Neues aus Hohentrutz - Wahrhaft wehrhaft

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Siedlung Hohentrutz in Moorbrück, Ende Rondra 1033 BF

„Die Piken hoch! Hoch, sag ich!“
Robans Stimme schwang irgendwo zwischen Wut und Resignation. Die ersten Übungen der „Hohentrutzer Landwehr“ gestalteten sich als ein Debakel allerersten Ranges.
Trotz der kompetenten Anleitung von Rondred Brotbäck stellten sich seine Siedler so dumm an, dass der Ritter abwechselnd hätte fluchen und heulen können.
Oder dem Aves-Geweihten nachlaufen, der die letzte Nacht in Hohentrutz verbracht und den staunenden Siedlern einiges aus fernen Landen erzählt hatten. Salwine hatte sich um ihn gekümmert und ihm den Weg nach Norden erklärt. Geleitschutz hatte er abgelehnt, und Roban hatte ihn nicht weiter bedrängt – dieser...dieser...er kam auf nicht mehr auf den Namen. Glaskanni? Wardanie? Egal! Irgendwas Außerkoscheres! Auf jeden Fall hatte er Erfahrung mit Reisen und konnte wohl auch das Risiko allein abwägen.
Roban zwang seine Gedanken wieder in die traurige Realität, respektive zu dem traurigen Haufen, aus dem er eine Landwehr formen wollte.
Wirkliche Waffen hatte man nicht, aber einige geschälte Birkenstämme als „Übungs-Piken“ taten es auch. Und angesichts der desolaten Leistung konnte man beinahe froh sein, dass keine echten Waffen im Spiel waren.
Hasweiler! Die Spitze hoch! Auf Brusthöhe!“ brüllte Roban ärgerlich. Der baumlange Hasenzüchter hob zaghaft seine Birke nach oben, und man sah ihm an, dass ihm die ganze Sache nicht behagte.
„Brusthöhe, Sindar!“ Die Birke des Abenteurers senkte sich ein wenig.
„Oder willst du versuchen, eine Wolke anzustechen?“
„Für die Ogerjagd an der Rakula musste ich höher halten, Wohlgeboren!“ gab der ehemalige Abenteurer zurück.
„In etwa so!“
Die Birkenspitze wanderte auf eine Höhe von weit über zwei Schritt.
„Erzähl keinen Mist, Goblindodt, sonst halte ich die Pike gleich mal etwas tiefer und schiebe sie dir in den...“
„Wohlgeboren! Nicht vor den Kindern!“ unterbrach Danja Salderken mit gespielter Empörung den Wutausbruch des Ritters. Sie hatte sich in einigem Abstand niedergelassen, schrieb in einem kleinen Buch und hatte der Übung bislang nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt.
Roban biss sich wütend auf die Lippen. Tatsächlich beobachtete gleich mehrere Kinder die wenig erfolgreiche Übung am Fuß des Hügels – und damit auch die Wutausbrüche ihres Lehnsherren. Immerhin hatte sich Sindars Übungspike wieder auf akzeptable Höhe gesenkt.
„Noch einmal das Vorstoßen üben!“ befahl Roban, wenngleich er wenig Hoffnung hatte, dass es dieses Mal besser aussehen würde als die Male zuvor.
„Linken Fuß vor!“ kommandierte Rondred Brotbäck, der wohl als einziger in Hohentrutz wirklich gelernt hatte, mit Pike und Partisane zu kämpfen – aber mit nur einem Arm würde er das nie wieder können, also musste er es den anderen beibringen.
"Achtung – stoßt!“
Was Roban zu sehen bekam, war ein Trauerspiel. Zaghaft die einen, krumm und schief bei den anderen – die einzige Chance war, dass ein Gegner seine Waffe fallen lassen musste, um sich vor Lachen den Bauch zu halten! Er rollte mit den Augen, und nur die interessierten Blicke der Kinder hielten ihn von einer Schimpftirade ab, bei denen jeder Thorwaler rote Ohren bekommen hätte.
„Zustoßen sollt ihr!“ brüllte er wütend.
„Nicht schubsen!“
Er stürmte zu Arbel Schnirkefeld, der ängstlich zurück wich, riss ihm den Birkenstamm aus der Hand und führt einen Stoß aus, der einen Feind glatt durchbohrt hätte.
„So! Mit Schwung und Kraft! Die Pike muss rechtwinklig auftreffen, sonst gleitet die Spitze an einer Rüstung ab! Das kann doch nicht so schwer sein!“ wetterte er dabei.
Seine „Landwehr“ scharrte verlegen mit den Füßen, druckste herum und schien nichts mehr herbei zu sehnen als das Ende der Übung.
„Sin´ wir jetz fertich, Wohlgebor´n?“ fragte schließlich Runkel Sackfold nasebohrend.
Roban funkelte ihn wütend an. Hätte der Schweinehirte nur die halbe Hingabe bei der Übung gezeigt, mit der er jetzt in seinem Riechkolben wühlte, wäre alles in Ordnung gewesen!
„Nein!“ fauchte er.
Rondred, mitkommen!“
Mühsam beherrscht brachte er einige Schritt Abstand zwischen sich und seine Siedler. Rondred Brotbäck folgte mit betretener Miene.
„Also – was schlägst du vor?“ fragte Roban außer Hörweite der Anderen.
Der Einarmige hob die Schultern.
„Tja, Wohlgeboren“, fing er schließlich an, „wären wir in Grantelweiher tät ich sagen, wir gehen in die „Auenweil“ und trinken uns den Haufen schön, aber hier...“, erneutes Schulterzucken.
„Die Technik mögen sie wohl noch lernen, aber ob sie einem wirklichen Kampf gewachsen sind, wage ich zu bezweifeln. Es sind eben einfache Leute, keine Krieger, und ich glaube nicht, dass man welche aus ihnen machen kann. Wenn es hart auf hart kommt, werden sie davon laufen!“
Roban nickte finster.
„So, werden sie das?“ knurrte er dann böse.
„Dann sag ihnen, dass jeder einen Heller bekommt, der bei der nächsten Übung auf seinem Posten bleibt!“
Ohne ein weiteres Wort marschierte der Ritter von dannen, den Hügel hinauf, holte sein Zaumzeug und anschließend sein Pferd Girte, die wie üblich in der Nähe der Häuser gegrast hatte. Das Tier schien sichtlich froh darüber zu sein, wieder einen Reiter auf dem Rücken zu spüren, und trabte auch ungesattelt eilig den Hügel hinab.
Rondred hatte mittlerweile die anderen wieder erreicht und die Ankündigung des Ritters weiter gegeben. Doch auch er verstand nicht ganz, worin die nächste Übung bestehen würde.
Roban trieb sein Pferd von ihnen weg, gerade so weit, wie es noch trockenen Boden unter den Hufen hatte, dann wendete er es und löste seinen Kriegshammer vom Gürtel.
„Was wird das denn jetzt?“ fragte Sindar Goblindodt unbehaglich, und auch den anderen wurde ein wenig mulmig.
Mit einem wütenden Ruf trieb Roban der Stute die Fersen in die Weichen, wiehernd schoss das Tier vorwärts, genau auf die schmale Reihe der Siedler zu. Der tödliche Hammer kreiste um die Hand des Ritters.
„Heilige...der is´ von Sinnen!“ rief Runkel Sackfold, ließ seine Birke fallen und nahm die Beine in die Hand, dicht gefolgt von Alphak Hasweiler und Arbel Schnirkefeld, die ihr Heil ebenfalls in der Flucht suchten.
Sofort trat Rondred in eine der Lücken, klaubte den Birkenstamm vom Boden auf und keilte ihn mit dem Fuß fest, um die fehlende Hand zu ersetzen. Aus den Augenwinkeln sah er, dass auch Runkels „Pike“ wieder aufgehoben wurde, aber nicht von dem Schweinehirten selbst, sondern seinem Sohn Firundal, der bislang bei den Zuschauern gestanden hatte, jetzt aber mit verzerrter Miene und geschlossenen Augen das Holz umklammert hielt.
Kaum zehn Schritt trennten Reiter und Siedler noch voneinander, als Roban Girte am Zügel herumriss. Das Pferd stoppte so abrupt, dass Roban fast von ihrem Rücken gefallen wäre, und schnaubte unwillig, als er sich herab schwang.
„Nichts für ungut, altes Mädchen!“ grinste er und tätschelte ihr die Nüstern, ehe er auf die Reste seiner „Landwehr“ zutrat.
„Na bitte, ein paar stehen ja noch“, stellte er fest, angelte den Geldbeutel aus der Tasche und zahlte die Leute aus. Alle waren noch ziemlich erschüttert von dem Scheinangriff, einige Hände zittrig, und die Beinkleider des jungen Sackfold sogar durchnässt.
Nur Rondred Brotbäck grinste zuversichtlich, als er seinen Heller empfing.
„Schön, Schluss für heute!“ entschied der Ritter schließlich.
„Beim nächsten Mal gebt ihr euch gefälligst mehr Mühe!“
Leise murrend kehrten die Hohentrutzer wieder an ihre eigentliche Arbeit an Feldern und Entwässerungsgräben zurück, während Roban sein Pferd wieder zu ihrem Weideplatz führte.
Danja Salderken hob den Blick, als er an ihr vorbei kam.
„Interessante Methode“, urteilte sie.
„Was kommt als nächstes? Schießt du mit der Armbrust auf sie?“
„War eine wichtige Lektion“, gab Roban zurück.
„Ersetzt keine wirkliche Erfahrung, aber es härtet ab!“
„Und wie oft kannst du dir diese Lektion noch leisten?“ spottete die Maga und wandte sich wieder ihren Aufzeichnungen zu.
Roban verzog das Gesicht.
Wenn er jedes Mal ein paar Heller dabei loswurde, nicht allzu oft.
Wenn er dabei Siedler verlor, die ihm wegen seiner Methoden davon liefen, sogar noch seltener.