Die Spur des Greifen - Der Fürst ist tot

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Fir 1041 BF am Abend
Der Fürst ist tot
Goro


Kapitel 4

Im Plunderhaus
Autor: Nale

Baronie Greifenpass, Trottweiher, Anfang Firun 1041

Die Baronin sattelte ihr Pferd und der Braniborier seines, dann brachen sie auf in Richtung Trottweiher.

„Woher habt Ihr gewusst...“, hob die Baronin da an, „... dass ich hier her kommen würde?“

Der frisch gefallene Schnee knirschte leise unter den Hufen ihrer Pferde.

„Nun, Euer Hochgeboren, nachdem Ihr Euch in Eurem Zustand erfolgreich an einer Ogerhatz beteiligt habt...“, er warf ihr einen vorwurfsvollen Blick zu, „... konntet Ihr selbstredend nicht einfach so in Eure Winterresidenz zurückkehren. Nein, das konntet Ihr wirklich nicht! Ihr musstest wieder einmal zeigen, was für ein unvernünftiges Ding Ihr doch seid und da schien mir ein Besuch in einem zugigen und bitterkalten Tempel in Eurem Zustand im nahenden Winter gerade recht.“

„Da habt Ihr mich aber wieder einmal durchschaut!“, frotzelte sie. Ein Lächeln zierte ihre Wangen.

„Was nun wirklich keine allzu große Kunst ist, Euer Hochgeboren“, fügte der Geweihte nahezu beiläufig hinzu, „Ihr tut nämlich immer genau das, wovon man Euch dringend abraten würde.“

„Wie zum Beispiel... auf eine Ogerhatz gehen?“, lachte sie da.

„Was glaubt Ihr, was Euer Gatte dazu sagen wird?“, stellte er augenblicklich eine Gegenfrage.

Doch Nale lächelte nur ein vielsagendes Lächeln. Mittlerweile waren sie wieder auf der Reichsstraße angekommen, der sie in Richtung Trottweiher folgten.

„Wir waren auf dem Rückweg von Mantrash’Mor, da hörten wir es. Ich kann nicht genau sagen von wem ich es hörte, wer es mir erzählt hat, aber irgendjemand muss es gewesen sein...“, sie verstummte einen Augenblick und zuckte geradezu hilflos mir ihren Schultern, „Wir eilten uns und später, viel später begegneten wir den schwarzen Herolden. Sie waren ausgesandt worden um die traurige Kunde zu verbreiten. Ich glaube erst da begriff ich, dass es wahr war. War es zuvor nicht mehr als eine Nachricht gewesen, nur Worte, bloße Worte, denen man misstrauen, an denen man zweifeln konnte, war es nun zur Gewissheit geworden – der Fürst, Fürst Blasius vom Eberstamm, der Reichstreue, war tot...“

Die Stimme der Baronin brach. Tränen glitzerten in ihren Augen.

„Sein Tod, Euer Hochgeboren, er hat uns alle schwer getroffen. Der ganze Kosch trägt Trauer. Wir alle tragen Trauer. Und doch ist genau dies der Lauf der Dinge.“

„Ich weiß, Euer Gnaden, ich weiß“, sie wischte sich eilige mit ihrem Handrücken die Tränen von den geröteten Wangen, ehe sie fortfuhr: „Es war kurz vor Angbar. Wir waren zu einer kleinen Gruppe zusammen gewachsen. Unter uns waren der Graf von Ferdok in seiner Kutsche, begleitet von seinen Lanzerinnen, der Baron von Oberangbar, der Baron von Lûr, der Baron von Rohalssteg, der Ritter zu Neuvaloor, mein Gatte und natürlich ich selbst. Wir folgten also der Reichstraße nach Angbar, da hörten wir aufgebracht Rufe und Schreie: ‚Hochstaplerin‘, ‚Betrügerin‘, ‚Lügnerin‘. Und als wir näher kamen, was mussten wir da sehen? Umringt von mehreren Bewaffneten stand dort eine Dienerin des Götterfürsten und diese...“

„Frevel!“, warf der Braniborier eilig dazwischen, „Frevel! Und Ihr habt einfach so tatenlos zugesehen?“

Nale warf ihm einen bösen Blick zu: „Aber, Euer Gnaden...“

„Es ist nun einmal hinlänglich bekannt, dass Ihr kein besonderes gutes Verhältnis zu meinem Herren pflegt...“

„So wie der Rest des Kosches auch?“, setzte sie entgegen, „In der Priesterkaiserzeit hat sich die Kirche des Herrn Praios auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert.“

„Das werden wir im Kosch auch auf ewig zu hören bekommen.“

„Da könnt ihr Euch sicher sein!“, lachte sie da nur, „Aber mal ehrlich, wusstest Ihr, dass es eine praiosgeweihte Elfe gibt?“

Lindwinel Sonnenkind“, erwiderte der Braniborier da eilig und nickte, „Die einstige Äbtissin des Klosters Leuwensteyn.“

„Ihr kennt sie?“

„Natürlich! Wer kennt sie denn nicht?“

„Was soll das denn heißen?“

„Jedes kleine Kind weiß, dass es eine praiosgeweihte Elfe gibt!“

„Aber ich...“, hob die Baronin da geradezu anklagend an, „... ich... ja ich weiß das nicht. Ich kenne sie nicht. Warum habt Ihr mir nicht von ihr erzählt?“

„Ihr habt mich nie nach ihr befragt“, wies er ihren Vorwurf zurück.

Das versetzte die Baronin einen Moment in Schweigen: „Gibt es denn einen... praiosgeweihten Zwerg?“

„Von einem solchen ist mir nichts bekannt, obgleich ich das nicht auszuschließen vermag, allerdings...“, entgegnete er ihr nachdenklich und mit gerunzelter Stirn, „... wäre das doch höchst seltsam, findet Ihr nicht?“

„Und eine praiosgeweihte Elfe ist nicht höchst seltsam?“, warf sie auf, „Also ich kannte sie zwar nicht, aber einigen der anderen war sie durchaus bekannt und so konnten wir das Missverständnis...“

„... den Frevel...“, fiel der Geweihte korrigierend mit ein.

„... ausräumen“, endete sie ruhig, „Auf die Frage, was ihro Gnaden, denn hierher verschlagen hätte, berichtete sie uns von ihrem Traumgesicht, welches ihr Herr ihr gesandt hatte: Eine Frau, die auf einem Felsen stand, ein Horn blies und drei flammende Drachenköpfe die den Turm von Fürstenhort zu einem Gesteinsklumpen schmolzen.“

Charissia!“, entfuhr es ihm und energisch stieß er seine Hacken in den Bauch seines Pferde, welches daraufhin einen kleinen Satz machte, „Ganz ohne Zweifel, dass kann nur Charissia sein!“

„Es war Charissia!“, stimmte Nale nickend zu, „Da waren wir uns schnell einige und auch das Horn glaubten einige unter uns zu kennen – es hing auf der Thalessia. Also eilten wir uns. Da die Geweihte zu Fuß unterwegs war, nahm der Graf von Ferdok sie selbstredend in seiner Kutsche mit – ein komisches Bild war das schon.“ Sie lachte. „Auf der Thalessia angekommen glaubten wir bereits, zu spät gekommen zu sein, denn das Horn hing nicht mehr an seinem Platz, jedoch...“ Sie hielt einen Augenblick inne. „... war es lediglich bereits eingepackt worden, da es nach Fürstenhort gebracht werden sollte, um, zusammen mit anderen Hörnern, auf dem Begräbnis unseres geliebten Fürsten geblasen zu werden.“

„Phex sei Dank!“, nickte der Geweihte da nur, „Ich kann nur sehr hoffen, dass Ihr es gleich sichergestellt habt.“

„Haben wir in der Tat, Euer Gnaden, und es eilig in die Basaltkammer des Hesinde-Tempels gebracht. Erst dann unterrichteten wir Anshold vom Eberstamm über die Ereignisse und versicherten uns, dass wir in seinem Sinn gehandelt hatten.“

Da lachte der Geweihte: „Ja, ja, das passt zu Euch. Erst handeln und dann fragen.“

„Nun, hätten wir es besser Charissia überlassen sollen? Jeden Augenblick hätte sie es sich holen können“, erwiderte sie nur kopfschüttelnd, „Am nächsten Praisolauf hatten die Hesinde-Geweihten auch schon einiges über das Horn in Erfahrung gebracht. Es handelte sich bei dem Horn tatsächlich um eines, mit dem man einen beliebigen Drachen rufen konnte. Das einzige was man dazu brauchte war die Kenntnis der Melodie, die den Drachen herbeirief. Uns war nicht ganz klar, wo man diese Melodien finden konnte, aber das Risiko, dass Charissia sie sich beschafft hatte, war uns einfach zu groß. Aus diesem Grund packten wir in die Kiste, in der eigentlich das Horn transportiert hätte werden sollen, Steine. Charissia sollte keinen Verdacht schöpften, sie sollte auch nicht wissen, das wir wussten, was sie im Schilde führte.“

„Eine weise Entscheidung!“, kommentierte er.

„Das hättet Ihr wohl einem Haufen Adeliger nicht zugetraut, was?“, foppte sie ihn, „Zuvor jedoch wurde Fürst Blasius aufgebahrt und man nahm Abschied. Wir alle verabschiedeten uns von ihm. Ich habe schrecklich geweint, doch mein Liebster war mir eine große Stütze. Ich war sehr froh, dass er an meiner Seite war. Am Abend saßen wir noch lange zusammen, der Baron von Sindelsaum hatte zu Trauerklößen eingeladen, wir aßen und tranken, erzählten uns Geschichten über die gute alte Zeit unter Fürst Blasius und versuchten frohen Mutes zu sein – so wie es sich unser Fürst gewünscht hätte.“

Einen Moment herrschte Schweigen. Sowohl die Baronin als auch der Geweihte sprach ein kurzes Gebet für ihren Fürsten, der so lang Fürst gewesen war, dass sich keiner mehr hatte vorstellen können, dass Golgari auch eines Tages für ihn kommen würde.

„Am nächsten Praioslauf brachte man alle zum Begräbnis benötigten Dinge nach Fürstenhort.“

„Und Charissa hat euch gewiss überfallen!“

„Hat sie, Euer Gnaden, hat sie. Das war schon ein bisschen zu einfach gewesen, fanden wir. Erst trafen wir auf einige Wegelagerer und dann auf ihren Meckerdrachen. Den verwundeten wir auch. Konnten uns auch einigen von Charissias Schärgen bemächtigen – zumindest denen, die des Grafens Lanzerinnen noch am Stück gelassen hatten – aber Charissia konnten wir nicht habhaft werden, sie selbst war nicht beim Überfall beteiligt. Sonst geschah erstaunlicherweise nichts. Trotzdem wahrten wir auf Fürstenhort den Schein und ließen die Kiste mit dem vermeintlichen Inhalt gut bewacht in der Schatzkammer verwahren. Weiter ließen wir das Gerücht streuen, das besagte Horn sei beim Transport beschädigt worden und müsse nun repariert werden. Auf die Schnelle ließ sich aber nur ein Steinbockhorn auftreiben, dass ein zwergischer Handwerker ähnlich dem echten verzieren sollte. Der Schwindel fiel aber bald auf und es war Charissia höchst selbst, die dem Handwerker aufsuchte, wenn auch in anderer Gestalt, doch das Horn war dem echten nicht einmal im Entferntesten ähnlich, weswegen sie eilig wieder verschwand. Das ärgerte ins Besonderem den Baron von Oberangbar, der bei dem Handwerker auf sie gelauert, aber sie erst im Nachhinein erkannt hatte. Doch es zeigte sich bald, dass die strenge Bewachung der Truhe in der Schatzkammer und der zusätzlich aufgestellten Wachen, sich ausgezahlt hatte. Es dauert nicht lange, da schlugen die nämlich Alarm. Man hatte einen Knaben in der Nähe der Schatzkammer gesichtet.“

„Ah“, machte der Geweihte da, „So kam der kleine Wengel also zu Euch.“

„Zu mir?“, wiederholte sie, „Er kam nicht zu mir, Euer Gnaden, wir mussten ihn fassen. Und der kleine Bengel hat es uns nicht einfach gemacht. Klein und wenig zu sein hat eben auch seine Vorteile. Aber schlussendlich konnten wir ihm habhaft werden. Er war schrecklich klein und schmächtig, eine Brandwunde zierte seinen Kopf – als hätte man ihm einen glühenden Ringe oder eine Krone aufgesetzt. Wir schätzten ihn auf 12 Götterläufe und sein Gesicht erinnerte mich eindeutig und ohne jeden Zweifel an das des Jergenquells. Wir befragten ihn. Er heiße Wengel und sein Vater sein ein Rittersmann gewesen. Der Rittersmann, da waren wir alle uns einig, musste in der Tat der Jergenquell gewesen sein, da es auch zeitlich hinkam. Eilig gestand er uns gegenüber ein, dass er von seiner Muhme – gemeint war wohl Charissia, bei der wir vermuteten, dass sie wesentlich mehr war als nur die Muhme des Knabens – ausgeschickt worden war, das Horn zu holen und das er schrecklichen Ärger bekäme, wenn er es ihr nicht brachte. Wir versicherten ihm, dass wir es ihr bringen würden, weil wir schnell darüber übereingekommen waren, den Knabe nicht zu ihr zurückkehren zu lassen. Wir ließen uns also den Ort beschreiben, an dem sie sich aufhielt, doch ihrer habhaft werden konnten wir nicht, denn in dem Augenblick, in dem wir in ihrem Versteck ankamen, verschwand sie. Wieder einmal war Charissia entkommen.“

„Doch ihr konntet ihren Anschlag vereiteln.“

„Das ist wohl wahr. Und so begingen wir das Begräbnis unseres Fürsten in Würde und ohne weitere Vorfälle. Ich habe bitterlich geweint. Doch ich war nicht die Einzige.“

Da knurrte ihr Magen, als wollte er ihr zustimmen.

„Lasst uns ins Plunderhaus gehen!“, entschied Nale gut gelaunt und schlug den Weg in Richtung Gasthaus ein.