Drifter Fehde - Der Sprung der Kröte

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Pahlûn, Anfang Phex 1048 BF

Es war stockdunkel, einige Stunden vor Praiosaufgang. Das Madamal war vor kurzem hinter dem Horizont verschwunden, als sich drei große Fährboote lautlos vom Anleger bei Pahlûn lösten. Graue Schwaden lagen auf dem Großen Fluss und dämpften jedes Geräusch. Nur das Knarren der Planken und das nervöse Schnauben der Pferde verrieten, dass sich etwas in der Finsternis bewegte. Langsam glitten die drei dunklen Rümpfe flussabwärts.

Am Bug des vordersten Schiffes stand Reto Hlûthar von Bodrin-Hardenfels. Die Hände fest auf das Schanzkleid gestützt, starrte der Pfalzgraf von Koschgau unbewegt in die wabernde Wand aus Weiß. Er, der im Kriegsrat der Alttreuen auf Burg Alt Rudes Schild zum Anführer des Stoßtrupps bestimmt worden war, führte nun selbst die Speerspitze des Überraschungsangriffs auf Drift an. Neben ihm raunte Eichbart von Vardock, einer der Kommandanten der Nadoreter Landreiter: „Bei Phex, man sieht keine fünf Schritt weit.“

Reto drehte den Kopf nicht, als er antwortete: „Das ist gut. Der Nebel ist unser Schild. Wer uns kommen sieht, sieht uns erst, wenn es zu spät ist.“

Eine Weile war nichts zu hören außer dem gleichmäßigen Platschen der Wellen gegen die Bordwände und dem dumpfen Schlagen von Hufen auf den hölzernen Planken. Von Zeit zu Zeit schnaubte ein Pferd, worauf der Reiter es zur Ruhe zischte.

Allmählich färbte das erste fahle Licht der Morgensonne das Firmament silbern. Langsam schälten sich die Umrisse des jenseitigen Ufers aus der Schwärze: niederes Buschwerk, ein schmaler Pfad, der in Richtung niedriger Hütten führte, deren Silhouetten sich gegen das Morgengrauen abzeichneten: Das Dorf Licon – Drifter Boden an der Grenze zu Bragahn.

Ein Windstoß trieb die Nebelschwaden auseinander und brachte einen fauligen Odor mit sich. „Bei allen Zwölfen,“ knurrte Eichbart und verzog das Gesicht, „was ist das für ein Gestank? Wer hier lebt, muss Praios’ Zorn auf sich geladen haben.“

Reto antwortete mit unbewegter Miene: „Faulende Lumpen für die Papiermühle. Gestank oder nicht – die Mühle ist ein Schatz. Papier ist Macht. Und diese Macht fällt heute uns zu.“

Wenig später krachten die ersten Planken auf das Ufer. Pferde sprangen schnaubend und wiehernd hinab. Befehle hallten über das Wasser, Banner entfalteten sich im schwachen Licht – vornweg die silberne Kröte von Koschgau. Binnen weniger Augenblicke füllte sich der kleine Landungsplatz mit sich formierenden Reiterlanzen, immer 10 Mann pro Trupp.

Licon erwachte mit einem Schrei: Hunde bellten, Glocken läuteten, Frauen riefen nach ihren Kindern und Männer rannten barfuß über den Platz.

Kurz darauf brachen die Nadoreter Landreiter durch das hölzerne Tor. Splitter flogen, und die Hufe ihrer Pferde hämmerten über das gefrorene Erdreich in das Dorf. In den Gassen kam es zu Chaos. Bauern mit Speeren, Äxten oder einfachen Mistgabeln - Milizionäre des Drifter Haufens - versuchten, teilweise noch im Schlafrock, eine Linie zu bilden, aber die anstürmenden Reiter fegten durch die Reihe der Drifter und trieben sie auseinander.

„Keine Beute, bevor der Platz gesichert ist!“ brüllte Eichbart, während sein Streitross einen Gegner über den Haufen rannte. „Für Nadoret – vorwärts!“

Aus einer großen Scheune feuerte jemand eine Armbrust, der Bolzen glitt an Retos Harnisch ab. „Ausräuchern!“ rief er, woraufhin der Ritter Metzel vom Grauen Schild zur Scheune preschte und eine Fackel zielsicher durch eine offene Luke warf. Bald loderten Flammen auf, fraßen sich knisternd durch trockenes Stroh und Holz.

Zwischen den Häusern tobte ein kurzer, wilder Kampf. Einer der Drifter, ein alter Kriegsmann mit grauem Bart, stellte sich einem Ritter in vollem Harnisch entgegen. Er schwang seine Hellebarde mit erstaunlicher Kraft. Der Schlag traf das Pferd, ließ es aufwiehern, doch der Reiter hieb im Gegenzug zu und ließ den Mann rücklings zu Boden fallen. Blut färbte das Tauwasser auf dem Boden.

Reto ritt langsam mit kühlem Blick durch das Getümmel und verschaffte sich einen Überblick.

Dann erklang das Hornsignal der Landreiter – dreimal kurz, einmal lang. Das Zeichen, dass das Dorf gefallen war.

Binnen einer Stunde waren die Höfe umzingelt und die Papiermühle besetzt. Rauch stieg in träge Schwaden über die Dächer, während die Banner der Alttreuen gehisst wurden.

Während die Nadoreter Landreiter die Häuser der Bauern nach Waffen und Anführern der Drifter durchforsteten, sammelten sich die Anführer vor der Papiermühle zur Lagebesprechung:

„Es riecht nach faulen Eiern und Moder“ knurrte Leowina von Steinkopf, nachdem sie vom Pferd gestiegen war. „Wenn wir hier lange lagern müssten, würd’ selbst mein Gaul verrecken.“

Reto schmunzelte. „Ein paar Stunden muss euer Gaul noch durchhalten.“

Der Pfalzgraf räusperte sich und sprach mit fester Stimme zu der versammelten Ritterschaft: „Ich werde mit einem kleinen Trupp hierbleiben und euren weiteren Vorstoß abschirmen. Nicht, dass die Braghaner noch auf falsche Ideen kommen und meinen, sie müssten in Drift mitmischen.“

Das Kommando für den weiteren Angriff übertrage ich Ritter Gisbrun von Treublatt. Er ist aus hochedlem Geschlecht und in zahlreichen bestandenen Schlachten sehr kampferprobt.

Gisbrun trat an Retos Seite und deute eine Verbeugung an: „Habt Dank für euer Vertrauen, Euer Hochwohlgeboren.“ Dann wandte er sich an die anderen Ritter und verkündete das weitere Vorgehen: „Wir lassen den Driftern ein wenig Vorsprung, um ihre Baronin über unseren Angriff zu informieren. Sie wird bestimmt ihre berittenen Truppen entsenden, um nachzusehen, was hier vorgefallen ist, und dadurch die Stadt Drift entblößen.“ Gisbrun machte eine kurze Pause und blickte in die Ferne: „Das macht es der zweiten Landungstruppe unter Hakan von Nadoret leichter, die Stadt zu nehmen und die Fehde zu Gunsten der Alttreuen zu beenden.“

Einige Stunden später setzte sich die Kolonne langsam in Bewegung und bis auf eine kleine Besatzungstruppe unter Reto von Bodrin-Hardenfels verließen die Alttreuen Licon am späten Vormittag. Auf den Feldern zogen sich die Bauern zurück, ließen Pflug und Ochsen stehen, während die Reiterschar den Weg entlang nach Drift ritt. Anfang Phex war das Land noch vom Winter gezeichnet: Kahle Obstbäume reckten ihre Zweige wie knorrige Finger in den Himmel, auf den Feldern spross erst ein zartes Grün. Dünne Rauchsäulen stiegen aus den Kaminen abgelegenen Gehöften in den klaren Himmel und Raben hockten in den Ackerfurchen und flatterten krächzend auf, als die Reiter mit wehenden Bannern vorbeizogen.

Über all dem thronte das Ambossgebirge im Hintergrund und seine schneebedeckten Zinnen schimmernd im Sonnenlicht.

Da erhob sich am Ende der Straße ein dunkler Zug, Stahl blitzte im Sonnenlicht und das Schmettern von Hörnern zerriss die kalte Luft.

„Die Zollreiter kommen!“, rief ein graubärtiger Veteran der Nadoreter Landreiter, als er das Banner erblickt hatte. Rodhelm von Hartsteig kniff die Augen zusammen, um die Banner auf der anderen Seite zu erkennen. Ohne Zweifel die Drifter, denn das Wappen mit den schwarz-goldenem Hintergrund und den beiden schwarzen Raben kannte er. Dann erblickte er das Banner des Hauses vom Rosenschloss und jenes vom Haus Semmelstock - und zu seiner Beunruhigung den Dachskopf des Hauses Sindelsaum. Keine gute Entwicklung für die Alttreuen, doch jetzt blieb keine Zeit mehr, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, vor allem, weil sich die Gegenseite schon zum Lanzenangriff aufgestellt hatte.

Eine schlanke Gestalt mit wehendem Schal ritt an die Spitze, ihre Stimme rief schrill über das Feld: „Für Drift! Für den Bund auf Ewig!“

Leilalinde Azilasuni stürmte voran und hinter ihr fächerte sich die Formation der Drifter Zollreiter auf, verstärkt durch Reiter im Gefolge Halmdahls von Sindelsaum.

„Für Praios und den Fürsten!“, donnerte Gisbrun, sein Schwert hoch erhoben. „Zeigt ihnen, wer das Recht auf seiner Seite hat!“ Die Erde bebte, als beiden Reitertruppen aufeinander zu stürmten und die Sonne blitzte nur so im blanken Stahl auf beiden Seiten.

Dann prallten sie aufeinander. Lanzen brachen, Splitter durchschnitten die Luft. Pferde wieherten schrill und Männer schrien.

Leilalinde war eine Furie im Sattel. Ihr Schwert zuckte auf und nieder, riss einen Nadoreter Landreiter aus dem Sattel, spaltete einem zweiten den Helm. „Drift! Für den Baron!“ rief sie mit rauer Stimme. Ihre Zollreiter drängten ihr trotz der nummerischen Unterlegenheit ihrer Seite entschlossen nach.

„Bei Rondra, die Frau reitet wie ein Dämon!“ rief Gisburn von Treublatt, als er den Kopf hinter seinem Schild einzog. „Dann bannen wir den Dämon zurück in die Niederhöllen!“ schnaubte Rodhelm von Hartsteig, stieß seine Lanze vor und traf eine der Leibwachen der Aranierin mitten in der Brust. Mit seinem Schwert versuchte er sich nun einen Weg zu der Herrin von Mistelbach zu hacken, doch weitere Reiter verwehrten ihm tapfer den Zugang.

Das Feld verwandelte sich in ein einziges Tosen. Schlamm spritzte hoch, Hufe versanken in den aufgeweichten Furchen. Leilalinde ritt mitten ins Herz der Alttreuen Reiter, ihr roter Schal wehte wie eine Flamme, mächtige Hiebe teilte sie aus und nur wenige wagten sie zum direkten Kampf herauszufordern, doch im dichten Getümmel begann sie nach und nach den Überblick zu verlieren. Die zahlenmäßige Überlegenheit des Bundes der Alttreuen machte sich immer mehr bemerkbar. Verzweifelt blickte sich Leilalinde um, doch da waren überall nur feindliche Banner und Wappenröcke zu sehen. Da brach plötzlich Leowina von Steinkopf durch die Front der Drifter, ihr Streitkolben traf die überraschte Leilalinde mit voller Wucht, sie fiel aus dem Sattel und stürzte hart zu Boden. Ein Pferd trat auf das gefallene Banner der Zollreiter, drückte es in den Matsch.

„Die Herrin ist gefallen!“, rief ein Drifter mit verzweifelter Stimme.

Halmdahl von Sindelsaum, der neben ihr geritten war, riss sein Pferd herum, das Gesicht von Schweiß und Blut verschmiert. „Haltet die Linie! Noch nicht brechen!“ Seine Stimme schnitt durch das Getöse. Er packte den Arm seines Sohnes. „Baduar! Reite nach Drift! Sag der Baronin: Die Alttreuen kommen. Jede Stunde zählt!“ „Aber Vater—“ „Los, Junge! Jetzt!“

Baduar riss die Zügel herum, Tränen in den Augen, und jagte die Straße hinab, während die Zollreiter sich um Halmdahl sammelten. „Zurück! Geordnet zurück! Haltet sie auf, so lang ihr könnt!“

Die Drifter wichen, Stück um Stück, ihre Moral gebrochen, doch sie kämpften weiter, banden die Verfolger. Die Alttreuen siegten – doch der Sieg kostete Zeit. Zeit, die Drift nun vielleicht gewinnen konnte.

Im Schatten des Gefechts jedoch ritten zwei Männer lachend davon: die Gebrüder Siebenschröter. Statt den Befehlshabern zu folgen, hatten sie sich abgesetzt. „Warum Blut vergießen, wenn Silber leichter zu haben ist?“, höhnte der eine.

Rodhelm von Hartsteig sah den beiden schweigend nach, wohl wissend, dass Hakan selbst sie auf ihren Weg geschickt hatte. Vielleicht, so dachte er, ehe er sein Pferd wendete, war nicht jeder Auftrag, den der Bund vergab, von jener Ritterlichkeit, die er sich und ihrer Sache zu Gute hielt. Doch darüber würde der Götterfürst urteilen, nicht er.