Man erntet, was man sät - Victrix causa deis placuit
Victrix causa deis placuit
Burg Durstein, 30. Rondra - 1. Efferd 1041 BF
Mit einem blütenweißen Tuch wischte sich Narmur die restliche Bratensoße von den Mundwinkeln und ließ sich erschöpft in die Sessellehne gleiten. Zufrieden schnaufend hielt er sich den Bauch und blickte auf den Teller vor sich, auf dem sich ein Häufchen abgenagter Knöchelchen stapelte.
Dann bemerkte er den bitteren Blick Matreschas, die zu seiner Rechten saß.
„Was betrübt euch an diesem herrlichen Tage Von Steinberg? Ihr seht aus, als hättet ihr in eine Zitrone gebissen.“
Matrescha blickte auf den Teller vor Narmur. „Baron, musstet ihr denn gleich alle meine Brieftauben verspeisen?“
Narmur lächelte süffisant: „Mir war nach frischem Fleisch! Immerzu nur gepökeltes oder geräuchertes schlägt mir auf Dauer auf den Magen.“ Narmur tätschelte seine Wampe „aber jetzt geht es mir bedeutend besser.“
Holdwin von Rohenforsten, der Narmur zur Linken an der Tafel in Burg Dursteins Rittersaal saß, mischte sich ein. „Aber nun können wir nichtmehr mit der Außenwelt kommunizieren mein Herr.“
Narmur lächelte abermals: „Wozu denn auch?! Die Belagerung ist vorbei. Wir haben gewonnen!“ Narmur ballte die Hand zur Faust und reckte sie in die Höhe: „Victrix causa deis placuit!“
Holdwin schüttelte kaum merklich den Kopf: „Noch liegen die Belagerer vor der Burg und belauern uns.“
Narmur winkte ab. „Meine Verbündeten haben die Rebellen bei Unwynfurt vernichtend geschlagen. Alvide von Eichental wurde festgesetzt und Brumil ist verschwunden, wahrscheinlich tot. Spätestens morgen ist Hakan mit seiner Armee bei uns und verscheucht das restliche Gesindel vor meiner Burg.“
Narmur kratzte sich am Kinn: „Morgen ist doch Tag des Wassers. Ich überlege mir ein großes Fest zu veranstalten. Zukünftig soll der erste Efferd ein Freudentag in Drift sein, ein Siegestag!“
Narmur zog die Augenbrauen zusammen „Hm … wenn ichs mir recht überlege, werde ich mich glaube ich nach einer Braut umschauen. Ich meine, man wird ja nicht jünger und diese Geschichte mit den Aufständischen hätte auch ganz anders ausgehen können – nichtwahr? Wer soll die Baronie regieren wenn ich dereinst bei den Göttern weile?“
Der Baron sinnierte weiter vor sich hin: „Ich glaube ich werde meinen ersten Sohn Hakan nennen. Das wird meinem Freund schmeicheln. Oder doch eher Balinor? - Schließlich ist Hakans Junge im Kampf gegen die Rebellen gestorben – Für mich gestorben. Was meint ihr?“ Narmur blickte seine Ritter fragend an.
Matrescha seufzte: „Ich meine das war die längst Belagerung meines Lebens … Auch wenn es nur zwei Wochen waren.“
Holdwin: „Ähh … Hakan und Balinor sind herrliche Namen. Aber wenn ich zu eurer Idee mit dem Fest zurückkehren darf mein Herr – Ich halte das für eine vorzügliche Idee! Wir könnten die restlichen Biervorräte heute Abend an die Soldaten verteilen um den bevorstehenden Sieg gehörig zu feiern!“
Matresche zog die Augenbrauen zusammen: „Das ist keine gute Idee. Lasst uns wenigstens warten bis Hakans Truppen hier sind.“
Holdwin überlegte kurz: „ … Wenn wir heute schon feiern, wird das die Belagerer dermaßen demoralisieren, dass sie bestimmt abziehen bevor Hakan hier auftaucht. Dann habt ihr ohne seine Hilfe die Belagerung beendet mein Herr!“
Narmur schien Holdwins Idee zu gefallen: „Ausgezeichneter Vorschlag Von Rohenforsten. Ich sollt die Belagerung aus eigener Kraft brechen. Sonst meint Hakan noch, ich stünde in seiner Schuld… Allerdings hat auch Von Steinberg Recht. Wir müssen wachsam bleiben. Ihr als Burgvogt seid für die Sicherheit verantwortlich. Gestattet den Gardisten auf mein Wohl zu trinken, aber sorgt dafür dass sie einsatzbereit bleiben.“
Holdwin nickte zustimmend: „Wie ihr wünscht mein Herr!“
Viele Stunden später. Nach einem berauschenden Fest ist Ruhe auf Burg Durstein eingekehrt. Der Mond, der die ganze Nacht über das Land gewacht hatte, verschwand vor kurzem hinter dem Horizont und ließ Burg und Dorf in stockdunkler Nacht zurück.
Holdwin von Rohenforsten tastete sich die Mauer entlang durch den Burghof auf das Tor zu. Mit zittriger Hand schob er so leise wie möglich den Riegel des Mannlochs zu Seite, öffnete die Tür und starrte in die Dunkelheit.
„Na endlich, ihr seid spät“ flüsterte eine Stimme aus der schwarzen Nacht und ein Zwerg schälte sich aus der Finsternis. Im Gänsemarsch, die Hand auf der Schulter des vorderen liegend, sickerte ein Soldat der Koscher Kumpel nach dem Anderen in die Burg.
Narmur erwachte. Kampfeslärm riss ihn aus seinen Träumen. Er torkelte fluchend durch den Raum und raffte seine Kleidung zusammen, nachdem er, durch das Nachlegen einiger Holzscheite in den Kamin für etwas Licht gesorgt hatte.
Es pochte an der Tür. Narmur ignorierte es, schlüpfte zunächst in seine Kleidung und zog schließlich eine kleine, schwere Kiste unter seinem Bett hervor.
Es klopfte erneut: „Herr ich bin es, Holdwin! Wir werden angegriffen. Der Feind ist in der Burg!“
Narmur klemmte die Kiste unter seinen Arm, schob den Riegel zur Seite und ließ Holdwin eintreten: „Rohenforten du Trottel! Deine Unfähigkeit wird nur von deinem Gestank und deiner Hässlichkeit übertroffen!
Holdwin wollte protestieren „Mit Verlaub!“ aber Narmur zog ihn zu einem Fenster: „Ich werde mich abseilen. Ihr folgt mir und werdet meine Flucht abschirmen. Vielleicht kann ich euch dann euer Versagen verzeihen!
Narmur stieg aus dem Fenster und begann sich an einem zuvor festgebunden Strick abzuseilen. Dabei fluchte er wie ein Fuhrknecht. Als er gut im Seil hing hielt er inne, sah zu Holdwin hoch und flüsterte: „Rohenforsten. Reiche mir die Schatulle neben dem Fenster. Aber vorsichtig, sie ist schwer.“
Holdwin hob die Kiste auf, sie war schwer und das metallene Scheppern aus dem Inneren verriet ihren Inhalt. „Na mach schon!“ entfuhr es Narmur.
Holdwin knirschte wütend mit den Zähnen, lehnte sich aus dem Fenster und hob die Kiste über seinen Kopf. „Vorsichtig hab ich gesagt!“ befahl Narmur.
„Hier ist euer Gold Baron! Nur das Beste für euch!“ rief Holdwin und ließ die Kiste auf Narmur herniedersausen.
Sie traf den Baron direkt im Gesicht. Dieser verlor den Halt und fiel mit einem lauten Schreckensschrei in den nachtschwarzen Abgrund. Holdwin hörte aus der Tiefe zuerst die Kiste aufschlagen. Die darin befindlichen Münzen klirrten und kullerten den Fels hinab.
Einen kurzen Augenblick später vernahm er den dumpfen Schlag des an der Felswand zerschellenden Körpers des Barons.
Holdwin schlug mit seiner Rechten ein Boronsrad und verließ hastig den Raum.