Neues aus Hohentrutz - Rückkehr vom Trolleck

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Siedlung Hohentrutz in Moorbrück, im Ingerimm 1033 BF

Zwei Tage waren seit der Rückkehr Rondreds und Sindars vergangen.
Zwei Tage seit der Nachricht, ein Grobhand von Koschtal sei im Feldzug am Trolleck gefallen.
Zwei Tage, in denen Danja zwischen Hoffnung, Angst und Verzweiflung geschwankt hatte. An Robans Tod glauben wollte sie nicht. Ihn ausschließen konnte sie nicht. Egal, womit sie sich abzulenken versuchte, so sehr sie sich auf ihre Forschungen konzentrierte, es gelang ihr nicht, die drückenden Gedanken zu verbannen.
Immer wieder kehrten sie zu ihr zurück. Es war wie die Flucht vor dem eigenen Schatten. Nächtens hatte sie sich voller Unruhe auf ihrem Lager gewälzt, kaum ein paar Stunden Schlaf gefunden.
Heute morgen hatte sie kapituliert und ihre Tasche gepackt. Sie würde wohl keine Ruhe finden, ehe sie sich davon überzeugt hatte, dass Roban noch lebte. Oder mit eigenen Augen sein Grab gesehen hatte.
Niemand in Hohentrutz hatte sie auf ihr Vorhaben angesprochen. Allen schien klar zu sein, warum die ohnehin nicht unbedingt wohlgelittene Maga ihre Reisetasche packte. Umso mehr überraschte es sie, dass die Bewohner wie auf ein unhörbares Kommando ihre Arbeit ruhen ließen, als sie aus der Hütte hinaus in den Sonnenschein trat. Sie spürte die Blicke der anderen auf sich ruhen, die wortlosen Segenswünsche, die ihre Reise begleiteten.
Ein dumpfes Räuspern erklang hinter ihr. Langsam wandte sie sich um.
"Du solltest nicht unbewaffnet gehen, Draxgroschna", knurrte Thurescha. "Am Trolleck ist es im Moment nicht sicher. Hier, nimm das mit, falls dir einer ans Leder will!"
Sie hielt Danja einen kurzen, breiten Dolch hin, Griff voran.
"Ich brauche keinen Dolch", wehrte Danja ab. "Ich habe..."
"Hör auf mit der elenden Drakora-brodrom!" schnauzte die Zwergin aufgebracht. "Und das ist kein Dolch, sondern ein Drax-Mortom, ein Drachenzahn! Schon der Vater meines Großvaters, Andrasch, der Sohn des Grugrosch, führte ihn im Kampf gegen einen Höhlendrachen. Das Biest hatte ihn zu Boden geworfen und hielt ihn fest, als das Väterchen ihm mit dem Drax-Mortom eine Vorderklaue abhieb. Und als das Viech sich vor Schmerz aufbäumte, gaben ihm die Zwillinge Gilim und Borin, die Söhne des Kagrim, mit dem Drachentöter den Rest. Pass gut darauf auf, klar?"
Danja steckte die Waffe mit einem warmen Gefühl im Bauch in ihre Reisetasche.
"Ich werde ihn dir wiederbringen", versprach sie und hoffte ehrlich, dieses Versprechen halten zu können.
"Du oder deine Nachkommen!" Thurescha schnaubte noch einmal. "Und jetzt scher dich zum Trolleck, ehe ich wieder zu Besinnung komme!"
Grußlos wandte Danja sich ab. Nach Südwesten führte sie ihr Weg, gen Klammwinkel. Der Weg war weniger sicher als jener nach Hammerschlag, aber kürzer.
Weit kam sie nicht. Das helle Klirren eines Löffels auf einem alten Topf ließ sie innehalten.
"Reiter von Efferd!" schallte der laute Ruf Rondreds zu ihr herüber.
Danja kniff die Augen zusammen. "Reiter" war nicht der richtige Ausdruck. Von Westen näherte sich ein Mann, der ein Pferd am Zügel führte. Im Dunst des Sumpfes waren die beiden kaum mehr als ein Schemen.
Die Magierin hielt inne. Das leuchtende Gelb des Waffenrocks wurde sichtbar. War das Roban oder schon der neue Herr von Hohentrutz, den seine Familie geschickt hatte?
Langsam, fast ängstlich setzte sie einen Fuß vor den anderen. Immer deutlicher wurden die Konturen des Reisenden, der auf sie zuhielt. Für einen Moment stand eine weiße Wolke an seinem Kopf, die rasch zerfaserte.
Danjas Herz machte einen Hüpfer. In diesem Sumpf gab es nur einen Menschen, der mehr Rauch ausstossen konnte als ein Kohlenmeiler. Ihre Schritte wurden schneller.
Jetzt konnte sie erste Details ausmachen, einen wüst wuchernden Bart, ein völlig verschmutzter Waffenrock, schlammbespritzte Beinkleider und Stiefel.
Noch schneller bewegten sich ihre Füsse.
"Orkenmist, was war es gemütlich am Trolleck!", hörte sie den Mann schimpfen, als er in ein flaches Sumpfloch trat und bis über den Knöchel versank.
Kein Zweifel! Diese Kombination von schmutziger Kleidung und noch schmutzigerem Vokabular gab es in Moorbrück nur einmal. Und diesem Unikat flog sie jetzt allen Vorbehalten zum Trotz um den Hals, ein Zeichen tiefster Erleichterung, mit der alle Sorgen der letzten Tage von ihr abfielen.
"Hilfe, Garde, ich werde erdrückt!" scherzte Roban und schob sie mit sanfter Gewalt zurück. "Danja, halt an dich! Was sollen die einfachen Leute denken?"
"Ausnahmsweise, Wohlgeboren, soll es mir völlig gleich sein, was sie denken", lachte Danja. Roban reckte sich und blickte ihr über die Schultern.
"Dachte ich es mir doch! Jetzt feixt das Pack, statt zu arbeiten! Das haben wir jetzt von der Knuddelei!"
Die Maga trat zur Seite und vollführte eine aus- und einladende Geste, als bitte sie einen sehnlich erwarteten Gast über die Schwelle.
"In diesem Fall, Wohlgeboren, tretet näher und heizt dem Pack ein, auf dass ihm das Feixen auf ewig vergehe!"
Roban lachte, aber nur kurz. Erst jetzt bemerkte Danja einen leicht bitteren Zug um seine Mundwinkel. Sie dachte unwillkürlich an die Nachricht vom Tod eines Grobhand von Koschtal.
"Answein ist tot", bestätigte Roban ihr den schlimmen Verdacht sofort. Sie senkte den Blick, brachte so etwas wie eine Beileidsbekundung zuwege und hoffte, dass dieser Verlust Robans ohnehin angeschlagenes Gemüt nicht noch weiter verfinsterte.
"Er ist als Held gefallen, wie er es sich immer gewünscht hat!" Roban seufzte und hob die Schultern. "Kann ich nicht ändern. Answein wird mir hoffentlich nen Stuhl an Rondras Tafel freihalten. Oder wenigstens ne Schürze, damit ich den Helden auftragen kann!"
Er marschierte weiter, ohne mit seinen beiläufig klingenden Worten Danjas Sorge vollends zu zerstreuen. Sie folgte ihm, gemächlich und in gebührendem Abstand.
Doch Roban blieb noch einmal stehen, noch ehe sie bis auf Rufweite an Hohentrutz heran gekommen war.
"Ich habe noch Schulden bei dir", fing er etwas kleinlaut an.
Danja lächelte schief. Sie war eigentlich davon ausgegangen, dass Roban diese "Leihgabe" bereits vergessen hatte. Bisweilen war es angenehm, sich zu irren.
"Ja", sagte sie gedehnt.
"Ich wäre dir sehr verbunden, wenn du sie stunden könntest. Im Moment ist mir nicht nach Rückzahlung", murmelte der Ritter und stapfte weiter.
Wieder vergingen einige Momente, ehe Danja folgte.
Gestundet, das konnte sie ihm schwerlich ausschlagen, nachdem er seinen besten Freund verloren hatte.
Aber gestundet war nicht erlassen.

Die lautstarke Begrüßung musste Roban wohl über sich ergehen lassen. Noch erheblich lautstärker scheuchte er die Leute anschließend wieder an die Arbeit. Trockene Tage waren rar gesät im Moorbrück, da konnte man keinen verschenken.
Erst am Abend ließ der Ritter sich erweichen, ein paar Worte über den Feldzug zum Trolleck zu verlieren.
"Gibt nicht viel zu berichten", schnaubte er unwillig durch eine verdächtig neu aussehende Pfeife. "Eine Hundertschaft dahergelaufenes Pack, Halsabschneider und Schlagetots! Hatten mit Hinterlist zwei Burgen in ihre Gewalt gebracht und die Bewohner gemeuchelt. Wir haben die Burgen angegriffen und dem Gesindel einen kräftigen Tritt in den Arsch gegeben! Was wir nicht niedergemacht haben, schuftet auf ewig in des Grafen Steinbrüchen. Ende der Geschichte!"
Blanke Enttäuschung sprach aus den Gesichtern der Hohentrutzer. Roban war zwar kein Freund großer Reden, aber etwas mehr Einzelheiten hatte man sich doch erhofft. Immerhin war man die detailreichen Geschichten eines Sindar Goblindodt gewohnt, und heute hätte man vielleicht eine Erzählung ohne Goblins hören können...
"Das war alles?" meldete eben dieser Freund großer Geschichten zu Wort.
"Ja, das war alles!" blaffte der Ritter zornig. "Was dachtest du denn? Willst du hören, wie man den Geweihten Answein feige in den Rücken schoss? Dass man uns vor dem Burgtor fast mit Lampenöl abgefackelt hat? Das man eine Magd von den Burgmauern warf, um uns vom Angriff abzuhalten? Das ist nicht weiß, ob die Feldscher oder Golgari am Trolleck mehr Arbeit hatten?"
Der Wutausbruch war kurz, aber heftig gewesen. Entsetzte und erschrockene Gesichter starrten ihn an. Der kleine Alderan fing an zu weinen.
"Seht zu, dass ihr ins Bett kommt!" brummte der Ritter. "Der heutige Tag war hart, der morgige wird nicht besser!"
Mit diesen Worten stapfte er zur Tür hinaus in die noch junge Nacht.
Danja wartete eine knappe halbe Stunde.
Diese Zeit genügte den Siedlern, um den Worten des Adligen Folge zu leisten, und sie genügte Roban wohl, um sich einigermaßen zu beruhigen. Die Maga kannte ihn lange genug, um sein Verhalten richtig zu interpretieren.
Als sie das Haus ebenfalls verließ, konnte sie sich sicher sein, dass die Wut des Ritters der üblichen dumpfen Leere Platz gemacht haben würde. Das war schon in Tobrien so gewesen. Erst tobte er, um das Erlebte zu verarbeiten, dann versank er in dumpfes Brüten über sich und die Welt.
Tatsächlich fand sie ihn am Hang des Hügels sitzend. Einzig die rote Glut der Pfeife verriet in der Dunkelheit, wo er steckte.
"Ist langsam eine schlechte Angewohnheit, mir nachzusteigen", murmelte er statt einer Begrüßung.
"Jeder hat schlechte Angewohnheiten", erwiderte Danja ungerührt und setzte sich neben ihn. "Das solltest du doch am besten wissen!"
Sie spürte den Blick nur, den er ihr zuwarf, diese Mischung aus Ärger und Erheiterung angesichts ihrer respektlosen Worte.
"Also, erzähl schon: war es so übel wie in Tobrien, oder noch schlimmer?"
"Tobrien?" Roban stieß ein bitteres Lachen aus. "Der Feldzug zum Trolleck sieht neben Tobrien aus wie eine Aufführung der Angbarer Puppenbühne! Keine Untoten, keine Dämonen, nur ein paar Halsabschneider in guter Ausgangsposition! Am Anfang sah es nicht besonders gut aus, aber..."
Roban redete, und Danja hörte zu. Sie wusste, dass eine Schlacht niemals nur die Körper der Streitenden schädigte, und wie wichtig es oft war, wenn sie wenigstens über das reden konnten, was sie gesehen hatten. Vergessen zu schenken, das oblag wohl Boron allein, aber sie konnte Roban vielleicht einen Teil der Bürde abnehmen, die auf ihm lag.
Es dauerte fast eine ganze Stunde, bis er endlich endete. Durch Danjas Gedanken schwirrten die Bilder von Mord und Blutvergiessen. Es war faszinierend und erschreckend zugleich, wie viele Details sich in die Erinnerung des Ritters gebrannt hatten.
"...und Gero vom Kargen Land wird Richtgreve der Hügellande. Ach ja, und Derwart von Garnelhaun, dessen Frau wir aus dem Kerker geholt haben, wird an Answeins Schrein Wacht halten und jedem von dessen Großtat berichten!"
Danja ging die Liste der so mit Ehrungen bedachten noch einmal durch.
"Und du?" fragte sie schließlich. "Du hast, wenn ich es richtig verstanden habe, entscheidende Beiträge zur Eroberung beider Burgen geleistet. Hat der Graf diese Leistung überhaupt nicht gewürdigt?"
Wieder spürte sie einen Blick, dieses Mal voller Wut und Bitterkeit.
"Und der Knüppeldamm?" fügte sie hinzu.
Die Glut der Pfeife leuchtete hell, als versuche der Ritter, nicht nur den Rauch, sondern Glut samt Tabak durch den Pfeifenhals zu saugen.
"Weiß ich nicht!" knurrte er. "Aber eins verspreche ich dir Danja: der Graf wird mich entlohnen für meinen Dienst, so oder so! Und wenn ich den Knüppeldamm aus der Wandtäfelung von Grauensee baue!"
Mehrere dicke Qualmwolken unterstrichen diese Worte.
Danja fröstelte, und das nicht nur wegen der zunehmenden Kälte.
Sie kannte Roban. Er war kein Freund großer Worte. Und wenn er welche schwang, dann meinte er sie ernst.