch wer tagtäglich seine Teige knetet und walzt, ist auch nicht von Pappe; und so gab nicht nur ein Wort das andere, sondern im Nu war eine wilde Rauferei entstanden, die einige Buben und Mädchen kichernd dazu nutzten, sich des plötzlich am Boden liegenden Naschwerks zu bemächtigen.
Es bedurfte des beherzten, Eingreifens des Marktgrevens (der im Übrigen ein Vetter des Zinngießers ist) sowie zweier Gardisten, um wieder Ruhe und Ordnung zu schaffen. Der Fall kam sogar vors Gericht.
Und dieses verkündete nach reiflicher Überlegung:
Primum: dass der selige Herr Blasius keineswegs ein falscher Fürst gewesen sei, sondern ein guter und trefflicher Landesherr;
secundum: dass man den Fürsten Anshold nicht beleidige, wenn man an seinem Tsatag seines seligen Vaters gedenke, aber
tertium: dass ein jeder Koscher wissen müsse, wessen Untertan er sei;
quartum: dass wegen Störung des Marktfriedens die Prügelnden ein Bußgeld von je elf Hellern zu entrichten hätten;
quintum: dass das Jungvolk, welches sich an den Honigkuchen vergriffen, nicht mehr auszumachen und somit nicht zu belangen sei, sich aber was schämen solle;
et postremum: dass ein jeder Tarnelfurter (und auch sonstwer im Kosch, im Hinterkosch und Außerkosch) doch lieber erst denken und dann handeln solle und nur, wenn gar nichts mehr helfe, die Fäuste sprechen lassen möge.
Dem hat der KOSCH-KURIER nichts hinzuzufügen.