Drifter Fehde - Mondscheinfahrt auf dem Großen Fluss

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Hinter Borking, Anfang Phex 1048 BF

Leise glitt die Funs Albatros über das von der Mondsichel erhellte Wasser. Die Nacht war klar, aber noch ziemlich kühl. Am Bug des Schiffs stand dessen Kapitän, der Angroscho Schrobosch Sohn des Tubasch. Aufmerksam blickte er den Großen Fluss entlang und meinte dann: „Treibholz gerade voraus, ausweichen!“ Keinen Moment später kam ein „Aye, -hick- aye Kapitän, schlage einen Schritt -hicks- nach Backbord ein!“ Zufrieden nickte Schrobosch und blickte dann zu dem kräftigen Zwerg mit Glatze und Vollbart an seiner Seite. „Diese Effine Engstrand ist wirklich eine hervorragende Steuerfrau, der Etzel Kohlbrenner hat wirklich einen guten Blick für Seefahrer mit Potenzial.“ Der andere Angroscho, Roglom Wackerstrunk, brummte zur Antwort nur und meinte: „Du ehrst diesen zwielichtigen Menschen etwas zu viel mit deinem Lob. Angesichts der Wichtigkeit dieser Mission ist es aber gut, noch eine zweite erfahrene Flussseglerin dabei zu haben, auch wenn uns die dieser Gigrim aufgeschwatzt hat.“

Trotz seiner direkten Worte war Roglom hier nicht ganz ehrlich. Mit Schaudern dachte er daran zurück, wie sie den Hafen verlassen und mit dem Kapitän am Steuerrad einen Teil des hölzernen Piers von Drift weggerammt hatten. Dieser Etzel schien so etwas Ähnliches schon befürchtet zu haben, denn die Geschichten über den zwergischen Kapitän in Drift waren leider allesamt wahr und deshalb hatte der Mensch ihnen zuvor noch diese weitere Flussseglerin mit ins Boot geholt. Die junge Frau mit der Augenklappe und den langen Haaren war auf der Suche nach einer Anstellung gewesen und Etzel hatte sie angewiesen, zu Schroboschs Schiff zu kommen, kurz bevor sie ablegen wollten. Effine schien durch den Flusshändler gut bezahlt worden zu sein, denn die Frau hatte keine großen Fragen hinsichtlich Ziel und Fracht gestellt. Dem Kapitän hatte sie geschmeichelt, dass sie von ihm lernen wollte und er sie doch später auch etwas ans Steuerrad lassen sollte. Glücklicherweise hatte Schrobosch weder verärgert noch beleidigt reagiert, sondern sie dann wirklich bald ans Steuer gelassen und sich gleich Mühe gegeben, der jüngeren Seefahrerin sein gesammeltes Wissen zu vermitteln.

Roglom war nun beruhigt, dass aktuell jemand am Steuer stand, der wirklich ein Schiff führen konnte, ohne alles aus dem Weg zu rammen. Doch die gute Dame hatte ihre eigenen Probleme. Diese Frau hatte keinerlei Selbstbewusstsein und musste sich ihren Mut wortwörtlich antrinken, um in dem doch rauen Gewerbe der Flussschiffer bestehen zu können. Auch jetzt hatte sie eine Flasche zur Hand, doch sie schien bisher nur angetrunken und nicht betrunken zu sein. Roglom hatte bald dafür gesorgt, dass die Gigrim nur den stark verdünnten Alkohol bekam. Hier in der Dunkelheit gaben die beiden ungewöhnlichen Flussfahrer aber eine ganz gute Mannschaft ab. Die Steuerfrau führte das Schiff mit Umsicht über das Wasser und der Angroschokapitän mit seiner Dunkelsicht konnte den Fluss besser überblicken, als es jeder Mensch mit einer Fackel wohl geschafft hätte. Licht wollte Roglom hier jedoch nur im äußersten Notfall machen, war ihre Mission doch geheim und daher segelten sie schon einige Zeit im Dunklen, was jeder ehrliche Flusssegler eigentlich tunlichst vermied, aber die Gruppe wollte besser nicht entdeckt werden und beeilen mussten sie sich auch.

Die ebenfalls an Bord befindlichen anderen vierzehn Zwerge von seinen Koscher Kumpeln hatten sich auch überraschend kooperativ gezeigt. Zwar mochte keiner von ihnen das Drachenwasser, wie sie den Großen Fluss nannten, aber rudern taten seine Jungs wirklich ordentlich. Daher hatten alle Zwerge gleich die Ruder bemannt, um sich körperlich auf der Reise zu betätigen, sich abzulenken und irgendwie nützlich zu machen. Das Rudern unterschied sich für diese Zwerge wohl nicht sonderlich von dem, was sie sonst taten, war das Graben doch auch eine anstrengende und immer gleichbleibende Arbeit. Dank diesem zusätzlichen Antrieb und den wohlgesonnenen Winden hatten sie bisher gut Fahrt gemacht und lagen sogar etwas vor dem Zeitplan. Doch der Bergmeister der Koscher Kumpel wusste recht gut, dass jederzeit noch etwas dazwischen kommen konnte.

Doch bisher war alles ganz gut gelaufen. Nachdem sie den Drifter Hafen verlassen hatten, da war das Schiff Nadora kurz auf sie zugesteuert, so dass sich Rogloms Herz etwas verkrampfte und er die Hand auf seine Spitzhacke legte. Aber die Besatzung der Nadora hatte ihn und seine versteckten Kumpel nicht bemerkt und da sie den Hafen verließen, war das Schiff des Hauses Nadoret schnell wieder abgedreht. Dieses hielt nur Schiffe auf, die den Hafen ansteuerten, nicht wenn diese Drift hinter sich ließen. Wahrscheinlich hatte deren Bootsmannschaft auch Kapitän Schrobosch erkannt und der genoss eine gewisse Bekanntheit unter den Flussseglern, was dessen Segler hier nicht sonderlich ungewöhnlich erscheinen ließ. Die restliche Strecke an den Baronien Bragahn und Moorbrück entlang war dann auch ohne Probleme verlaufen. Sie hatten immer aufmerksam Ausschau gehalten, doch niemand schien sich für sie zu interessieren. Heute früh hatten sie dann Borking hinter sich gelassen und nun würden sie bald zum Ausstiegspunkt kommen.

„Wir suchen also eine große Weide am rechten Flussufer, deren Zweige das Wasser berühren?“ meinte Roglom leise zu Schrobosch, der nickte und, während er weiter angestrengt den Fluss im Auge behielt, meinte: „Das ist der Treffpunkt, an dem wir uns mit Etzel und seinem Informanten treffen sollen.“ Roglom runzelte die Stirn, hier war ihm zu viel geheimtuerisch, doch da war nichts zu machen. Es dauerte nicht lange und die beiden Zwerge hatte den beschriebenen Baum erblickt. Der Kapitän rief zu Effine und diese steuerte geübt die flache Böschung an. Das Anlanden gelang ohne größere Probleme, schließlich hatte Etzel diesen Ausstiegspunkt schon benutzt und die dortige Beschaffenheit des Ufers genau dargestellt. Das Schiff wurde durch den Kapitän mit dicken Seilen um die Weide vertäut und dann kamen schon die anderen Zwerge mit ihren Gerätschaften. Aufgrund der Aussicht, das wankende Schiff endlich zu verlassen und das tiefe Wasser hinter sich zu lassen, beeilten sich die Koscher Kumpel sehr. Zufrieden sah Roglom, wie geübt seine Männer alles ausluden.

Dann ertönte plötzlich ein leises Knacken aus dem naheliegenden Unterholz und einige der Angroschim griffen sofort zu ihren Waffen. Der Bergmeister zog den Hals etwas zwischen seinen Schultern ein und befahl leise: „Wall, zwei Reihen.“ Eiligst formierten sich die Koscher Kumpel und auch Schrobosch zog seine Axt. Waren sie etwa bemerkt worden und hatte man ihnen hier einen Hinterhalt gelegt? Alles schien möglich zu sein. Angestrengt lauschten und blickten die Angroschim in den Wald und zuerst hörten sie nichts außer den natürlichen Geräuschen des Forstes. Gerade als sie wieder ihre Reihen öffneten, brach urplötzlich eine Gestalt aus dem Unterholz heraus und griff die Reihen der Zwerge stumm an.

Überraschte Rufe ertönten, verwirrt versuchten die Koscher Kumpel ihre Reihen wieder zu schließen, doch da war die vermummte Gestalt bereits heran. Mühelos durchbrach sie die erste Reihe, so dass zwei Zwerge zur Seite geschleudert wurden, und hielt dann direkt auf Roglom zu, den sie wohl als Anführer ausgemacht hatte. Schrobosch sah eine blitzende Axtklinge heranzucken, doch der Anführer der Kumpel hatte keine Angst vor blankem Stahl. Dessen Spitzhackenkopf stieß nach vorne und traf auf die Schneide der Axt, so dass ein heller Ton erklang, der nur von Zwergenstahl herrühren konnte. Der Angreifer und Roglom hatten sich mit ganzer Kraft in ihre Schläge gelegt und kurzzeitig standen sie starr da, ineinander verkeilt wie kämpfende Stiere, jeder versuchte den anderen wegzuschieben, doch keinem gelang es, den anderen mit seiner Kraft wegzudrücken.

Dann erklang ein Ruf aus dem Unterholz: „Forgrimm, nicht, das ist unsere Verstärkung!“ Und aus der Dunkelheit schälte sich nun der hagere Etzel Kohlbrenner mit seinem schütteren Haar heraus. Er trug einen einfachen Reisemantel und hatte eine gedimmte Öllaterne in der Hand. „Beim Herrn Phex, hört doch auf mit diesem Unsinn, man wird uns noch hören!“, zischte er ungehalten. Schrobosch sah nun zu den beiden Kämpfenden und erkannte jetzt, dass Rogloms Gegner nicht viel größer war als dieser selbst. Die beiden trennten sich nun und der Unbekannte schlug seine Kapuze zurück. Der Kapitän erkannte das kräftige Gesicht eines Angroscho, mit grünen Augen, einer Glatze und einem weißgrauen Bart, der jedoch für einen Angroscho seines Alters erstaunlich kurz war. Eine kräftige Stimme ertönte: „Das war mir schon klar, Gigrim, aber ich wollte mal testen, ob der Haufen auch was drauf hat. Wir sind schließlich nicht zum Spaß hier und können keine Federgewichte gebrauchen.“

Roglom brummte: „Dann hoffe ich, wir haben dich überzeugt, Bruder? Roglom, Sohn des Rombur aus der Wackersippe.“ Er reichte ihm zur Begrüßung die Hand und die Anspannung war nun für alle wie weggeblasen. Der andere Zwerg grinste breit, schob die Axt zurück in den Gürtel und erklärte: „Forgrimm Sohn des Ferolax. Und ja, dein Hieb kann sich sehen lassen, Bruder von den Groscho-Roroxim-Angrasch.“ Verwirrt sah Schrobosch zu Etzel. „Ist er der geheimnisvolle Informant?“ Der Flusshändler nickte zögernd. „Anscheinend waren er und Baron Brumil einst gemeinsam als Söldner unterwegs. Als er von dessen Gefangennahme gehört hatte, ist er gleich zu Baronin Gascha gekommen, um ihr seine Hilfe anzubieten, seinen alten Waffenbruder herauszuhauen. Er besitzt Kenntnisse von einem geheimen Zugang zum Schloss Nadoret, wo er mich hingeführt hat. Gemeinsam haben wir die Gegend etwas ausgespäht. Nur haben wir dann vor Ort festgestellt, dass es ein Problem beim Zugang gibt, so dass wir weitere Arme brauchen, um zur Zelle von Brumil zu gelangen.“ „Daher habt ihr uns angefordert?“, fragte Roglom und Etzel nickte wiederum. „Aber den Rest werde ich euch später erzählen. Zuerst sollten wir uns beeilen und diesen Ort schnellstens verlassen, nicht, dass wir noch gesehen werden.“

Der Flusshändler sprach nun kurz mit Roglom und Forgrimm, dann wandte er sich wieder an den Bootskapitän: „Kapitän Schrobosch, Effine, segelt mit dem Schiff nach Gerrun zurück und ankert erstmal dort. Bleibt im Ort für etwa zwei Wochen und kommt dann wieder abends hier her. In der Zwischenzeit versuche ich euch einmal aufzusuchen, um euch die neuesten Informationen zu geben. Sobald wir dann die gewünschte Fracht haben, muss es schnell gehen und wir sollten dann so schnell die Baronie verlassen, wie es nur möglich ist.” Schrobosch nickte und Etzel beschrieb den hier neu versammelten fünfzehn Zwergen den Weg zu dem von ihm angemieteten Bauernhof, welcher sich im Schatten von Burg Nadoret, an der Grenze zu einem nahen Forst befand. „Dies soll erstmal unser Hauptquartier sein und von dort aus planen wir die Rettung des Barons.“ Alle der Anwesenden nickten und machten sich gemeinsam abmarschbereit.

„Dann mal los!“, verkündete der hagere Flusshändler und die Zwerge machten sich dank ihrer Dunkelsicht bereits zielgerichtet auf den beschriebenen Weg. Etzel warf noch einen kurzen Blick zurück, wo Schrobosch gerade auf die arme Effine einredete und wohl gerade wieder Seemannsgarn spann. Wenn sie das alles unbeschadet überstanden, dann musste er den beiden ein gutes Getränk ausgeben. Und vielleicht, wer weiß, würden sie zukünftig öfter gemeinsam Geschäfte miteinander machen, dachte sich das Mitglied der Muschelbrüder kurz und eilte dann den marschierenden Zwergen hinterher in die Dunkelheit.