Bornländischer Besuch

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Ausgabe Nummer 2 - Firun 1012 BF

Bornländischer Besuch

Noch gar nicht solange ist es her, daß die Koschhaupstadt Angbar zu Zeiten Kaiser Retos an das Reichsstraßennetz angeschlossen wurde. Daher ist den jungen Sprößlingen der Wohlhabenden und Adeligen Angbars seit jeher ihr schnittiges Segelboot das, was in anderen Provinzen die Zwei-, Vier- oder gar Sechsspänner darstellen. In den letzten Monaten hat sich trotz der allzu nahen Orks eine neue Variante ihrer Benutzung zur Unterhaltung des Jungvolkes etabliert:

Tagesausflüge auf den See, die von einem meist einfachen, aber herzhaften Bankett in einem der am Ufer liegenden Gasthöfe gekrönt werden. Die Rückfahrt — meist zur Phexenszeit — wird dann alle Beteuerungen entgegen zu einem Betreiben genutzt, welches wohl allenfalls rahja-, nicht aber traviagefällig genannt werden kann, und wohl auch das Mißfallen der meisten Eltern erregen wird.

Besonderer Beliebheit erfreut sich offenbar der “Prinz von Gareth” des Shlingain Vielenbelt, der in der Nähe des Vinansamter Fährablegers gelegen ist. Hier ereignete sich auch folgende Episode, die nur zu gut widerspiegelt, daß sich allzu viele junge Leute heutzutage eher dem Weinkelch und der Laute als der Ertüchtigung des Geistes und des Schwertarms widmen, worin ein Grund für das Disaster von Orkenwall liegen mag.

Nonbart Fatzke nämlich, Sohn der vermögenden Bierhändlerin Erlgard Fatzke, wollte ebendort eine exclusive Abendgesellschaft geben. In der Vergangenheit war dieser unglückliche junge Mann oft das Opfer von Spötterreien geworden — ob seiner niederen Herkunft (Frau Fatzke gelangte erst in den letzten Jahren überraschend zu ihrem jetzigen Wohlstand), seiner einfachen Sprache oder seiner geliebten, stets getragenen Lederweste, die dem begeisterten Anhänger der Rebellen von Gareth von Tormann Draken Bramstoker überlassen wurde. Nachdem nicht einmal dieses Artefakt seine Beliebheit steigern konnte, war die Feier vom jungen Herrn Nonbart ganz offensichtlich als weiterer Versuch, seinen Ruhm aufzupolieren gedacht, was dem geneigten Leser durchaus verständlich erscheinen dürfte.

Unter den eingeladenen Gästen sollten sich etliche hochgestellte Persönlichkeiten, allesamt von Rang und Namen, befinden, wie es schon im Vorfelde hieß, und als Ehrengast Seine Hochgeboren Merwerd Stoia von Vinansamt. Letzteres kann man nur als äußerst klugen Zug bezeichnen — stammt doch dieser weitgereiste Baron (und Herausgeber dieses Journals) selbst aus dem Kaufmannsstande und wurde erst vor wenigen Jahren von Seiner Allergöttlichsten Magnifizenz Kaiser Hal aufgrund seiner Verdienste in die Reihen der Edlen des Reiches erhoben und mit dem Lehen Vinansamt ausgezeichnet.

Unglücklicherweise hatte jedoch der stolze Gastgeber in seinem Eifer bei der Planung ein winziges Detail außer Acht gelassen: Auf seine erste Anfrage wurde ihm aus Steinbrücken mit einer freundlichen Absage, aber der Bitte um Berücksichtigung bei späteren Festgesellschaften geantwortet — der Baron hält sich bekanntlich seit Anfang Rondra 19 außer Landes auf. Dies jedoch ermutigte den Nonbart Fatzke nur noch in seinen Bemühungen — der junge Herr schickte in für ihn ungewohnt hartnäckiger Weise eine weitere Einladung an die Familie des Barons im bornländischen Festum, in der Hoffnung, seinen Ehrengast dort anzutreffen.

Die Kunde von diesen Anstrengungen war wohl auch einer Gruppe von Fatzkes Bekannten zu Ohren gekommen, mehreren an den Hof zu Angbar gesandten Junkern, Edlen und Jungbaronen unter Führung einer umschwärmten Schönheit, der Freiin Vistella von Unterangen. Und jene heckten — wohl mehr im Spaße als aus Böswilligkeit — einen wahren Schelmenstreich aus, den sie dem nichtsahnenden Nonbart zu spielen gedachten. Als dieser nach einiger Zeit immer noch auf eine zusagende Botschaft des Barons wartete, teilte ihm endlich ein Reisender, der glaubhaft versicherte, soeben aus Festum eingetroffen zu sein, mit, es sei ihm aufgetragen worden, “der Bornländer werde sich auf jeden Fall die Ehre geben.” Trunken vor Glück und Freude erwartete Nonbart den großen Tag.

Doch am Abend des Festes wurde es später und später, ohne daß der Herr von Vinansamt erschien. Dann aber flüsterte die gewitze Dame Cathine selbst dem Veranstalter einige Worte ins Ohr: Ein Gast warte darauf, eingelassen zu werden. Nonbart selbst öffnete die Tür, und der Gast stürmte in den Saal:

Ein pechschwarzer, 50 Stein schwerer, auf den Hinterbeinen stehend beinahe mannshoher Hütehund — fürwahr, ein echter Bornländer! Und als Ehrengast konnte man ihm natürlich nicht verwehren, sich an den angerichteten Leckereien gütlich zu tun, was er unter den fassungslosen Augen des Gastgebers und dem Gejohle seiner Gäste dann auch tat...

Man sieht, woran sich unsere Jugend gütlich tut: Auch wenn es sich in diesem Fall um einen harmlosen und vielleicht sogar amüsanten Scherz handelt, so sollte in diesen Zeiten doch das Bemühen aller sich auf das Wohl des Reiches und die Abwehr der inneren und äußeren Gefahren konzentrieren...

Die Autorin, Hochw. Ulabeth vom Pfade, ist Geweihte des Greifen am Hofe zu Angbar und kritische Beobachterin der derzeitgen Entwicklungen.