Die Spur des Greifen - Eine Tasse Tee
Baronie Greifenpass, Trottweiher, Schloss Libellensee, Praios 1042
„Den Zwölfen zum Gruße, Zoran“, rief Rianod ni Rían dem Knaben entgegen, der gerade eben zu Pferd Schloss Libellensee verlassen wollte, „Ist die Baronin denn noch nicht nach Punin aufgebrochen?“
„Die Baronin?“, der Knabe brachte sein Pferd zum Stehen und wartete oben auf der Brücke, bis die Kriegerin zu ihm aufgeschlossen hatte.
„Ist die Baronin denn noch nicht aufgebrochen?“, wiederholte sie als sie den Knaben erreicht hatte.
„Nein“, erwiderte er kopfschüttelnd, „Die Baronin ist nicht aufgebrochen.“
„Nicht?“, fragte die Rían ein wenig verwirrt, „Geht es ihr denn nicht besser?“
Der Junge schüttelte erneut den Kopf: „Bedauerlicherweise nicht. Und wir alle haben auch mehrfach versucht ihr klarzumachen, dass sie es in ihrem derzeitigen Zustand nicht einmal bis nach Angbar schafft. Gehört hat sie auf uns nicht. Nicht einmal auf ihren geliebten Ehrwürden! Dann hat der Braniborier mit ihr gesprochen.“
„Und er hat sie... überzeugt?“, frage sie sichtlich ungläubig.
„Nun“, hob Zoran an, „Er hat zu ihr gesagt, dass er es einfach nur unverantwortlich findet, wie sie mit dem Leben ihrer Ungeborenen spielt. Ihr eigenes Leben, dass sei ja ihre Sache, aber das ihrer Kinder?“
Das entlockte Rianod ein kehliges Lachen, wobei sie den Kopf schüttelte und sagte: „Dass sie mal auf einen Praios-Geweihten hören würde...“
„Ja, das hätte wohl niemand gedacht...“
Einen Augenblick schwiegen sie sich an.
„Ach so! Ihr habt wohl gedacht, ich hätte mal wieder etwas angestellte?“, wollte der Knabe keck wissen und bedachte die Kriegerin mit einem vielsagenden verschmitzten Blick, „Und die Baronin hätte mich zur Strafe hier zurückgelassen?“
„Nein, nein!“, erwiderte Rianod eilig, ein Lächeln auf den Lippen, „Nale würde Dich niemals hier zurücklassen! Nein, das würde sie wirklich nie tun.“
„Da mögt Ihr wohl Recht haben!“, lachte er da nickend, „Ach ja, ich bin gerade auf dem Weg zu Eurem Gatten.“
„Zu Darian?“, fragend sah sie ihn an.
„Wie viele Gatten habt Ihr denn?“, witzelte der Knabe da, dann wurde seine Miene plötzlich erschrecken ernst: „Heute Nacht sind mehrere Kälber gerissen worden, sogar eine Mutterkuh wurde angefallen, obgleich die Herde von Koscher Berghunden bewacht wurde...“
„Und...“, Rianod wurde plötzlich übel, „Und... die Hunde?“
„So schwer verletzt, dass Euer Gatte, den der Hirte noch in der Nacht zu Hilfe rief, weil er sich nicht allein zu seinen Tieren traute, sie zu Boron schicken musste.“ Ein kalter Schauer lief ihr den Rücken hinab.
„Der hohe Herr von Trottweiher hat noch in der Nacht einen Boten zum Schloss geschickt, noch in der Nacht bin ich zu ihm aufgebrochen und habe mit ihm zusammen die Nacht dort auf der Alm verbracht – zum Schutz der aufgebrachten Tiere. Am Morgen haben wir dann dem Braniborier Bericht erstattet, danach hat sich euer Gatte zu Bett begeben, was ich im Übrigen ihm gleichgetan habe. Nun möchte ihre Hochgeboren noch mit ihm sprechen.“
Rianod nickte zögernd.
„Ihr wollt doch gewiss auch mit ihr sprechen?“
„Wo finde ich sie denn?“
„Sie wird in Kürze zu euer Gnaden und ihre Hochwürden in den Garten kommen.“
„Zu... Líadáin... ?“
„... und dem Braniborier“, fügte der Knabe hinzu.
„Und was machen die beiden da...“, die Rían schien sichtlich irritiert, „... im... hm... Garten?“
„Sie trinken“, er zuckte ein wenig hilflos mit den Schultern, „Tee?“
„Sie trinken... WAS? Líadáin trinkt Tee mit... WEM?“