Alagrimm 2: Wehe dir, Koscherland!
Wehe dir, Koscherland!
Vom Rachefeldzug eines Schurken, von höchster Not und tiefstem Leid
Vernehmt nun, wie der Schrecken seinen Anfang nahm und wie sich alles zugetragen hat in jenen schicksalhaften Tagen im Mond der guten Frau Peraine und des Herrn Ingerimm. Um ein möglichst umfassendes und genaues Bild der Ereignisse zu geben, haben wir zahlreiche Berichte und Erzählungen von glaubwürdigen Zeugen zusammengetragen.
Zunächst aber zu jenem Ungeheuer, das über den Kosch kam wie die schlimmste aller Plagen. Wenig war bisher vom Alagrimm bekannt; über Jahrtausende blieb er ein Geheimnis der Zwerge Koschims und der Erben :Pyrdacors, der Drachen. Die spärlichen Quellen, welche wir über seine Hintergründe fanden, widersprechen sich teilweise und vertiefen das Mysterium eher, statt völlige Klarheit zu schaffen. Dennoch mögen sie das Bild des geneigten Lesers etwas erhellen und die Nachwelt, ebenso wie die gesamte Geschichte seiner Rückkehr, vor der Macht der Drachen und der Magie warnen.
„Ein Funke glimmt, ganz klein und sacht,
gebannt dereinst in kühlem Grunde.
Doch wehe, wenn er einst entfacht,
emporsteigt, wächst, zu gier’gem Schlunde;
frisst weiter, wird zur Flammenmacht:
Dann schlägt sie, Pyrdaks Rachestunde.“
Einstige Inschrift der nun geschmolzenen Stelen von Koschim (übersetzt aus dem Rogolan)
Garamine, Tochter der Garaxa, Schülerin Esbadoschs, des Angrosch-Hochgeweihten von Koschim
Vor dreitausend Jahren, lange bevor Menschen im Mittelreich lebten, versuchte der Goldene Drache Pyrdacor seine Erzfeinde, die Zwerge, endgültig zu bezwingen. Eine seiner wirkungsvollsten Waffen war der Alagrimm, ein Adler aus unheiligem Feuer, der sich von Flammen nährte und dadurch wuchs und erstarkte.
Viele Angroschim fielen dem Schergen des Drachen zum Opfer, ehe er schließlich, mit vereinter Kraft, doch bezwungen werden konnte. Aber zu töten vermochte man das Geschöpf nie. So bannte man es in eine kühle und feuchte Grotte tief unter den Hallen der Binge Koschim. Dort ruhte das Wesen als kleiner Funke, ein gut gehütetes Geheimnis, das alleine die Zwerge und Drachen kannten.
Es kann somit nur ein Drache gewesen sein, sicherlich der zwölfmal verfluchte Rhazzazor, der seiner Schergin, der Magierin Charissia von Salmingen, vom Alagrimm erzählte: Was er war, wo man ihn finden könne — und vor allem, wie man ihn wieder erweckt... Und genau das tat sie.
Darian von Falkenstein, Hoher Lehrmeister zu Leuwensteyn, Zwergenforscher
Es mag wenig verwundern, dass die Buchstabenfolge L-GR-M in der zwergischen Sprache, dem gemeinen Rogolan, üblicherweise für Zusammenhänge mit dem Feuer stehen. Man vergleiche etwa Anglagorum, die Feuertaufe, Algoram, den Feuertempel des Bergkönigs Arombolosch oder die Feuerfälle von Algormosch in den Ambossbergen.
Die Endsilbe -grimm steht dagegen meist für etwas Unheimliches, Düsteres — durchaus vergleichbar mit dem menschlichen Wort. Eine interessante Parallele übrigens, die an dieser Stelle zu erläutern wohl den Rahmen sprengen würde. Als Namenssilbe ist sie, vor allem bei Kriegerkindern der Ambosszwerge nicht unbeliebt, da sie auch für Unbezwingbarkeit steht.
Nun, die Kombination ALAGRIMM jedenfalls wäre demnach am Treffendsten als „düsteres, unbesiegbares Feuer“ zu übersetzen — was die Ereignisse ja eindrucksvoll unterstrichen haben.
Baldara von Bregelsaum-Wettenberg, Wächterin Rohals, Maga der rechten Hand
Kaum wage ich es zuzugeben, doch diese selten gewordene Erscheinung uralter Magie zu sehen war abstoßend und faszinierend zugleich. Es war mir nahezu unmöglich, eine heute bekannte Form und Struktur des überaus kraftvollen astralen Gewebes im Feuervogel zu erkennen. Dies kann nur als Bestätigung der Aussagen der Angroschim gedeutet werden — dass der Alagrimm tatsächlich ein noch immer auf Dere wandelndes Geschöpf der libera draconum magia (der drachischen Freizauberei, Anm. d. Schriftleitung) Pyrdacors ist — beeindruckend, doch vor allem erschreckend in seiner Zerstörungswut und Unbezwingbarkeit.
Angbart Nomiadim, Wächter Rohals, Magus der rechten Hand
Unsinn, es ist völlig offensichtlich, dass ein Zusammenhang des Subjektes Charissia von Salmingen, sowohl mit Rhazzazor, als auch mit Galotta besteht. Ihre Magie ist borbaradianisch-verbotenem Ursprunges, das bezeugen gleich zwei unserer Collegen. Die einzige Schlussfolgerung kann demnach sein, dass es sich beim Alagrimm um eine Manifestation der septima sphaera handelt. Sehr wahrscheinlich aus dem verdorbenen Gefolge des Schänders der Elemente. Immerhin war dessen Splitter im Besitz des Rotköpfigen und das unheilige Feuer ist ja wohl ein eindeutiger Beweis dieser These.