Zur Ehre Grimsaus - Gut Stein will Weile haben
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Wenn Totes wandelt und Leben handelt | ▻ |
Grimsaus Ehr, im Ingerimm 1032 BF
„Hätten wir nur mit gutem Stein gebaut.“
Rambox brummelte in seinen Bart, als er das halb eingestürzte Holzhaus betrachtete.
„Hätte uns fast diejenigen genommen, die für ein gutes Dach überm Kopf sorgen können.“
Sein Blick wanderte zu Quenja und Xerber, die bereits zu dieser frühen Morgenstunde in den Trümmern nach ihren wenigen nicht zerstörten Habseligkeiten suchten. Außer einigen kleinen Schrammen war den beiden nichts geschehen, Angrosch sei Dank, als ihnen ihr erst vor wenigen Tagen fertiggestelltes Heim mitten in der Nacht buchstäblich auf den Kopf fiel. In Gedanken ließ er den kleinen Kiesel, den er vom Boden aufgehoben hatte, zwischen den Fingern kreisen.
„Das kommt davon, wenn man mit Holz aus dem verfluchten Wald baut. Das Zeug ist grad gut genug, ums im Winter warm zu haben.“
Er fragte sich, nicht zum ersten Mal, warum er überhaupt hier war. Schwur des Großvaters hin oder her, ein Ambosszwerg gehört eigentlich genau an den Ort, den ihm sein Name vorgibt, in den Amboss. Und nicht in einen Sumpf voller verfluchten Holzes, blutrünstiger Rotaugen und seltsamer Menschen. Das Einzige, was ihm hier vertraut war, und ihn dabei nur noch mehr an seine Heimat erinnerte, war das beständige Hämmern des Schmiedes Armbrecht Hufmacher auf dem Amboß. Und das Steinchen kreiste weiter zwischen Rambox Fingern.
„Findlinge wären nicht verkehrt“, sinnierte der Angroscho weiter.
„Damit könnte wenigstens der Unterbau der Häuser stabilisiert werden. Liegen ja genügend rum. Schaut dann nicht unbedingt schön aus, aber hält zusammen mit dem Lehm hier wenigstens!“
Der Kiesel wanderte weiter in seiner Hand. Ein kleiner Handschmeichler, der jede Falte und Narbe in der abgearbeiteten Hande erforschte.
Just in diesem Moment lief ihm dieser müffelnde Rotpelz über den Weg. Er konnte den Flohbeutel noch nie wirklich leiden, und die Ratte, die dieser immer in dem Käfig mit sich führte war Rambox unheimlich. Wahrscheinlich war dieses kleine, jämmerliche Etwas an dem ganzen Unglück auch noch schuld. Mehr aus Reflex, als aus Absicht warf Rambox den Kiesel, den er die ganze Zeit in der Hand gehalten hatte, nach dem Goblin.
Ein metallischer Klang zeugte davon, dass der Stein den Käfig getroffen hatte. Goglmogl drehte sich zu dem Zwerg um, griff erbost nach dem Stein, der nun wieder auf dem Boden lag, von dem ihm Rambox vorher aufgehoben hatte und warf ihn zurück. Seine Zielgenauigkeit ließ allerdings etwas zu wünschen übrig, und so fiel der Kiesel vor Rambox Füße.
„Blöder Giftzwerg! Musst dir Essen selber fangen!“
Die Schimpftirade des Goblins ließ Rambox gerne über sich ergehen.
„Und Geziefer wird dir alle Vorräte wegfressen! Und dann kommt Giftzwerg zu Goglmogl und will Hilfe. Aber die bekommt er nicht! Goglmogl hilft Giftzwerg nicht mehr!“
Den letzten Teil des Wutausbruchs bekam Rambox bereits nicht mehr mit. Sein Blick war auf den Boden zu seinen Füßen fixiert, direkt auf den kleinen Kiesel, der wohl durch den Aufprall am Käfig eine kleine Bruchstelle aufwies.
„Kann das...“
Rambox schüttelte den Kopf.
„Nein, kann es nicht. Oder doch?“
Er nahm den Stein erneut vom Boden und musterte ihn eindringlicher.
„Das gibt’s doch nicht!“
Eilig lief Rambox zu seinem kleinen Zelt, dass alle seine Gerätschaften beherbergte.
„Armbrecht! Ich brauche eine kleine Pfanne glühende Kohlen. Schnell!“
Der angesprochene Schmied zuckte kurz mit einer Augenbraue.
„Bedien dich. Sind grad gut durchgeglüht. Ich muss eh neue Keile fertigen, damit die anderen Häuser nicht auch noch einstürzen.“
Irritiert ließ Goglmogl vom Zwerg ab, und ging, nicht ohne leise weiterzuschimpfen, zurück in Richtung seiner Unterkunft abseits der restlichen Siedlung. Rambox schnappte sich die kleine Pfanne, die ihm Armbrecht hinhielt, und verschwand in seinem Zelt. Flugs war das kleine Dreibei mit dem daran hängenden Töpfchen aufgebaut und die Kohlen daruntergeschoben. Rambox nahm den kleinen Stein, spannte ihn in eine passende Halterung ein und sehr sorgfältig schlug er mit dem kleinen Steinhämmerchen ein Stück davon ab.
„Die Farbe würde stimmen...“
Rambox leckte kurz an der frischen Bruchfläche.
„Der Geschmack auch.“
Vorsichtig schnippste er das Bruchstück in das Töpfchen.
„Hmm. Was brauch ich jetzt?“
Er überlegte kurz.
„Getrocknete und zerriebene Quasselwurz. Jepp! In Alkohol getränkter Traschbart. Jepp!“
Er nahme zwei Tiegelchen, die wohl eben jene Sachen beinhalteten, und gab kleinste Mengen davon ebenfalls in den Topf vor sich.
„Jetzt noch etwas Koschwasser dazu.“
Er entkorkte den kleinen Tonkrug mit den Zähnen.
„Was stinkt denn hier so?“
Armbrecht lugte in das Zelt hinein, dass er sich mit dem Zwerg teilte.
„Rousch hit hir, wenn hu willscht, dasch dein Koff horgen noch drn isch!“ zwängte Rambox zwischen den Zähnen hindurch. Der Blick in Rambox Augen überzeugte den Schmied sehr schnell, dass es wohl wirklich besser wäre, einfach draußen weiter festere Keile zu schmieden.
„Nur ein kleiner Spritzer sollte langen“, Rambox ließ den Worten Taten folgen, und mit einem leisen Zischen befeuchtete der Brand die bisher zusammengemischten Zutaten.
„Und jetzt, das alles entscheidende.“
Rambox begann tief ein- und auszuatmen. Immer und immer wieder streckte er seine Lungen bis zum Äußersten. Mit einem erwartungsvollen Grunzen sog er noch einmal die Luft ein, begann den Kehlkopf vibrieren zu lassen, und mit einem satten Schmatzen spuckte er den Lungenhering in die vor sich hinköchelnde Brühe.
Die folgende Verpuffung füllte das Zelt sofort mit weißen Rauch, der sich nur langsam wieder verzog und Rambox mit tränenden Augen zurückließ, die auf den Inhalt des Topfes starrten.
„Kangroscha! Guter fester Granit mit kleinsten Einschlüssen von Koschbasalt! Hah, ka roboschan hortiman Angroschim! Wer hätte das gedacht!“
Rambox zwirbelte sich die Barthaare.
„Wie der wohl hierherkommt? Sei’s drum. Wo einer ist, müssen wohl auch mehrere sein. Und wenn die so am Boden liegen, dann dürfen die auch hergenommen werden. Kann doch nicht schaden, in den Grundstein auch einen kleinen Brocken vom Basalt zu fassen.“
Rambox begann bereits mit einem kleinen Lied auf den Lippen, die Kohlen abzulöschen und seinen Rucksack zu packen. Der kleine Steinhammer und etwas Essen für den Tag müssten reichen. Seine Hilfe wurde im Moment eh nicht anderweitig dringend gebraucht. Nachdem alle wichtigen Dinge verstaut waren, steckte er die übrige Hälfte des kleinen Kiesels in seine Hosentasche.
„Mal sehen, wieviel Glück du mir noch bringst.“
Lächelnd trat Rambox aus dem Zelt.
„Wäre doch gelacht, wenn ein Steinkoch keine passenden Steine finden würde!“
Mit diesen Gedanken brach der muskulöse Zwerg auf, ein solides Fundament für Grimsaus Ehr zu suchen.