Kein Angroscho mehr Herr über Lûr
◅ | Erneuter Machtwechsel am Roterzpass |
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Baron von Bragahn belohnt Reichstreue | ▻ |
Kein Angroscho mehr Herr über Lûr
Eigenwillige Wahl des Fürsten sorgt für Kopfschütteln
BARONIE LUR. Nach für Zwerge geradezu besorgniserregend kurzer Zeit herrscht abermals ein neuer Baron in Lûr. Nach dem gewaltsamen Tode Bengrams Sohn des Bantarg durch die Drachin Chaidarion vor 12 Götterläufen und dem ominösen Tod Endraschs Sohn des Ergrin vor wenigen Monden ist kein Zwerg mehr für Wohl und Wehe der Baronie in den Ausläufern des Amboss verantwortlich, sondern Rainfried von Grimsau, ein Mensch.
Groß war die Verwunderung über die Wahl des Fürsten bei den Bewohnern von Lûr und den übrigen Bergdörfern, ging doch die Kunde, dass der neue Baron nur zur Hälfte koscher Blut in den Adern führt, und dieses noch dazu eine unrühmliche Raubrittervergangenheit hat. Und noch größer ist sie geworden, seitdem bekannt ist, dass eben jener vor kurzem erst zum Ritter Geschlagene gar nicht vorhat, die Baronie selber zu führen, sondern diese Aufgabe einer Stellvertreterin überlassen wird, der kommenden Vögtin Flavia Mehring auf Munkelstein, zusammen mit Brodlind von Bärenstieg, seiner Großmutter.
Die Neugier muss es wohl auch gewesen sein, dass trotz der noch recht frischen Temperaturen und des noch reichlich vorhandenen Schnees nicht nur die Landedlen und Bewohner der Stadt Lûr beim Amtsantritt des Barons anwesend waren, sondern auch viele Bauern der umgebenden Dörfer mit ihren Knechten und Mägden. Erwartungsvoll beobachteten sie, wie der Ritter von Grimsau unter Anleitung von Meisterin Dioraxa seinen Namen auf der Stele auf dem Marktplatz meißelte, wie es alle Amtsvorgänger bereits vor ihm taten. Und mit ebenso großer Erwartung sahen die zwergischen Bewohner Garosch Sohn des Gandrosch mit weiteren schwer gerüsteten Zwergen aus den stählernen Hallen von Lûr auf den Baron zuschreiten, die zeremonielle Lanze, einer der legendären Drachentöter der Angroschim, über den Schultern. Mit ernsten Worten überreichte er dem jungen Baron die Bürde: „So wie es die Vorväter sich versprochen haben, so sollen es die Nachfahren erneuern. Hebe die Waffe gegen den Feind, auf dass der Bund zwischen Zwerg und Mensch erneuert werde.“ sollte erwähnt werden, dass die beiden Vorgänger im Amte trotz des bei Zwergen üblichen starken Körperbaus und der geringeren Hubhöhe ebenfalls Probleme hatten, die schwere Waffe zu heben. Und so verwunderte es niemanden der Anwesenden, dass Rainfried von Grimsau nicht über Kniehöhe hinauskam. Erst als Flavia Mehring auf Munkelstein mit den Worten „Was wäre ich für eine Vögtin, würde ich nicht mit Freuden meinem Baron die Lanze halten!“ zugriff und mithalf, reckte sich der Spieß zum Himmel. Und wahrlich, als ehemalige Korporalin der Ferdoker Lanzerinnen ist die Vögtin geradezu prädestiniert, das Land gegen Feinde zu verteidigen. Ob es ein Zeichen war, dass diese beiden die Lanze wie ein Spiessgespann hoben, wird sich in den kommenden Jahren zeigen. Denn es ist die bedeutendste Eigenheit der zwergischen Lanzen, dass diese immer von zwei Spießbrüdern geführt werden müssen.
Nicht ganz Zufall mag wohl auch die Wahl des Tages gewesen sein, an dem der neue Baron sich der Baronie vorstellte, findet doch stets am 25. Phex das Schnablern statt, an dem die jungen Bauerssöhne das über den Winter gelagerte Heu von den Almhütten ins Tal zu den Höfen fahren, auf Schlitten, deren Kufen wie Ochsenhörner geformt sind. So war es in der Pflicht des neuen Barons, die Angekommenen mit dem traditionellen Schnabelwasser zu begrüßen.
Bei dem anschließenden Fest, bei dem auch der gehörnte Schnabler, der Gewinner der letzten Schnablermeile, „gekrönt“ wurde, floss das Bier in guter Zwergenmanier in Strömen, und bei dem einen oder anderen Gläschen Selbstgebranntem wurde gespielt, gelacht und gerauft. Man muss dem neuen Baron und seiner Vögtin zu Gute halten, dass sie bis in die frühen Morgenstunden mit den trinkfesten Zwergen und Menschen mithalten konnten und mit einigermaßen sicherem Schritt mit den Letzten das Fest verließen.
Stimmen aus dem Volke
„Ein halber Almadaner. Wenn der mal nich‘ dafür sorgt, dass jetzt noch mehr von Süden rüber machen. Die soll’n ihre Problemchen schön für sich behalten.“ – Igan Termoil, Stadtbüttel
„Ich wollt, er würd‘ dies’ Jahr meinen Zwillenstein finden.“ – Goldmirya Ruttelsin, Magd
„Hrmph. Sagt doch schon viel aus, wenn er nicht mal richtig sprechen kann. Ich sag ja nix, dass sein Rogolan zum Weglaufen ist, aber wenigstens normal sprechen sollte doch drin sein. ‚Honor und Alegria‘, was für ein Brokrogelo…“ – Hamral Sohn des Fadaxhir, Prospektor
„Der neue Baron un‘ die Vöchtin mach ma‘ koa Angst. Aber de Oide da an seiner Seit’n, vor der han‘ ich Bamm’l. Man sacht, die hätt Haar auf de Beisser und könnt net sterb’m. Ja, weil‘s doch a eckiche Seel‘ hätt’, und da wo die Seel’ rausmuss, wenn ma’ sterb’m tut, woaßt scho‘, da unt’n am hintern Rücken, da iss‘ ja rund.“ – Yendor Peresen, Lederwerker
„Also ich find‘ ja, dass neue Besen gut kehren. Viel schlechter als mit dem vorigen Baron kann’s auch nicht werden. Und er soll ja der Herrin Rahja nahestehen. Dann gibt's bald auch wieder mehr für mich zu tun.“ – Josmine Lommert, Hebamme
„Auch den werd‘ ich überle- ben, so Angrosch es will. So wie Bodar und Eslam und Valpo und Perval und …“ – Cugral S.d. Hognax, Wirt
„Hast‘ die Vögtin gesehen? Prachtstück sach ich da nur. Augen wie meine Mechthild! Und die hat schon so manch‘n Preis gewonnen. Für’s weichste Fell, die kräftigsten Hörner, die meiste Milch und eben auch die schönsten Augen!“ – Grobenwulff Musker, Bergbauer
„Wohin soll das noch führen? Ein Baron der kein Interesse an seiner Baronie hat und eine Vögtin braucht um die Lanze hochzubekommen. Schlimme Zeiten sind das geworden. Schlimm, schlimm!“ – Greifidra Wertimol, Waschweib
„Wenn die Munkelsteiner munkeln, bleibt die Wahrheit oft im Dunkeln. Der junge Baron sollte vorsichtig sein, denn nicht zu selten heißt es ‚Wie gewonnen, so zerronnen!‘ “ – Junker Kronolf von Bunsenbrück