Neues aus Hohentrutz - Sieche

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Siedlung Hohentrutz in Moorbrück, im Efferd 1033 BF

Mit Sonnenaufgang erwachte Hohentrutz wieder zum Leben.
Die Bewohner schälten sich mit den üblichen Kommentaren aus ihren Decken und begrüßten den neuen Morgen, jeder auf seine Weise – mit einem kleinen Gebet, einen lauten Gähnen oder auch mal einem leisen Fluch!
Danja Salderken wählte wie üblich die Kombination der ersten zwei und ignorierte geflissentlich die Kommentare all jener, für die ein neuer Tag mit einem ordentlichen Schimpfwort beginnen musste.
Gleich danach rückte sie die Decke ihrer Wohnnische zurecht, um sich vor allzu neugierigen Blicken zu schützen, und begann mit einer improvisierten Körperreinigung, die aufgrund der notorischen Knappheit an sauberem Wasser mit mehr gutem Willen als Erfolg durchgeführt werden musste.
An diesem Morgen wurde ihr aber nicht einmal dieses Mindestmaß an Körperpflege gegönnt: Lindwina, Robans Hausmagd, schob ihren Kopf durch den schmalen Spalt, den die Decke ließ.
„Herrin, ihr müsst...“, beschämt schlug sie die Augen nieder, als sie unbekleidete Maga erblickte.
„Sieh ruhig hin“, erwiderte Danja ungerührt. „Mein Körper dürfte kaum anders sein als der deine, Magierin hin oder her! Und was muss ich?“
Die Magd hielt den Blick abgewandt, als sie weitersprach.
„Ihr müsst rasch kommen. Seine Wohlgeboren liegt siech danieder!“
Die Maga hob besorgt die Brauen.
„Ich komme!“ entgegnete sie und griff nach ihrer Robe.
Als sie ihre Wohnnische verließ, hatten sich sämtliche Bewohner des Hauses bereits um die Lagerstätte des Ritters versammelt, den offenbar nicht einmal das hatte wecken können.
„Er glüht wie ein Stück Eisen auf dem Amboss“, brummelte Thurescha besorgt. „Das kenn ich! Der Ahnherr Bugum, der Sohn des Balum, dem ging es genauso, nachdem er...“
„Ich sehe ihn mir erst einmal an“, unterbrach Danja die Zwergin, erntete einen bösen Blick und trat neben das Lager des Ritters.
Zumindest bezüglich der Temperatur musste sie Thurescha aber recht geben. Robans Gesicht war heiß, Schweißperlen glitzerten auf der Stirn, und erst, als sie am Hals den Puls fühlte, öffnete er mühsam die Augen.
„Was is´n los?“ murmelte er seltsam näselnd, um dann mit einem gewaltigen Niesen in die Senkrechte hochzuschnellen.
„Hmm, wie fühlt Wohlgeboren sich heute?“ fragte Danja scheinbar unbekümmert.
Der Ritter blinzelte träge, und es dauerte einige Momente, ehe er den Sinn der Worte zu erfassen schien.
„Ziemlich bescheiden“, schniefte er dann. „Nase zu, Kopf dröhnt wie nach einer durchzechten Nacht, und die Knochen schmerzen, als hätte man mich durch die Wäschemangel gezogen!“
Roban nieste erneut, murmelte „Verreck, du Sau!“ und schien erst jetzt zu merken, dass sein Bett von mehr als einem halben Dutzend Leute umstanden wurde.
„Habter nix zu tun? Los, an die Arbeit!“ brummte er unwillig, schien damit die Sorgen bezüglich seines Zustands aber nur zu vergrößern.
„Hattest du in letzter Zeit häufiger kalte Füße oder Hände?“ setzte Danja ihre Examination ungerührt fort. „Kratzen im Hals, verstopfte Nase, Schüttelfrost?“„Ich stehe den halben Tag in diesem verdammten...“, wieder ein Niesen, dass man meinte, die Wände würden wackeln, „...Entwässerungsgraben, die Brühe umspült mir die Füße, da sind die Mauken immer kalt!“ schimpfte der Ritter schließlich.
Danja nickte und fühlte sich etwas erleichtert.
„Wohlgeboren, Ihr leidet an den Folgen einer regelmäßigen Hypothermie“, stellte sie ihre recht eindeutige Diagnose.
Schlagartig herrschte Stille in dem Raum. Roban blinzelte verständnislos, Sindar Goblindodt schluckte schwer und Lindwina schlug entsetzt die Hände vor den Mund.
„Er ist einfach nur erkältet!“ fügte Danja hinzu und registrierte ein allgemeines Aufatmen.
„Ihr habt Wohlgeboren gehört!“ ergriff jetzt Salwine Zwingler das Wort. „An die Arbeit! Frühstück machen und ab auf die Felder! Sich ausruhen kann Wohlgeboren sich auch ohne eure Hilfe!“
Die Verwalterin scheuchte die Siedler nach draußen, abgesehen von Thurescha, die keinerlei Anstalten machte, sich gleichfalls in Bewegung zu setzen, und immer noch an ihrem Fleck verharrte, als die Tür bereits zugefallen war.
„Und du, Thurescha, du schaust mir wieder auf die Finger, damit ich mit Roban keinen magischen Unsinn anstellen kann?“ mutmaßte Danja halb verärgert, halb belustigt, und bekam ein zustimmendes Knurren. Roban nieste erneut und ließ sich wieder auf sein Lager sinken.
„Schön! Ich werde mich jetzt daran machen, einen einfachen Kräutertee zu bereiten, der Robans Genesung beschleunigt“, wandte die Maga sich an die Zwergin. „Und da du mir vermutlich unterstellst, dass ich ihn vergiften will, darfst du sämtliche Ingredienzien inspizieren, wenn du willst. Und bis dato wäre ich dir sehr verbunden, wenn du Feuer machen könntest!“
Brummelnd und mit tiefen Stirnfalten stapfte Thurescha zu der kleinen Feuerstelle in der Raummitte, warf zwei Torfballen hinein und hantierte einige Sekunden mit Zunder und Stahl, bis die ersten zaghaften Flammen entstanden, kommentierte diesen Umstand mit einem kurzen Dank an Angrosch und steckte dann ihren Kopf in die Wohnnische der Maga, die in ihrem Gepäck kramte und schließlich einige getrocknete Pflanzen in einen Tonbecher schüttete und diesen der Zwergin hinhielt.
Thurescha schnupperte und zog die Nase kraus.
„Salbei, Fenchel, Minze und Kamille“, lächelte Danja schadenfroh. „Der Geruch ist nicht besonders angenehm, der Geschmack noch weniger, aber es hilft!“
„Wenn´s nicht schmeckt, muss es helfen“, brummte Thurescha beinahe zustimmend. „Als der Ahnherr Bugum, Sohn des Balum“, sie warf der Maga einen drohenden Blick zu, damit diese sie nicht schon wieder unterbrach, „der seinen Vetter Lugen, den Sohn des Hugen, mehr als dreihundert Draschim weit durch einen zur Hälfte überfluteten Schacht geschleppt hatte, da ging es ihm ebenso wie Roban. Aber das ehrwürdige Mütterchen Duglima, die Tochter der Olivina, wusste ein Heilmittel zu brauen. Es soll geschmeckt haben, als wenn man die Strümpfe dreier Angroschim nach einer Doppelschicht an der Esse ausgekocht hätte, aber Väterchen Bugum war wieder auf den Beinen, ehe die Schichten zweimal gewechselt hatten!“
Danja hob die Brauen. Zum einen fand sie diese Geschichte weder besonders lehrreich noch besonders unterhaltsam – und schon gar nicht so bedeutend, dass sie über mehrere Generationen hinweg überliefert werden musste -, aber die Gedächtnisleistung Thureschas beeindruckte sie dennoch.
Wenige Minuten später war der Tee bereits fertig, und Danja machte sich daran, den schon wieder schlafenden Roban erneut zu wecken, was dieser mit missmutigem Gebrummel quittierte.
Als sie zur Feuerstelle zurück kehrte, steckte die Zwergin gerade eine kleine Tonflasche wieder in ihr Wams.
„Hast du was hinzugegeben?“ fragte die Maga mit einem Kopfnicken auf den Becher, in dem das Wasser kochte.
„Verfeinert!“ erwiderte Thurescha selbstbewusst.
Danja schob den Kopf über den Becher, schnupperte vorsichtig, richtete sich wieder auf wischte sich Tränen aus den Augen.
„Was war es? Zwiedestillat? Valposella?“ keuchte sie angesichts des scharfen Alkoholgeruchs.
„Feiner Wacholderbrannt!“ knurrte die Zwergin ärgerlich. „Wärmt den Bauch und die Seele, und hilft auch bei Erkältung, Gliederreißen, Magengrimmen und Mutlosigkeit!“
„Zumindest regt es den Kreislauf an, sofern in vernünftigem Maß genossen!“ stimmte Danja zumindest teilweise zu. „Ich hoffe, du hast dieses vernünftige Maß nicht überschritten!“
„Bestimmt nicht, Draxgroschna!“ grollte die Zwergin, und Danja beließ es bei einem Kopfnicken. Diese Diskussion war nicht zu gewinnen. Eher hätte sie einen Granitblock mit bloßen Händen zertrümmern können.
Wie erwartet war auch Robans erste Reaktion auf den Tee alles andere als wohlwollend.
„Herrin Rondra – hast du Ranzenpisse gekocht?“ keuchte er, gab einige würgende Laute von sich und bedachte den kaum geleerten Becher mit einem angewiderten Blick.
„Je schlimmer es schmeckt, desto mehr hilft´s, sagte Mütterchen Duglima, die Tochter der Olivina“, beharrte jetzt aber Thurescha, bekam einen finsteren Blick als Dank, aber der Ritter kämpfte sich mit heftigem Schütteln, Lauten der Abscheu und gelegentlichem Niesen bis auf den Boden des Bechers voran.
„So! Jetzt solltest du schlafen“, mahnte Danja, nahm den Becher an sich und verließ das Haus jetzt ebenfalls, um sich ihren Forschungen zu widmen.
Roban rollte mit den Augen.
Thurescha war noch immer nicht von seinem Bett gewichen, schien über irgendetwas nachzugrübeln. Der Ritter stemmte sich auf die Ellbogen hoch und deutete mit einer Kopfbewegung Richtung Tür.
„Ist sie weg?“ fragte er, und die Zwergin nickte, trat wortlos neben das Bett, zog die Tonflasche aus dem Wams und den Wachsstöpsel heraus.
„Hier! Spül den Geschmack einfach runter!“ meinte sie und reichte Roban das Gefäß.
Auch dieses Mal schüttelte es den Ritter, aber offenbar sagte ihm diese Medizin erheblich mehr zu, zumindest wirkte er zufriedener als bei der ersten.
Minuten später stapfte auch Thurescha ins Freie, wo sich die Siedler angesichts des trockenen Wetters auf dem Platz zwischen den Hütteln versammelt hatten, um das Frühstück gemeinsam einzunehmen.
Sie grübelte darüber nach, wie man die Füße des Ritters zukünftig aus dem Wasser heraus halten konnte.