Fürstliches Ritterturnier zu Angbar 1041 - 4. Runde Widderich als Reizer
Brodilsgrund, Rondra 1041
„Du bist Reizer!“
Widderich löste den Blick erleichtert von dem riesigen Frühstück, das
Rossgilda aufgetischt hatte und das ihn schlichtweg überforderte.
Stattdessen fasste er das Gesicht seines Vetters ins Auge und hob
fragend die Brauen.
„Der Runkelritter auch“, fügte Aardor an, „und Adaque und Walthari sind
Trutzer. Ich schätze mal, gegen die beiden wirst du nicht reiten wollen,
also bleibt dir nur noch die Wahl zwischen drei Koschern, denn Nimmgalf
und der Rondrianer sind leider auch unter den Reizern.“
„Hum“, Widderich legte die noch unbenutzte Gabel beiseite und sah
Rossgilda an. Sie war zusammen mit Aardor bei der Auslosung gewesen,
hatte die Namen der Reizer und Trutzer also auch vernommen und wusste ja
vielleicht etwas zu den Koschern zu sagen. „Und was wissen wir über die
Drei?“
„Farelius von Silberquell ist der Ritter, der Frau Padora in der letzten
Runde im Fußkampf bezwungen hat. Davor hat er Herrn Koromar auch schon
aus dem Wettbewerb geworfen – mit einem perfekten Stoß! Mehr kann ich
dir über den leider nicht sagen. Ich habe seinen Namen hier auf der
Turney das erste Mal gehört.“
„Hum“, machte Widderich wieder und bedeutete seiner Nichte,
weiterzusprechen.
„Angbart von Salzmarken-See hat unseren Heermeister in den Staub
geschickt und gegen Frau Thalionmel einen perfekten Ritt gezeigt. Er ist
Anführer der Ritter vom See, die Graf Wilbur schützen, und genießt
entsprechend einen guten Ruf.“
„Klingt nach einem guten Gegner“, Widderich nickte. „Wer ist der Dritte?“
„Halmar von Sindelsaum. Im Turnier ist der mir bisher nicht
aufgefallen“, meinte Rossgilda und legte die Stirn in Falten. „Ich weiß
nur, dass er der Sohn des Barons von Sindelsaum und Bannerträger der
Kompagnie Herzogin Efferdane ist.“
„Soweit ich das erinnere, hat er bisher einen mittelmäßigen Tjost
geritten. Keine Ahnung, wie er es bis in diese Runde geschafft hat“,
ergänzte Aardor. „Gibt eigentlich wenig Grund, ihn zu fordern. Viel Ruhm
wirst du damit nicht an deinen Schild heften.“
„Herr Halmar hat die vergangenen sieben Götterläufe seines Lebens
mehrheitlich an der Ostfront verbracht“, meldete sich Satijana
unversehens zu Wort. „Zuletzt in Tobrien.“
Widderich wandte sich von Rossgilda ab und sah seine Gemahlin verwundert
an. Sie saß auf einem Schemel ganz in seiner Nähe und zwang ihre blonde
Haarpracht in einen dicken, geflochtenen Zopf. So ganz ohne Spiegel
schien ihm das keine einfache Aufgabe. Deshalb war er davon ausgegangen,
dass sie ihnen nicht zuhörte. Offenbar irrig.
„Ich schätze, er hat dort vieles gesehen, was dir auch zu Augen kam“,
meinte sie, nachdem sie seinen Blick gefunden hatte. „Und vieles getan,
was du genauso gern unterlassen hättest. Vermutlich hatte er derweilen
nicht viel Zeit, sich im Turnierreiten zu üben. Aber es soll hier ja
andere Ritter geben, denen es auch nicht viel anders ergangen ist. Ich
mag kein Urteil über sie fällen, würde jedoch sagen, sie haben genauso
viel Respekt verdient wie alle anderen. Und Gegner, die ihnen eben jenen
zollen.“
„Hört, hört“, murmelte Widderich, während er Satijana zulächelte und
sacht den Kopf schüttelte. Manchmal kam es ihr vor, als würde sie ihn
mittlerweile zu gut kennen. Er fragte sich, wie lange sie schon wusste,
was sie eben gesagt hatte – und dass der Sindelsaum sein nächster Gegner
sein würde. „Wo hast du das alles erfahren?“
„Gestern bin ich der Frau von Herrn Halmar begegnet und habe mich ein
bisschen mit ihr unterhalten. Ein ganz reizendes, grundanständiges
Wesen. Na, jedenfalls dachte ich, es könnte dich interessieren.“
Widderich nickte: „In der Tat.“