Heerzug gegen Haffax - Ein koscher Abendmahl: Unterschied zwischen den Versionen

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|Zusammenfassung=Der Junker zu Rahilja hat Gäste zum gemeinsamen Abendmahl geladen, darunter Nale von Boltansroden und Aeladir von Waldbachtal. Gemeinsam gedenkt man der Heimat.
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Version vom 31. März 2019, 14:37 Uhr


Darpatien, 1039, am Abend

Es war Abend im Lager der Koscher und so auch im Lager des Eichsteiners. Das Lager, das aus einem etwas größerem Zweimastspeichenradzelt und zwei Kegelzelten bestand, wirkte belebt, aber ruhig. Auf dem Platz zwischen den Zelten saßen die Reisige des Junkers in kleinen Gruppen am großen Tisch zusammen, unterhielten sich und gingen dabei noch Tätigkeiten nach wie zum Beispiel der Pflege der Waffen oder kleinere Ausbesserungsarbeiten. Die Tafel, an der man sich versammelte, war heute etwas größer, da sich für den Abend Gäste angekündigt hatten. Hadomar, der Page des Junkers, war gerade dabei, sie für den Abend vorzubereiten und Teller, Becher und Besteck für die Gäste zu verteilen, die natürlich nahe am Kopfende der Tafel beim Junker sitzen würden. Dann folgten sein Bannerträger und seine Schreiberin, gefolgt von den Waffenknechten und den Schützen, am Ende der Knecht, der die Gruppe begleitete. Währenddessen kümmerte sich Yeomar um den Kessel, der an einem Dreibein über dem Feuer hing und von dem aus ein leckerer Geruch ausging. Gerade schmeckte er ab, wobei ein Lächeln über sein Gesicht ging, er war zufrieden.
Die Base des Junkers, Nale von Boltansroden, und der Erbjunker Aeladir von Waldbachtal, der seit den Ereignissen in Angbar und danach zu einem guten Freund geworden war, hatten sich für den Abend angekündigt. Letzterer war heute zusammen mit den Nordmärkern angekommen. Baduar freute sich auf den gemeinsamen Abend, auch wenn die Rahmenbedingung des Zusammentreffens kein guter Anlass war. Doch Baduar und seine Getreuen hatten sich in den letzten Tagen und Wochen angewöhnt, den Mut nicht zu verlieren und gerade zu diesem ernsten Anlass, der ein Heerzug immer war, auch Freude und Spaß nicht zu kurz kommen zu lassen. Dies wurde nicht von jedem verstanden, doch war der Anlass ernst genug und wer wusste schon, was die Götter für sie bereithielten. So versuchten die Eichsteiner zumindest untereinander, sich gegenseitig aufzumuntern und keinen Raum zu lassen für Trübsal und Missstimmung. Dazu gehörte ein fester Tagesablauf und regelmäßige Übungen ebenso wie das gemeinsame Einnehmen der Mahlzeiten und die abendliche Runde, in der sie alle zusammen saßen, gemeinsam aßen, sich Geschichten erzählten, miteinander redeten und den Zusammenhalt genossen – denn war nicht dies ein Zeichen der Zivilisation unter dem Schutz der Zwölfe wider die Dämonenbuhlen und Borbaradanhänger im Osten?
Baduar hatte mitgekämpft bei der dritten Dämonenschlacht und für drei Jahre dem Haus Ehrenstein in Tobrien gedient und dabei manches gesehen und erlebt in den dunklen Landen, das ihm auch heute noch Albträume bescherte. Er hatte erlebt was es hieß, gegen Untote und Dämonen anzutreten und die Erinnerungen daran plagten ihn auch jetzt noch. Und er hatte sich schon damals geschworen, diesen Ausgeburten des Chaos und der Niederhöllen die Freude am Leben entgegenzusetzen, fest verankert im Glauben an die Zwölf.
Der Junker schüttelte kurz den Kopf, um die Erinnerungen und Gedanken zu vertreiben, die drohten, seine Stimmung zu verdüstern. Zurück im hier und jetzt fiel sein Blick auf die Tafel, die sein Page gerade eindeckte und er schüttelte leicht den Kopf. „Hadomar, schau dir bitte an, wie du das Besteck hingelegt hast. Fällt dir was auf?“, sprach er seinen Pagen mit ruhiger Stimme an. Selbiger blickte pflichtbewusst auf den Tisch: Er hatte die Teller ausgerichtet, die Becher… und dann fiel sein Blick auf das Besteck. „Oh“, sagte er nur und schaute zu Baduar rüber. Tätigkeiten wie diese lagen dem Jungen nicht unbedingt, er tat sich noch schwer mit seiner Rolle, in der er sich unterordnen und auch Aufgaben verrichten musste, für die er früher selber einen Diener hatte. Aber das wurde langsam und davon abgesehen gab der Junge nur wenig Anlass zur Klage. „Denk beim nächsten Mal gleich daran. Davon abgesehen hast du die Tafel gut vorbereitet“, erwiderte der Junker und lobte den Jungen. Heute Abend war es die Aufgabe von Hadomar, den Junker und eventuell auch seine Gäste bei Tisch zu bedienen, da Baduar Aedin für den Abend frei gegeben hatte. In gewisser Weise jedenfalls, denn auch wenn Aedin nicht am Tisch weilte, so erfüllte er doch eine Aufgabe seines Schwertvaters am heutigen Abend, die für Baduar nicht weniger wichtig war.
Davon wusste allerdings Aeladir von Waldbachtal nichts als er sich nun dem Lager des Junkers näherte. Im Vergleich zu seinem eigenen Lager nahm sich die Gruppe der Zelte, besonders das Zweimastige sehr großzügig aus und zeigte sehr deutlich unterschiedliche Haltung und Vermögen der beiden Adligen, die sich vor einigen Monden kennengelernt hatten. Der Windhager hielt kurz inne und dachte an die überraschend gefahrvolle Reise nach Eichstein und den dortigen Aufenthalt zurück, dann schritt er weiter in Richtung Tafel wo er bereits Baduar inmitten seiner Reisige ausgemacht hatte.
Aeladir hatte einzig Zeit darauf verwendet, sich den Bart zu schaben und zu waschen, ansonsten hatte er aber nur eine saubere und bequeme lichtgelbe Cotte übergestreift. Darüber trug er seinen gebürsteten Wappenrock und seinen schmucklosen Waffengurt mit Schwert und Dolch.
„Die Götter zum Gruße, Baduar von Eichstein!“, der Jüngere grinste den Koscher zur Begrüßung breit an und bot ihm den Schwertarm.
Als Baduar Aeladir auf das Lager zukommen sah, erhob er sich, um ihm entgegen zu gehen und ihn herzlich zu begrüßen. „Den Göttern zum Gruße – und Praios und Rondra voran. Schön, Euch zu sehen, Aeladir von Waldbachtal. Ich freue mich, das Ihr heute mein Gast sein könnt, auch wenn ich mich gefreut hätte, wenn wir uns in einem angenehmeren beziehungsweise fröhlicherem Rahmen wiedergesehen hätten als auf dem Heerzug“ antwortete der Koscher mit ehrlicher Herzlichkeit und erwiderte die Geste. Dann führte er Aeladir an die Tafel und bot ihm einen der freien Plätze am Kopfende an. „Setzt Euch doch, Nale wird sicher auch bald hier sein. Ihr habt sicher Durst?“ fragte er, nachdem sie sich setzten.
"Durchaus! Danke...", meinte Aeladir und ließ seinen Blick durch das Lager schweifen ehe er wieder Baduar anblickte: "...wie mir scheint, führt Ihr ein eigenes kleines Heer gegen Haffax?" Der Windhager überlegte, ob der Junker bereit war, die Mehrzahl seiner Männer und Frauen auf den Schlachtfeldern zu begraben.
Baduar blickte zu Hadomar, seinem Pagen und wollte ihm gerade ein Zeichen geben, als sich der Junge schon selbst in Bewegung setzte, um dem Windhager eine Maß mit Rohalssteger Hils zu holen, was Baduar ein zufriedenes Lächeln entlockte. Auf die Worte Aeladirs hin blickte Baduar mit ernstem Blick ebenfalls über sein Lager und seine Gefolgsleute, bevor er wieder zu Aeladir schaute und zu einer Antwort ansetzte. „Ist es nicht unsere Pflicht vor Praios und seinen göttlichen Geschwistern, unseren Teil beizutragen zum Kampf gegen den Reichsverräter Haffax? Ist es nicht unsere Pflicht, dem Ruf unserer Kaiserin zu folgen und dazu unser bestmöglichstes beizutragen? So jedenfalls verstehe ich meine Pflicht Praios gegenüber. Der Götterfürst hat uns an unsere Position gesetzt und uns damit den Auftrag gegeben, das Unsere zu tun und unsere Pflicht in dieser Position zu erfüllen. Ich danke den Göttern dafür, das sie meinen Vorfahren und mir bisher ein glückliches Händchen beim Verwalten unseres Landes gewährten und ich sehe es daher als meine Pflicht an, meinen Teil zum Gelingen des Heerzuges beizutragen, so wie ich kann. Wir müssen lenken, Aeladir, lenken und leiten, auch wenn wir dabei unliebsame, harte Entscheidungen treffen müssen. Diese Pflicht haben uns die Götter und allen voran Praios auferlegt im Gegenzug zu den Privilegien, die sie uns gaben. Ich habe einige Schlachten hinter mir, habe gute Männer und Frauen fallen sehen und mir selbst mehr körperliche und seelische Wunden dabei zugezogen, als mir lieb ist. Aber was wäre ich für ein Mensch, wenn mich das dazu bringen würde, meine Aufgaben nicht mehr zu erfüllen“, sagte er ernst, denn der Heerzug war für ihn zweifelsfrei eine ernste Angelegenheit, über die er keine Späße zu machen gedachte. Wer wusste schon, wer von seinem Gefolge überleben würde – oder ob er selbst auf dem Feld bleiben würde, den er nahm sich keinesfalls aus. Doch verstand er es als seine von den Göttern gegebene Pflicht, das Seine – und sei es auch nur ein winziger Teil im großen Ganzen – zum Gelingen beizutragen. Denn dafür hatten die Götter und Praios voran den Adel geschaffen – um zu lenken und das Nötige zu tun. Einen Augenblick hielt er noch ernst inne. Als Hadomar in diesem Augenblick den Maßkrug für Aeladir brachte, griff er selbst zu seinem und hob diesen an: „Trinken wir – auf gute Männer und Frauen und darauf, das die Zwölfe uns wohlgesonnen sein mögen bei unserem Unterfangen“.
Nale hatte die flammende Rede ihres Vetters mitangehört. Ja, das war Baduar!
Ganz leise hatte sie sich währenddessen der Tafel genährt, aber ihr Vetter hatte sie nicht bemerkt, hatte er sich doch zu Aeladir gewandt, um ihm seine Sicht der Dinge zu erkläre. Und auch wenn der Windhager ihm aufmerksam zugehört hatte, so glaubte sie, dass sich ihre Blicke für einen winzigen Augenblick getroffen hatten – und Nale hatte ihn zaghaft angelächelt.
Aeladir erhob freudig seinen Krug mit Hils und ergänzte langsam aber deutlich: „Auf die Toten und besonders das Leben...“. , Und in Gedanken fügte er hinzu, während er Nale herankommen sah: ‚...da uns der Tod doch gewiss ist...‘
„Ihr wolltet doch nicht etwa ohne mich anfangen?“, wollte sie von den beiden Junkern wissen und ihr Lächeln legte sich über ihr ganzes Gesicht. Fernando eilte davon und holte ihr einen Becher Bier.
„…unter keinen Umständen hätten wir unseren Gaumen mit dem guten Hils benetzt, nicht wahr, Baduar? Euer Vetter wollte mich nur den guten Duft der koscher Heimat riechen lassen“, entgegnete Aeladir und machte einen Schritt an Baduar vorbei, der sich erst umwenden musste. „Es freut mich Euch zu sehen Nale!“, er deutete eine Verbeugung vor der Junkerin an, wobei der Krug in seiner Hand die förmliche Begrüßung etwas absurd erscheinen ließ.
„Schön Euch wiederzusehen, Aeladir!“, hob Nale an und nickte ihm erfreut zu, weil sie sich nicht so recht sicher war, wie sie ihn sonst begrüßen sollte, „Wie ich hörte, seid Ihr gut in Gallys angekommen. Ich hoffe Eure Reise war nicht zu anstrengend und Ihr könnt Euch heute im Kreis von Freunden ein wenig erholen, Kraft schöpfen für das was da kommen wird, denn wer kann schon sagen, was der morgige Tag bringen wird?“
Dann wandte sie sich an Baduar: „Schön, dass ich wieder einmal dein Gast sein darf, werter Vetter. Im Kreis von Freunden ist dieses ganze Heerlager so viel erträglicher!“
Baduar beobachtete fröhlich die Begrüßung der beiden, dann wandte er sich direkt an Nale, als diese ihn ansprach. Mit einem Lächeln registrierte er, wie Fernando und Hadomar sich um die Bewirtung kümmerten. Die beiden Pagen verstanden sich gut – was auch daran liegen konnte, dass sie sich recht ähnlich waren, auch wenn Hadomar nicht so eine Plaudertasche war wie der Page seiner Base. „Die Freude ist ganz auf meiner Seite, freut es mich doch stets, angenehme Gesellschaft begrüßen und bewirten zu dürfen. Nun, nehmt doch Platz und lasst uns gemeinsam anstoßen“ erwiderte er und deutete auf die Bänke.
In diesem Augenblick kam Fernando zurück und brachte ihr einen Krug Bier. Mit einem scharfen Blick belegte sie ihren Pagen, ehe sie sich wieder an die beiden Junker wandte: „Trinken wir, so wie es mein werter Vetter sagte, auf gute Männer und Frauen und auf den Schutz der Zwölfe – mögen sie uns wohlgesonnen sein!“
„...so sei es“, fügte Aeladir halblaut an und nahm einen tiefen Schluck Bier bevor er sich nochmals kurz an Nale wandte: „Hat Euch mein Brief nun nach der langen Zeit doch noch erreicht?“
„Gewiss!“, versicherte sie ihm und nickte. Für einen Moment hätte man meinen können, dass ein leichter roter Schimmer über ihre Wangen huschte. Dann lachte sie, schüttelte ihren Kopf und erklärte: „Mich erreichte Euer Brief und Euch erreichten einige Details über meine Familie...“
Ungerührt erklärte der windhager Ritter: „Für mich zählen mehr die Menschen als die Familie...“.
Kurz hielt er inne und fuhr dann fort: „Aber das bringt mich zu den Geschenken für den Gastgeber und die Einladende.“ Kurz nickte er zuerst Baduar zu, dann Nale. „Ich hoffe Ihr verzeiht, da sie wenig üppig ausfallen...“. Aeladir nestelte zwei einfache Leinenbeutel vom Gürtel und überreichte jeweils einen Baduar und auch Nale: „...und ich Euch beide gleich behandle. In den Beuteln befinden sich die Blüten von Wiesentraumkraut, die ich mit meiner Base gepflückt habe und die sie als Dienerin der Alten Mutter gesegnet hat. Im Bad oder Eurem Waschwasser mögen sie Euch angenehme Träume senden und Alp vertreiben.“
Für einen Augenblick war Nale verunsichert, was man ihr deutlich ansehen konnte. Was hatte Fernando denn dem Windhager noch alles erzählt? Etwa auch von... ihren gelegentlichen Unzulänglichkeiten? Es wäre ihr wirklich sehr unangenehm, wenn er davon erführe. Sie mochte ihn und er sollte kein falsches Bild von ihr bekommen.
Aber würde Fernando wirklich solche höchst persönlichen Dinge ausplaudern? Nein, ganz klar nein. Natürliche war seine Zunge oft schneller als sein Verstand und so plauderte er auch einige persönliche Dinge aus, aber eben nur harmlose. Er war sehr darauf bedacht, dass niemand etwas Falsches über seine Pagenmutter dachte.
Also ein Zufall? Ja, schloss sie, es musste ein Zufall sein.
„Danke! Und auch wenn ich hoffe, es nicht so bald benötigen zu müssen, so wird es mir gewiss auf diesem Heerzug gute Dienste leisten“, Nale versuchte sich an einem Lächeln, „Und sorgt Euch nicht, Aeladir, unter Freunden wird der Wert eines Geschenkes nur durch die gute Absicht bestimme. Außerdem riecht es gut, nach Honig...“
Baduar beobachtete die kleine Unterhaltung zwischen dem Windhager und seiner Base und dachte sich seinen Teil. Beim Gedanken an den kleinen Almadaner musste er unwillkürlich lächeln und an die Worte seines Onkels denken, der den Kleinen schon bald nach seiner Ankunft auf Burg Rabenfels in sein Herz geschlossen hatte. Klar, er war ja auch regelmäßiger Nutznießer des Faktes, dass der Kleine bisweilen ein etwas vorschnelles Mitteilungsbedürfnis hatte. Aber – und das hatte auch Baduar schon bei den gelegentlichen Besuchen festgestellt – man musste Fernando zu Gute halten, das er längst nicht allem alles erzählte und auch keine böse Absicht dahinter steckte – dafür war Fernando viel zu loyal seiner Pagenmutter gegenüber.
Dann widmete er seine Aufmerksamkeit wieder seinen Gästen und dem Gastgeschenk, das Aeladir mitbrachte. Beim Anblick der Leinenbeutel in Verbindung mit den Worten des Windhagers zog ein fröhliches Lächeln auf sein Gesicht. Er neigte dankend das Haupt, als er das Geschenk aus den Händen Aeladirs entgegennahm, schloss die Augen und roch an dem wohlriechenden Beutel und stellte neben dem Honigduft der Blüten eine leichte Knoblauchnote fest, die wohl auch den Pflanzen entströmte. Dann öffnete er die Augen wieder und schaute Aeladir fest an: „Habt Dank, Freund. Euer Geschenk bereitet mir bei weitem mehr Freude als manches andere, da es von Herzen kommt. Und von Herzen kommt auch mein Dank dafür. Bei dem, dem wir entgegentreten, können wir dieses Kleinod des göttlichen Beistandes sicher gut brauchen. Richtet Eurer Base bitte ebenso meinen Dank und meine Grüße aus, sofern ihr mit ihr im Briefkontakt steht.“
„Ich werde es ihr gerne ausrichten, wenn ich zurück im Windhager Lager bin“, antwortete Aeladir leichthin und fuhr rasch fort: „Richild hat mich gebeten, Euch auszurichten, dass Ihr trotz des Segens nicht zu lange warten mögt, die empfindlichen Blüten zu verwenden.“
Als Baduar hörte, das Aeladirs Base im Lager weilte, reagierte er. „Wenn Eure Base ebenfalls im Lager weilt, dann würde ich mich freuen, sie kennenzulernen. Und wenn dem so ist, dann werde ich sehen, das ich dieses schöne Geschenk rechtzeitig seiner Bestimmung zuführe.“
Aeladir lächelte: „Ich will ihr gerne Eure Wünsche mitteilen, Baduar. Und ich bin mir sicher, dass sie dann bald bei Euch vorbeischauen wird.“
„Richtet Ihr auch von mir meinen aufrichtigen Dank aus“, schaltete sich nun Nale ein.
„Das werde ich“, Aeladir bedachte auch Nale mit einem warmen Lächeln.
Sorgfältig verstaute Baduar das Leinenbeutelchen in seiner Gürteltasche, dann wandte er sich an Aeladir. „Ihr wart lange unterwegs, wie war die Anreise?“, frage er neugierig, auch ein wenig Besorgnis schwang in der Stimme mit.
„Sehr eilig. Herzog Hagrobald hat sich große Mühe gegeben, unsere Kampfkraft durch Erschöpfung zu schmälern. Zu unserem Verdruss scheinen wir auch immer einige Tage nach den Koschern die garetischen Baronien durchquert zu haben, immer nachdem das beste Bier bereits geleert worden war“, er zwinkerte Baduar zu. „Aber Spaß beiseite, nur gut, dass hier nochmals einige Praiosläufe Ruhe auf die Frauen und Männer warten. Diese Rast mag den derzeitigen Nachteil durch den Ehrgeiz des Herzogs noch in einen Vorteil verwandeln.“
„Ein großes Wagnis, welches er dort eingeht“, kommentierte die Koscherin nickend, „Hoffen wir, dass er weiß was er tut und nicht nur, dass ihn der pure Ehrgeiz dazu antreibt.“ In ihrer Stimme lag allerdings ein gewisser Zweifel, aber was verstand sie schon davon? Sie war nur eine Junkerin und für Höheres fühlte sie sich nicht berufen, zumindest noch nicht.
„Er wird sich beweisen wollen. Ich glaube nicht, das es einfach für ihn sein wird, aus dem Schatten seines Großvaters herauszutreten. Der Heerzug ist eine Chance für ihn, sich selber einen Namen zu machen. Ich hoffe, das er sich bei allem Ehrgeiz nicht nur auf die ehrenwerten Attribute der Kriegsgöttin beruft, sondern ihm auch Praios und Hesinde gewogen seien und seine Gedanken und sein Tun leiten“ ergänzte Baduar an der Stelle.
„Ich denke beim Herzog geht Ehrgeiz und Heldenmut Hand in Hand, immerhin erzählt man sich, dass er einen rondragefälligen Wettstreit mit dem Prinzen Arlan von Löwenhaupt austrägt – und wie immer bei den Mächtigen wird das vermutlich über den Rücken der Vasallen geschehen: ob Adel oder Freier ist dabei einerlei...“, er hielt inne und besann sich trotz der vertraulichen Runde, immerhin wurde Nale von Fernando bedient und bei der Geschwätzigkeit des Pagen war es nicht ratsam, selbst in dieser Runde zuviel unbedachte Offenheit zu zeigen. Deshalb leitete Aeladir etwas holprig auf ein anderes Thema über und blickte von Baduar zu Nale: „Ist Euer Lager ebenso groß wie das Eures Vetters, Wohlgeboren?“
„Es ist bei weitem nicht so groß wie das hier“, erklärte sie und machte eine ausladende Geste, „Weswegen ich ein gemeinsames Treffen hier auch vorziehe. Aber mein Lager genügt meinen Ansprüchen, es ist dem Zweck dienlich. Schaut doch einfach mal bei mir vorbei, dann könnt Ihr Euch ein eigenes Bild machen.“
In der Gewissheit nun vom Regen in die Traufe gelangt zu sein, da er den Anschein erweckt haben musste, sich selbst einladen zu wollen, räusperte sich Aeladir: „Danke, ich komme gerne in den nächsten Praiosläufen darauf zurück.“ Tatsächlich war er gespannt, das zweckdienliche Lager der Junkerin zu sehen, da er gegenwärtig ihren Pagen zwar für dienlich aber ansonsten für überlebensunfähig hielt. Sein Blick löste sich von Nale, wiewohl er gerne auf ihrem Antlitz verweilte und streifte Fernando: „Wie war Euer Marsch?“
„Ach, da gab es einige Vorfälle“, hob sie an und nickte nachdenklich, „Sie betrafen uns mehr oder weniger, einige von ihnen waren schwerwiegender als andere, doch bisher haben wir alles gut überstanden oder durchgestanden und haben uns nicht hetzen lassen.“
„Vorfälle?“, der Windhager blickte nach den kryptischen Worten Nales direkt Baduar an.
„Naja, wir mussten ja sicherstellen, das wir unseren Ruf verteidigen und ja auch die geeignetsten Bierfässer dem Tross einverleiben. Nicht, das sich die Armeen der anderen Provinzen noch selbst mit gutem Bier eindecken, das würde unseren Trossmeistern und Marketendern nicht gefallen...“ hob Baduar grinsend an, dann wurde er aber wieder ernst.
Nachdem er Hadomar und auch Fernando zu Yeomar geschickt hatte, damit sie diesem beim Abschmecken des Albuminer Allerleis helfen konnten – und damit auch etwas außer Hörreichweite waren – fuhr er leiser fort. „Wenn ich auf die bisherige Reise zurückschaue, dann scheinen die Agenten unseres Gegners gute Arbeit zu verrichten. Vom Sammeln des Koscher Heeres in Steinbrücken über die Reise durch Garetien hierher – immer wieder gab es Zwischenfälle. In Steinbrücken gab es mitten in der Nacht einen Brand im Troßlager, außerdem waren einige der Koppeln geöffnet worden. Im Tross gab es zwischendurch Probleme mit verdorbenen Lebensmitteln und einige der Bierfässer wurden in einer Nacht zerschlagen – alles nicht schwerwiegend oder direkt lebensbedrohlich, aber für die Moral der Truppen äußerst schädlich. Sirala und Arbel haben eines Nachts einen vermeintlichen Saboteur erwischt, der sich bei den Pferden zu schaffen machte. Verstockt war der, nichts rauszuholen. Den Verhören hat er widerstanden und war stumm wie ein Fisch – entweder wählen die Stabsoffiziere von Haffax wirklich gute Leute für ihre Aufträge aus oder er hatte mehr Angst vor einem Verrat wie vor uns – und auch das würde schon Bände sprechen. Das einzige, was er von sich gab war die Bitte, vor seinem Tod mit einem Geweihten sprechen zu dürfen.
Wie ist es Euch denn ergangen, seid Ihr bisher verschont geblieben von solcherlei Zwischenfällen?“, fragte er Aeladir dann zurück.
„Ja, das sind wir wohl. Ein oder zwei windhager Waffenknechte sind verschwunden, aber die können auch desertiert sein, wir wissen es nicht. Vermutlich habt ihr Koscher den Weg freigemacht und alle Aufmerksamkeit auf euch gezogen, so dass Hagrobald mit seinen Nordmärkern und unser kleines Kontingent unbehelligt hindurch stoßen konnte…,“ er hielt kurz inne.
„Bei der Größe Eures Gefolges hat man Euch sicherlich zu Beratungen des Barons wenn nicht gar in den Stab geladen? Nimmt seine Hochgeboren Conrad ebenfalls teil? Ich hörte damals auf dem Grevensteig, dass ihm eine Hand fehlt und er stattdessen eine Eiserne führt. Er teilt ein ähnliches Schicksal wie die Tochter des Reichsvogts von Flachstein – bleibt zu hoffen, dass seine Hochgeboren umgänglicher ist.“
Baduar hielt einen Augenblick inne, er musste kurz nachdenken. Der Baron... Conrad Salfridjes von Rohalssteg hatte sich leider in den letzten Monden sehr rar gemacht, auch auf dem Heerzug war er jetzt nicht dabei. Aber was sollte man auch schon von einem Liebfelder im Kosch erwarten... „Seine Hochgeboren ist leider verhindert und kann am Heerzug anscheinend nicht teilnehmen... nach meiner Rückkehr, so die Götter mir diese gewähren, werde ich wohl mal in Rohalssteg vorbeischauen und dem Herrn Baron einen Besuch abstatten.
Statt des Barons bin ich also nicht nur für meine eigenen Gefolgsleute, sondern auch für die weiteren Waffentreuen der Baronie Rohalssteg verantwortlich. Leider glänzt der Baron schon seit längerer Zeit immer wieder durch Abwesenheit, Ich kann nur hoffen, dass das Haus Salzmarken nicht dahinter steckt. Zuzutrauen wäre es ihnen ja, so wie das Haus hinter der Baroniewürde in Rohalssteg her ist.“
Baduar hatte sich ein wenig in Rage geredet, denn sowohl der meist abwesende Baron als auch das Haus Salzmarken waren regelmäßig dazu geeignet, sein Blut in Wallung zu versetzen. Schnell jedoch beruhigte er sich wieder. Und wandte sich an Aeladir. „Habt ihr oft mit der Lehensherrin des heimischen Lehens oder ihrer Tochter zu tun?“
„Ihr meint meine Muhme Yofenia?“
„Wir schreiben uns hin und wieder... zwischen Tizamquell und Krummaich. Sie hatte mich tatsächlich Anfang 1038 nach Flachstein zurückgerufen, nachdem sie Kunde erhalten hatte, dass die Barone für den Rondramond durch den Markgrafen nach Harben bestellt waren. Dort war wohl damals der windhager Heerzug und seine Umsetzung besprochen und beschlossen worden...“, Aeladir brach ab, da er sich unsicher war, ob seine Ausführungen die Frage beantworteten.
„Eure Muhme hat, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, die Verwaltung über das Lehen Krummaich inne. Meine Frage bezog sich auf den Reichsvogt zu Flachstein beziehungsweise seine Tochter. Ich hatte für einen kurzen Augenblick den Faden verloren und mich daher etwas unglücklich ausgedrückt.“, antwortete Baduar.
„Ah, ich verstehe. Der Reichsvogt, dessen Name Euch entfallen ist, lautet Efferdan Wellenstein zu Flachstein. Und seine Tochter Thalya steht den Eisenhüten vor, einem Teil der Vogtsgarde des Reichslehens. Tatsächlich habe ich den Reichsvogt nur wenige Male gesehen seid meiner Ankunft im Alten Land, dafür begegne ich seiner Tochter häufiger“, die eigentümliche Betonung des letzten Wortes ließ einen gewissen Interpretationsspielraum was Aeladir von diesen Begegnungen hielt.
„Was heißt, ihr begegnet der Tochter des Reichsvogts von Flachstein häufiger? Das klingt ja gar fürchterlich?“, sie senkte ihre Stimme, „Stimmt etwas mit ihr nicht? Sie ist doch nicht etwa... hinter Euch her?“ Ein verschmitztes Lächeln legte sich über ihre Lippen.
Aeladir warf ihr einen tiefen Blick über seinen Krug hinweg zu und nahm einen Schluck Hils bevor er auf ihre unverblümte Andeutung antwortete: „Nein, nein glücklicherweise nicht. Es verhält sich nur so, dass die Burgvögtin ein schwieriges Naturell hat – gelinde ausgedrückt. Wir sind auf der Reise besonders im Rat von Sigman von Karrenstein häufig unterschiedlicher Meinung gewesen, wie Hund und Katze.“ Aeladir hätte nicht gedacht, dass die Junkerin zu solch direkter Frage fähig gewesen wäre. Eines Besseren belehrt, sah er rasch zu Baduar hinüber, was der Vetter von Nales Vorstoß wohl hielt.
Baduar grinste verschmitzt, als Nale Aeladir so direkt fragte. „Na, da hat sie ja Glück gehabt“ murmelte er leise und eher für sich selbst, während er kurz von Nale zu Aeladir und wieder zurück sah. Dann fuhr er, die Zwischenfrage ignorierend, fort.
„Ich kann mich noch daran erinnern, das Ihr bei unserer ersten Begegnung in Angbar davon spracht, das Ihr bis dato in Tobrien dientet aber helft mir kurz auf die Sprünge, bitte: seid Ihr dann 1038 heimgekehrt und ward bei dem Treffen auch zugegen oder steht Ihr noch im Dienst in Tobrien? Von dort in Eure Heimat ist es ja eine ganz ordentliche Distanz, da scheint Ihr ganz gut auf Reisen gewesen zu sein“ antwortete Baduar.
„Nein, ich selbst nahm nicht teil, aber ich hatte meiner Base das Versprechen gegeben, dereinst zurückzukehren und meine Dienste für den Baron von Tizamsquell ruhen derzeit.“
Baduar wollte gerade noch weiter darauf eingehen, als er von Yeomar ein Zeichen bekam: Das Essen war fertig. „Ihr müsst mir nachher noch ein wenig mehr dazu erzählen, doch momentan muss ich unsere Unterhaltung kurz unterbrechen, denn das Essen ist fertig. Es gibt heute Albuminer Allerlei und obwohl Yeomar eigentlich aus Weiden stammt, ist seine Zubereitung dieses typisch koscher Gerichtes doch ganz ordentlich und ich hoffe, es schmeckt allen“ sagte er, während Yeomar und die beiden Pagen begannen, das Essen aufzutragen.
„Traviadank für dieses Mahl und Eure Gesellschaft, Eure Wohlgeboren!“, Aeladir blickte von Barduar zu Nale und wieder zurück zum Junker.
„Es riecht vorzüglich!“, hob Nale nickend an und begab sich mit den anderen zu Tisch, dabei setzte sie sich zur Linken von Baduar. Währenddessen richtete sie nahezu beiläufig das Wort an den Windhager, nun da das Gespräch der beiden Junker untereinander vorerst ein Ende gefunden zu haben schien.
„Was heißt das, Eure Dienste bei dem Baron von Tizamsquell ruhen gerade? Tragt Ihr Euch etwa mit dem Gedanken wieder in seine Dienste zu treten?“, wollte sie ziemlich neugierig wissen: „Ich meine, meine Briefe brauchen ja jetzt schon eine halbe Ewigkeit zu Euch, außerdem ist das ja ganz schön weit weg von... Eurer Heimat!“
'Und vom Kosch', fügte Nale in Gedanken hinzu und irgendwie gefiel ihr der Gedanke so überhaupt nicht. Nachdenklich legte sie ihren Kopf von der einen auf die andere Seite.
„Es ist mir durchaus schwer gefallen, meinen Dienstherren Baron Falkward Leuvin von Trendelberg-Sturmfels zu Tizamsquell zu verlassen… und dem Ruf der alten Heimat zu folgen. Ihr müsst wissen, dass ich mit elf Sommern Krummaich verlassen habe und nie zurückgekehrt bin...“, er brach ab.
„Heimat ist also tatsächlich ein eher schwieriges Wort für mich und für Euch beide vermutlich sehr viel einfacher zu benennen.“
„Heimat“, Nale seufzte leise, „Heimat ist ein starkes Wort. Früher da dachte ich, dass Heimat untrennbar mit dem Ort meiner Geburt und meiner Kindheit verbunden ist, dies würde bedeuten, dass Heimat nur Burg Rabenfels und das zugehörige Lehen sein kann und das wider aller Umstände.“
Sie hielt einen Augenblick inne, ließ ihren Blick von Aeladir zu Baduar und dann wieder zurück wandern.
„Als ich meine Heimat verließ, war ich gerade einmal acht Götterläufe alt, sechzehn Götterläufe vergingen, bevor ich zurückkehrte. Doch gerade in dieser Zeit, vor allem jedoch in der Zeit nach meinem Ritterschlag habe ich gelernt, dass Heimat viel mehr als ein Ort ist. Natürlich ist es auch Burg Rabenfels, aber gerade durch meine Reisen, dadurch dass ich nie wusste, was morgen sein wird, wohin es mich verschlägt, habe ich gelernt, dass Heimat nicht nur ein Ort ist, sondern viel mehr ein Gefühl. Überall dort, wo ich von Menschen umgeben bin, die ich gerne habe, Menschen, die mir Geborgenheit, Wärme, Schutz und Liebe geben, überall dort kann Heimat sein. Ja, selbst auf diesem Heerzug halte ich das nicht für ausgeschlossen.“
Ihr Blick ruhte auf Aeladir, da der Windhager sie gedankenverloren angesehen hatte: dann legte sich ein warmes versonnenes Lächeln für einen kurzen Moment auf seine Züge bis Bewusstsein und Kontrolle wieder zurückkehrten.
Dann wandte sie sich an Baduar: „Du warst doch auch lange Zeit fern der Heimat, wie denkst du darüber?“
Baduar hielt bei dieser Frage einen Augenblick inne, bevor er zu einer Antwort ansetzte. „Ganz so einfach war es für mich nicht, Heimat zu definieren, zumindest früher nicht. Als zweites Kind einer Adelsfamilie wusste ich tatsächlich lange Zeit nicht, wo meine Heimat einmal liegen würde. Mein vorgezeichneter Weg schien es zu sein, als dienender Ritter meinen Lebensunterhalt zu verdienen und dort zu leben, wohin es mich und meinen jeweiligen Dienstherren verschlug. Mit acht Jahren trat ich die Ausbildung zum Pagen an und verließ das elterliche Haus, dann kam ich mit vierzehn zur Knappenausbildung nach Albernia. Nachdem ich dort meine Schwertleite empfing, war ich lange als dienender Ritter für unterschiedliche Herrn tätig. So führten mich meine Wege nach Tobrien an den Hof Ehrenstein, ebenso diente ich dem Haus Eberstamm und schließlich dem Haus Gareth als Teil des reisenden Kaiserhofs. Heimat war für mich lange Zeit ein sehr inhaltsleeres Wort ohne eine richtige Bedeutung. Natürlich freute ich mich, immer wieder einmal meine Familie im Kosch zu besuchen, aber eine richtige Heimat hatte ich lange Zeit nicht und durch meine Aufgaben für andere Dienstherren war ich auch nur sporadisch zu Besuch bei meiner Familie. Ich definierte Heimat damals eher danach, ob ich mich an einem Ort wohlfühlte oder nicht, aber das war weniger eine räumliche Definition. Durch den Tod meines Bruders Alerich im Zuge des Kampfes gegen den Alagrimm änderte sich daran noch nicht viel, auch wenn ich zu der Zeit wusste, dass ich nun eines Tages die Verantwortung für das Familienlehen übernehmen müsste. Damals, 1027, wirkte dies so fern, dass ich mir nicht viele Gedanken machte. Dass das Verhältnis zu meinem Vater über lange Jahre hinweg eher als unterkühlt zu bezeichnen ist, hat sicher auch seinen Teil dazu beigetragen. Ich war eher rastlos, am ehesten war wohl der reisende Kaiserhof das, was ich damals mit dem Begriff Heimat verbunden hätte. Daran änderte auch nichts, als ich meine Frau kennenlernte und wir schließlich heirateten. Auch sie war zur damaligen Zeit sehr eingebunden in Pflichten und Aufgaben und so waren wir beide viel auf Reisen, doch wir kannten es nicht anders. Doch dies alles änderte sich im Peraine 1037, als mein Vater erneut erkrankte und ihm die Heiler dieses Mal kaum Hoffnung machen konnten. Ich war rechtzeitig wieder auf der heimischen Burg, um mich noch einmal mit meinem Vater aussprechen zu können, bevor er verstarb und ich mein Erbe antreten musste. Seitdem ist Heimat wieder die Wasserburg Eichstein, mit einem Mal änderte sich mein Verständnis und die Bedeutung von Heimat für mich und auch für meine Frau, da wir dort nun sesshaft sind. Und auch wenn uns Aufgaben immer noch in die Ferne treiben, haben wir jetzt einen gemeinsamen Ort, zu dem wir beide zurückkehren. In gewisser Weise hat sich dieser Begriff also erst mit meiner Aufgabe als Junker zu Rahilja mit Inhalt gefüllt und am Anfang war das eine ziemliche Umgewöhnung. Diese aber hat uns beiden gut getan“, antwortete der Junker mit einem für ihn ungewohntem ernsten Ton und blickte dabei abwesend in die Ferne.
„Wie es scheint, haben wir einiges gemeinsam in diesem Punkt – auch wenn ich glaube, dass jeder von Euch,“ er blickte von Baduar zu Nale, „seine Heimat bereits gefunden hat.“
„Das heißt Ihr sucht noch“, sie hielt einen Moment inne, einen sehr langen Moment und musterte den Waldbachtaler mit einem durchdringenden, aber dennoch weichem Blick, „nach Eurer Heimat?“
„So ist es... Ich halte es wie Ihr eher mit den Menschen und es sind nicht viele die meine Liebe ernten. Meine Waffenmagd Thyria, meine Base Richild und Eckbart von Hirschingen gehören dazu“, schloss Aeladir.
„Hm“, machte Nale nachdenklich und nickte, „Also wenn ich Euch recht verstehe, dann solltet Ihr mit Eurer Waffenmagd in das Lehen Eurer Vorfahren zurückkehren, Eure Base in unmittelbarer Nähe und, da Euer Schwertvater gewiss unabkömmlich ist, ehelicht Ihr am besten eine Koscherin. Damit habt Ihr alles um Euch herum, was Ihr soeben als Heimat bezeichnet habt und ich bin mir sicher, dass es im Kosch gewiss eine Adelige gibt, die Euch zusagt und die gerne bereit ist ihre Heimat für Euch zu verlassen...“. Ein vielsagendes Lächeln legte sich über ihre Lippen.
Aeladir lachte offen: „Ja, da habt Ihr es ganz gut getroffen, außer das dieser Ort nicht unbedingt Krummaich sein muss… und was eine Koscher Adlige anbelangt, da sind tatsächlich einige auf den Feierlichkeiten in Angbar gewesen, die ich nicht verachten würde,“ neckte er sie.
Eine koscher Adelige? Wie viele Adelige, noch dazu ungebundene koscher Adelige, waren denn in Angbar gewesen? Sie kannte solche, aber sie konnte sich beim besten Willen nicht daran erinnern, dass eine von ihnen dort gewesen war. Relativ irritiert legte sie langsam ihren Kopf von der einen zur anderen Seite.
„Aber ich bin mir sicher, dass diese Hohen Damen die Größe ihres Opfers nicht richtig einschätzen können: Krummaich ist ein isoliertes Lehen, die Hohe Halle verfallen, meine Familie verfemt und meine Waffenmagd schweigsam - wie ihr wisst. Welche Frau würde wohl ihre Heimat in den lieblichen Koscher Landen und die Aussicht auf eine gute garetische Partie aufgeben, um sich meiner Liebe zu versichern? Ihre Liebe müsste sie schon mit Blindheit schlagen, wenn sie all diese Dinge außer Acht lässt. Zudem gibt es stattlichere und ansehnlichere Männer als mich… Ihr seht Nale, seid Euch nicht zu sicher, denn wir darum wetten würden, hättet ihr noch das Nachsehen...“.
„Meine Güte!“, entfuhr es der Junkerin regelrecht schockiert, „Ihr habt aber keine hohe Meinung von den Damen. Seid Euch bewusst, dass Ihr da auch über koscher Damen in unmittelbarer Anwesenheit von zwei Koschern sprecht.“
Sie hielt einen Moment inne.
„Eine von jenen hohen Damen muss Euch ja übel mitgespielt haben!“, sie schüttelte ganz langsam ihren Kopf, „Und es scheint mir, dass Ihr Eure Position als Adeliger sehr wohl unterschätzt.“
„Das ist glücklicherweise nicht der Fall, da es bislang keine hohen Damen aus welchen Landen auch immer in meinem Leben gegeben hat, Euer Wohlgeboren. Deshalb kann ich meine Position und meinen Stellenwert sehr gut einschätzen – ich sehe die Dinge eher realistisch und deshalb habe ich auch keine schlechte Meinung von den Damen. Aber sagt selbst, würdet Ihr Euch als ungebundene Koscherin von großem Liebreiz, starkem Willen und einer Vorstellung von Heimat an einen Heckenritter aus dem Windhag binden und Euch dort im Alten Land niederlassen?“
Nale war verwirrt. Warum fragte der Waldbachtaler ausgerechnet sie? Was hatte sie denn mit seinen Heiratsplänen zu tun? Und warum sollte sie ihre Heimat verlassen? Sie hatte im Kosch ein Lehen und damit Verantwortung. Hilfesuchend und mit einem Blick voller Unverständnis wandte sie sich an ihren Vetter.
„Ähm... Baduar?“, hob sie geradezu flehentlich an, „Wie war das denn damals bei dir und Aldare?“
Baduar schaute leicht amüsiert den beiden zu und feixte innerlich. Seine Base hat fürwahr ein Talent dazu, anderen Männern den Kopf zu verdrehen und mit ihnen Süßholz zu raspeln, ohne dies wahrzunehmen, wodurch sie sich immer wieder in Situationen brachte, die für ein gewisses … Unterhaltungspotential sorgten. Für einen Augenblick hielt Baduar inne, als sich seine Base schon fast flehentlich an ihn wandte. Würde er ihr den Gefallen tun? „Oh, das war fürwahr nicht einfach damals. Aldare stammt aus einem wohlhabenden Haus aus der Coverna und ich musste mich ordentlich ins Zeug legen um ihren Vater davon zu überzeugen, das ein Koscher das Herz am rechten Fleck und überdies auch noch genug Land und Vermögen hat, um eine gute Partie zu sein für sein drittgeborenes Kind. Ein ganzes Jahr lang habe ich geworben und ihren Vater überzeugen müssen, bis er schließlich seine Einwilligung gab. Und jeder Tag hat sich fürwahr gelohnt – auch wenn ich mir bei den Lehen, die sie dort im Horasreich ihr eigen nennen, ganz klein vorgekommen bin. Und damals hatte ich noch nicht einmal ein Lehen, sondern nur den Ausblick, dieses eines Tages einmal zu erben...“ Er hielt einen Augenblick in Gedanken versunken inne, dann fuhr er fort, wobei er Aeladir ansah: „Es lohnt sich eben, für seine Wünsche und Vorstellungen einzustehen, auch wenn man denkt, das man keine Chance hat oder nicht gut genug ist. Oft zählt das Wort und der Wille deutlich mehr als Land und Macht.“ Einen Augenblick hielt er danach inne und schaute Aeladir weiterhin an, dann wandte er sich Nale zu: „Aber ich habe den Eindruck, so ganz beantwortet das die Frage noch nicht, die Aeladir Dir gestellt hat, werte Base, oder?“ endete er mit einem Verweis auf die noch unbeantwortete Frage des Erbjunkers, die Nale noch nicht beantwortet hatte und blickte seine Base dabei mit einem unschuldigen Blick an.
Einen Moment lang schien es nicht danach auszusehen, dass die Junkerin überhaupt auch nur daran dachte, zu antworten. Mit einem etwas finsterem Blick schaute sie lediglich ihren Vetter an, warum hatte er auch die Frage wieder aufbringen müssen?
„In meinem Haus strebt man nicht nach Höherem“, sie wandte ihren Blick zu Aeladir und jegliche Argwohn verschwand daraus augenblicklich, „Land und Macht ist nicht wichtig, doch Tugendhaftigkeit ist es, vor allem Demut. Und so leisten wir uns es seit jeher aus Liebe zu heiraten und nur aus Liebe allein. Und wenn man liebt, wirklich aufrichtig und wahrhaft liebt, warum sollte man da denn nicht seine Heimat verlassen? Warum sollte man dann, wenn man kein Lehen zu führen hat, nicht der Liebe wegen fort gehen?"
„Ihr stammt aus einem einzigartigen Haus, Wohlgeboren, denn nie hörte ich Vergleichbares von anderen Geschlechtern im Ränkespiel des Adels“, schloss Aeladir sanft. Ihm war der wütende Blick Nales für Baduar nicht entgangen und er wollte diesen Abend nicht mit Angelegenheiten belasten, die er nicht lösen konnte.
Deshalb beschloss er – wenn auch wenig subtil – das Thema zu wechseln: „Da wir gerade von Tugendhaftigkeit gesprochen haben, soll ich dem Bruder Eurer Schwertmutter Grüße bestellen? Ich habe von Sigman erfahren, dass Nacla im albernischen Heerbann reist.“
Nale starrte einige Augenblick lang Aeladir verwirrt an. Wie konnte er es nur wagen das Thema zu wechseln? Und dann gab er sich noch nicht einmal mit der Überleitung Mühe! Erst fragte er sie aus und nun nahm er ihr auch noch die Gelegenheit das gleich zu tun. Was dachte er eigentlich von ihr? Außerdem, was hatte das mit Tugendhaftigkeit zu tun? Doch dann besann sie sich - das musste sie nun wirklich nicht vor Baduar klären und trotzdem hatte sie nicht vor, ihn einfach so davonkommen zu lassen.
„Ja, richtet dem Bruder meiner Schwertmutter von mir die herzlichsten Grüße aus. Und da Ihr gerade von ihm sprecht, vielleicht sollte ich einfach mal bei ihm vorbeischauen. Ach was, wisst Ihr - da wir es gerade von Tugendhaftigkeit oder viel mehr dem Mangel derselbigen haben - ich lade mich einfach gleich auch bei Euch ein, so wie Ihr es bei mir getan habt“, foppte sie den Windhager mit einem Lächeln auf den Lippen und einem merkwürdigen Glanz in ihren Augen.
„Mein bescheidenes Lager wird Euch zur Verfügung stehen“, antwortete Aeladir schicksalsergeben, zeigte aber ebenfalls ein Lächeln. Der Windhager schloss Baduar mit einer sparsamen Handbewegung bei Tische mit ein, überließ es aber dem Vetter Nales zu interpretieren, wie weit die Einladung gefasst war. Als Entscheidungshilfe setzte er hinzu: „Falls Ihr nichts dagegen habt, werte Nale, werde ich meine Base Richild sodann ebenfalls einladen, da Baduar sie kennenlernen möchte…“
Nale konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Dass der Windhager sich da aber auch so verfänglich ausdrücken hatte müssen!
„Kommst Du mit?“, wandte sie sich an ihren Vetter, „Damit Du die Base unseres Gastes kennenlernen kannst?“
Baduar, der während der Unterhaltung bereits seinen Eintopf genoss und gerade seinen Löffel zum Mund führte, hielt inne und schaute Aeladir und Nale unbeteiligt an. „Nur, wenn es nicht zu viele Umstände macht. Vielleicht habt Ihr aber auch … Dinge zu bereden, bei denen weitere Zuhörer nur stören würden...“, fuhr er fort, lies den Satz aber offen und schaute kurz in Richtung Aeladir und Nale. Dann widmete er sich wieder seinem Eintopf, als ob nichts geschehen wäre. Das Grinsen, das sich auf sein Gesicht stehlen wollte, unterdrückte er, auch wenn es ihn einiges an Mühe kostete.
Verwirrt schaute sie Baduar an. Dieser bemühte sich redlich, dauerhaft mit Essen beschäftigt zu sein und so weiteren Fragen aus dem Weg zu gehen. Nale konnte deutlich erkennen, dass sich immer wieder Ansätze eines Grinsens auf seinem Gesicht breit zu machen versuchten, doch ihr Vetter hatte sich einfach zu gut unter Kontrolle. Ein wenig verunsichert, wovon da Baduar jetzt genau gesprochen haben mochte, versuchte sie sich an einem Lächeln und wandte sich zu Aeladir, schlug aber eilig und züchtig ihren Blick nieder, wobei sich ein rötlicher Schimmer auf ihren Wangen ausbreitete, und versuchte sich ihrem Essen zu widmen.
Bemüht seine Belustigung darüber zu unterdrücken, dass es Baduar mit dieser verbalen Parade gelungen war, Nale zum Schweigen und Erröten zu bringen, beantwortete Aeladir die Frage seines Freundes: „Es wird keinerlei Umstände machen, und ich bin mir sicher, dass meine Base erfreut ist, Euer beider Bekanntschaft zu machen. Alle ...Dinge“, griff er Baduars Formulierung auf, „...die ich mit ihrer Wohlgeboren Nale zu bereden hätte, können wir sicherlich klären, wenn ich ihrer Einladung zum Besuch nachkomme.“ Dann wechselte er das Thema: „Die Grüße übrigens, an Sigman von Karrenstein, werde ich gerne überbringen, Euer wackerer Page hat ja Sigman heute bereits kennen gelernt.“
'Wacker', dachte Nale und tauchte den Löffel in die Schale des Eintopfes vor sich, 'was war das für ein seltsames Wort?' Und was wollte der Windhager eigentlich damit sagen? Aber sie wusste ja, dass es genug gab, die nicht verstanden, warum sie den Knaben geradezu mütterlich beschützte... Und sie machte sich ja oft genug selbst Vorwürfe und dennoch glaubte sie, dass es der richtige Weg war – für ihn und für sich selbst. Warum sollte sie auch zwanghaft versuchen, aus sich etwas zu machen, was sie nicht war?
„Ja, er hat mir gesagt, dass er Euch und den Bruder meiner Schwertmutter angetroffen hat“, erwiderte sie Aeladir, ließ ihr Essen Essen sein und rieb sich mit ihren Handfläche die Röte aus ihrem Gesicht oder versuchte es zumindest, „und das Ganze während einer Unterredung...“
„Das ist richtig. Er kam bei einer Nachbesprechung im engeren Kreis hinzu: nun nachdem sich der Zug der Streiter des Alten Landes, die den nordmärkischen Heerzug begleitet haben, wieder mit dem windhager Kontingent unter Markgraf Cusimo vereinen, gab es für seine Wohlgeboren von Karrenstein einiges zu klären, denn morgen soll eine größere Beratung der Windhager stattfinden“, erläuterte Aeladir sparsam.
„Hm“, machte sie erst und nickte, dann nahm sie einen Löffel des Eintopfes und noch während sie ihn sich in den Mund schob, wurden ihr da die Worte des Windhagers bewusst. Eilige schluckte sie das viel zu heiße Essen hinunter. Er hatte sich doch bei ihr quasi selbst eingeladen! Nicht dass sie etwas dagegen gehabt hätte, aber...
„Also gut, dann erwarte ich Euren Besuch - auf das Ihr mit mir all die... Dinge klären könntet, die Ihr in Anwesenheit meines werten Vetters niemals anzusprechen wagtet.“, griff sie noch kurz das zuvor gesagt auf und ihre Worte allein zeigten sehr deutlich, dass sie sich nicht vorstellen konnte, was das für Dinge sein sollten.
„Ich glaube, das war eine Vermutung Eures werten Vetters, Wohlgeboren. Ich meine diese Dinge, die es zwischen uns zu klären galt“, erläuterte Aeladir nochmals ungerührt. „Da Ihr aber die Einladung ausgesprochen habt – wann würde es Euch in den nächsten Praiosläufen passen? Ich bin mir sicher, Euer Tag ist geschäftiger als der meine.“
Baduar lauschte den beiden sehr interessiert, während er sein Albuminer Allerlei genoss. Immer wieder musterte er die beiden zwischen einzelnen Bissen. Nachdem seine beiden Gesprächspartner fleißig um den heißen Brei herumredeten, schmunzelte er innerlich über das Schauspiel, das sich ihm bot. „Das hört sich ja so an, als ob diese Dinge nun schon geklärt seien, wenn Ihr in der Vergangenheit von Ihnen sprecht, werter Aeladir. Seid Ihr Euch denn da schon sicher? Für mich hörte sich das so an, als ob da noch einige dieser … Dinge, die man besser unter vier Augen bespricht oder für deren Klärung man lieber unter sich ist, offen wären, aber ich kann mich täuschen...“, warf er dann kurz ein, während er unbeteiligt schaute und gleich wieder einen weiteren Löffel seines Eintopfs zu sich nahm.
Ein wenig verwirrt blickte Nale von Baduar zu Aeladir und dann wieder zu Baduar. Schließlich zuckte sie mit den Achseln – so langsam kapitulierte sie einfach was den Inhalt des Gespräches anging. Was für Dinge sollten das denn sein? Aber gut, dachte sie, wenn ihr spielen wollt, dann spielen wir eben.
„Was auch immer es sein mag – es ist gewiss nicht für Deine Ohren bestimmt, werter Vetter!“, erwiderte sie mit einem Lächeln auf den Lippen und nickte Baduar zu.
Dann wandte sie sich an Aeladir: „Um auf Eure Frage zurückzukommen. Ich glaube nicht, dass mein Tag geschäftiger ist als der Eure und bis jetzt bin ich lediglich am morgigen Abend beim werten Baron zu Hlûthars Wacht zum gemeinsamen Abendmahl eingeladen...“.
„Meine Glückwünsche, Euer Wohlgeboren - eine so rasche Einladung durch den Baron nach unserer heutigen Ankunft ist durchaus eine Auszeichnung...“, meinte Aeladir erstaunt und fügte dann hinzu: „...so wie auch meine Einladung hierher.“ Er blickte dankbar von Nale zu Baduar und senkte kurz das Haupt, bevor er wieder zu Nale sah: „Mir war nicht bewusst, dass ihr eine gute Bekanntschaft mit dem Baron pflegt, Euer Wohlgeboren?“
Nale lachte und erklärte kopfschüttelnd: „Es wäre nun wirklich zu viel zu behaupten, ich würde mit dem Baron eine gute Bekanntschaft pflegen. Allerdings ist er ein durchaus gebildeter Mann und sein Interesse gilt allein dem, was sich in meinen Wäldern verbirgt.“
Baduar hatte schon eine Erwiderung auf den Lippen, die ihm zu dem Hlûtharswachter und den Worten seiner Base einfielen. Er dachte an all die Gerüchte und Geschichten, die er über den Baron gehört hatte, seine fragwürdigen Einstellungen gegenüber dem weiblichen Geschlecht, den diversen … Abenteuern und Erzählungen. Doch hielt er inne als er merkte, das Aeladir bereits zu einer Antwort ansetzte und war insgeheim recht froh darüber, dass es ihm nun erspart blieb, diese doch eher unfreundlichen Wörter über den hinterkoscher Baron nicht aussprechen zu müssen.
„Ich bedauere, dass sich sein Interesse eher auf die Geheimnisse Eures Lehens bezieht, als auf Eure Person...“, überlegte Aeladir und versuchte dahinter zu kommen, wie die Aussage über die Bildung des Barons ins Bild passte – waren Hesindes Gaben ein Grund, über mangelnde Vertrautheit hinweg zu sehen?
Während er über eine mögliche Antwort nachsann, legte er satt und zufrieden seinen Löffel zur Seite.
Danach jedoch griff er die Aussage seines Freundes dankend auf. „Ich bin mir nicht sicher, ob das bedauernswert oder eher glücklich zu nennen ist“, antwortete er ruhig und bedacht. Dann erinnerte er sich an seine Pflichten als Gastgeber: „Darf ich Euch noch etwas anbieten, Aeladir?“
„Sehr gerne, Euer Wohlgeboren… es schmeckt sehr gut und ist eine hochwillkommene Abwechslung zum kargen Essen auf dem langen Marsch...“
Mittlerweile hatte Nale nahezu vollständig den Faden des Gespräches verloren und dennoch war ihr Baduars Ablenkungsversuch sehr wohl aufgefallen, er war ja auch ziemlich plump gewesen. „Mit wem ich mich treffe, werter Vetter, ist allein meine Sache!“, sah sie sich verpflichtet hinzuzufügen und das obwohl sie nicht so recht wusste, ob es dazu passte. Warum glaubte eigentlich jeder, dass er sich in ihre Angelegenheiten einzumischen hatte?
Nun wandte sie sich an den Windhager: „Um auf Eure Frage zurückzukommen, Aeladir. Ihr seid jederzeit willkommen - so lange ihr mich nicht bei meinen Gebeten stört. Lasst es mich einfach rechtzeitig wissen oder... solltet Ihr Euch gar bereits Gedanken darüber gemacht haben?“
Aeladir hatte während ihrer scharfen Rede gegen Baduar innegehalten, gerade als der seine Schale eigenhändig gefüllt hatte. Nun schob er sie langsam zu sich heran und antwortete bedächtig: „Nun gegenwärtig habe ich mir nur dahingehend Gedanken gemacht, dass der morgige Praioslauf kaum für ein Treffen in Frage kommt, da ihr bereits beschäftigt seid und ich noch nicht abschätzen kann, ob meine Anwesenheit bei der Besprechung morgen benötigt wird. Ich schlage also vor, dass ich Euch übermorgen besuche, dann bleibt mir noch genügend Zeit, um meine Einladung einzulösen.“
„So soll es sein. Ich werde Euch um die zweite Hesindestunde zum gemeinsamen Abendmahl erwarten, sofern Euch dies recht ist?“, wollte sie wissen und schien zufrieden, „Gehe ich recht in der Annahme, dass Ihr allein kommen werdet?“
„So ist es, dann können wir die Dinge, die zwischen uns stehen, klären, damit es zukünftig keine Unsicherheiten oder Missverständnisse gibt. Außerdem könnt Ihr sicherlich einige spannende Neuigkeiten vom Baron mitteilen, Euer Wohlgeboren!“, fügte Aeladir hinzu und versuchte durchaus erfolgreich ernst zu bleiben.
„Aber nur die... spannenden Neuigkeiten“, lächelte Nale verschmitzt, „Immerhin wollen wir uns ja nicht mit Belanglosigkeiten aufhalten, sondern uns um die wirklich wichtigen Dinge kümmern, um die Dinge, die... zwischen uns stehen, nicht wahr? Ich erinnere mich da an eine... Unachtsamkeit Eurerseits, deren genauen Hintergrund ich nur zu gerne kennen würde...“
„Ich denke in zwei Praiosläufen wird sich Gelegenheit ergeben, alles was zwischen uns steht, auszuräumen und Unachtsamkeiten aufzuklären, derer ich mich schuldig gemacht habe“, nickte Aeladir und nahm noch einen großen Schluck Hils, um seine Irritation über ihre Anspielung von ihr fortzuspülen.
Baduar hörte den beiden interessiert zu. Innerlich schmunzelte er, während sich die beiden Turteltauben hier umlagerten und fleißig um den heißen Brei herumredeten. Wieder einmal fragte er sich, ob seine Base das als eine Art Spiel betrieb, wusste allerdings aus der Vergangenheit auch, dass sie in Dingen, die die Liebe und Zuneigung betrafen, bisweilen recht massiv darauf hingewiesen wurde, was sich vor ihrer Nase abspielte… Allerdings immer noch besser, als sich gleich dem erstbesten oder hinterletztem an den Hals zu werfen – oder sich auf Personen mit fragwürdigen Interessen einzulassen. Zumindest in dem Fall war er ganz froh darüber, dass Nale so war wie sie war. Das würde die Hürden, dass der Hinterkoscher, an den Baduar dachte, Teil der Verwandtschaft werden würde, ziemlich hoch legen. Hoffte er zumindest. Wenn dann doch nur … geeignetere Kandidaten … aktiver werden würden…
„Na, dann ist das ja geklärt. Meine werte Base, die ihre Angelegenheiten natürlich sehr wohl und sehr gut alleine regelt, wird morgen dem Hinterkoscher einen Besuch abstatten und am Tag darauf dann hoffentlich einen schönen Abend haben, an dem Ihr, werter Aeladir und Du, werte Base, über all das reden könnt, über was ihr so reden müsst. Scheint ja doch den einen oder anderen Punkt zu geben. Die abenteuerlichen Geschichten des Barons sind da sicherlich geeignet für eine gar treffliche Abendunterhaltung… ach nein, Ihr spracht ja von spannenden Neuigkeiten, mein Versehen. Nale, noch etwas Albuminer Allerlei?“ warf er ein, wobei er keinen der beiden im Besonderen ansprach und zum Schluss – wie vorher auch schon bei Aeladir – auf die Schale seiner Base deutete und dabei eine Miene an den Tag legte wie die Unschuld selbst.
„Ähm...“, machte Nale da ein wenig verunsichert und schaute dann auf ihren noch nicht aufgegessenen kläglichen Rest des Eintopf, „Später vielleicht, aber lass mich doch erst einmal... zu Ende essen.“
Dann aß sie und sah dabei aus, als würde das ihre ganze Konzentration erfordern. Wie nett Aeladir ausgesehen hatte, als er von seiner Unachtsamkeit gesprochen hatte. Nachdem sie den letzten Löffel gegessen hatte und ihre Schale aussah, als hätte sich niemals Essen darin befunden, legte sie satt und einigermaßen zufrieden ihren Löffel beiseite.
„Ihr solltet, wenn Ihr mich besucht, auch ein bisschen mehr Zeit mitbringen, denn beim Essen wird bei mir nicht gesprochen“, erklärte sie Aeladir, da sie es für das Beste hielt, ihn zumindest ein bisschen über ihre Gepflogenheiten aufzuklären, „Bei mir laufen vielerlei Dinge ein bisschen anders ab, als bei den meisten anderen...“
„Glücklicherweise tut Ihr Euch nicht schwer damit, als Gast Eure Tugenden hinten anzustellen, so war uns doch ein längeres Gespräch bei Tisch vergönnt“, stellte der Ritter nüchtern fest und versuchte seine düsteren Befürchtungen für das gemeinsame Treffen und seine eigene Einladung nicht deutlich werden zu lassen.
Erneut musterte Baduar die beiden und lächelte innerlich. „Bisweilen ist das ja für den Koch ganz löblich, wenn das Tischvolk sich schweigend dem Essen widmet, bedeutet dies doch, das es allen mundet und sie fleißig mit der Nahrungsaufnahme beschäftigt sind. Insofern hoffe ich, das unsere angeregte Unterhaltung Yeomar keinen Grund zur Sorge geben sollte und ihr euch sowohl gut unterhalten als auch gut gestärkt habt. Mir war es ein Fest und wir können dies gerne wiederholen, wenn ihr möchtet.“
Danach wurden noch ein paar Worte gewechselt, doch wurde es auch langsam spät und schließlich verabschiedete Baduar seine beiden Gäste freundlich und erneuerte die Einladung, das gemeinsame Mahl bei nächster Gelegenheit gerne zu wiederholen.
Als sich seine Gäste dann auf den Weg machten, schaute er ihnen noch einige Zeit nach und schüttelte leicht den Kopf. Zu Yeobdan, der in dem Augenblick neben ihn trat, meinte er leise: „Wann meine Base wohl merken wird, was sie da mit den Männern macht… Ich hoffe nur, dass sie sich morgen nicht von dem Hlûtharswachter einwickeln lässt. Der scheint ziemlich genau zu wissen, was er will, er kommt mir wie ein wahrer Jäger und Sammler vor“ Yeobdan überlegte einen Augenblick, bevor er antworte. „Ja, man hört so einiges über den Hinterkoscher – und fast nie ist etwas Gutes dabei. Hesinde mag ihn reichlich mit ihren Gaben gesegnet haben, aber wie er diese Gaben einsetzt…“ Da hast du wohl recht, alter Gefährte. Wobei man ihm eines lassen muss: Wenn der was haben will, dann fackelt er nicht lange, ganz im Gegensatz zu anderen.“ „Ja, eine Schande. Da knistert und funkt es, als ob einer einen ordentlichen Packen Zunder aufs Feuer geschüttet hätte – aber dann...“
„Fürwahr. Dabei würden die beiden sicher ein gutes Paar abgeben. Beide sind eher bescheiden und bodenständig. Und die paar Meilen zwischen dem Kosch und dem Windhag...wo ein Wille ist, ist auch ein schnelles Pferd. Aber nun, man kann die beiden nicht zu ihrem Glück zwingen. Bringst du uns noch zwei Hils?“ schloss Baduar schließlich und ging zurück zum Tisch, an dem auch die anderen seiner Getreuen saßen.