Ein Winter in Sindelsaum - Der Keksbold

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Frühjahr 1033, Dachsbau

Erlan lief das Wasser im Mund zusammen, als er den Ofen öffnete und der Geruch des Möhrenkuchens in seine Nase drang. Vorsichtig nahm er die Kuchenform aus dem Backofen und stellte sie auf dem Tisch ab. Murosch Siebenrüb beäugte Erlans Kreation argwöhnisch. Der Bäckermeister galt nicht umsonst als Genie, was die Backkunst anging. Erlan war froh bei ihm lernen zu können. Es war nicht gerade das klassische Handwerk, das man als Wahrer der Glut ergriff, aber was konnte es nützlicheres geben? Noch dazu, wenn ein solcher ausgewiesener Experte nur wenige Häuser weiter vom eigenen wohnte.
Gespannt wartete Erlan Muroschs Urteil ab, als dieser ein Stück aus dem Kuchen schnitt. Bedächtig kaute der Hügelzwerg auf dem Stück Kuchen und nickte dann zustimmend.
„Der ist gar nicht schlecht geworden“, gestand er Erlan zu.
Als Erlan selbst probierte musste er zufrieden grinsen. An Tagen wie diesen schätzte er sein Leben. Die Arbeit als Säckelmeister machte ihm nichts aus, aber wirklich zufrieden war er eigentlich nur, wenn er in Sindelsaum war und sich den angenehmen Seiten des Lebens widmete.
Begierig griff auch Barthalm von Rohenforsten zu. Der Ritter wirkte mit seiner Augenbinde noch wilder, als vor seiner Verwundung, doch war auch der kampferprobte Veteran Feuer und Flamme, wenn es ums Backen ging. Talent hatte er leider keines, aber dafür stellte er sich immer wieder gerne als Richter über Erlan Kreationen zur Verfügung.
Einige Stunden später saßen Barthalm, Murosch und Erlan auf der Bank vor dem freundlichen Hügelhaus des Bäckermeisters und aßen einige Plätzchen aus Muroschs Werkstatt, während sie die ersten warmen Abendstunden des Jahres genossen.
„Habe ich euch schon erzählt, dass ich einen Keksbold im Vorratskeller habe?“ fragte Murosch gedankenverloren.
Erlan schüttelte den Kopf, während Barthalm unwillig brummte.
„Ein Keksbold? Es mag ja so manchen Bold geben, aber einen Keksbold habe ich noch nie gesehen.“
Murosch zuckte mit den Schultern.
„Ich hab es ja auch erst nicht glauben wollte, aber damals, als ich Meister geworden bin…“
„Wann war das eigentlich?“ hakte Erlan ein.
„Ach, das weiss ich noch ganz genau. Es war das Jahr in dem Fürst Alphak sich um ein Haar am Kirschkuchen verschluckte. Das muss wohl 912 gewesen sein, aber zurück zu meinem Bold. Es war ein Abend wie dieser, und ich hatte gerade mein Tagewerk beendet, als er zur Tür herein marschierte. Er erklärte mir mit aller Selbstverständlichkeit, dass er gerochen hätte, dass meine Kekse wohl genießbar seien, und da gute Bäcker schwer zu finden seien, würde er für eine Weile bei mir wohnen bleiben.
So ein Bold ist ja ein kleines Kerlchen, aber widersprechen sollte man ihnen nicht. Das hat schon meine Mutter gesagt. Seitdem wohnt er bei mir im Vorratskeller und gibt Ruh, solange ich ihn von Zeit zu Zeit mit meinem Tageswerk verköstige.“
Barthalm hatte der Geschichte versonnen zugehört, war aber nicht ganz überzeugt.
„Wenn er in deinem Vorratskeller wohnt, müssten wir ihn ja eigentlich besuchen können, oder etwa nicht?“
Murosch schüttelte den Kopf.
„Nein er zeigt sich nur, wenn er es auf dein Backwerk abgesehen hat. Wenn Erlan so weiter macht, hat er denn Bold bald am Hals. Wäre eigentlich fast Schade. Ich habe mich an den kleinen Kerl gewöhnt, auch wenn er ein wenig dick und träg geworden ist.“
Erlan schmunzelte ob der Geschichte Muroschs. Vielleicht war sie ja sogar wahr. Man konnte nie wissen, dem Wasser der Sindel wurde ja nicht umsonst nachgesagt, magisch zu sein.