Bewährungsprobe am Trolleck - Der Zug zum Trolleck 01

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Der Rittersteig im Ingerimm 1033 nach Bosparans Fall

Es war der 4. Ingerimm 1033 BF, als das Heer Graf Wilburs Burg Kystral verlies. Die ungefähr zwanzig Köpfe starke berittene Vorhut ritt ein Stundenglas vor dem Hauptheer aus dem Burgtor, den ihre Aufgabe war es den Weg für die Fußtruppen und den Tross zu sichern. Die Hauptmacht nahm um die Kutsche des Grafen und die wenigen Trosswagen Aufstellung. Achtzig Köpfe zählte die Hauptmacht und nur die wenigsten waren beritten.

Die Vorhut ritt in gemächlichem Tempo durch die Hügellandschaft Metenars. Die Bauern blickten neugierig von ihren Feldern auf, machten sich aber nicht die Mühe an den Wegesrand zu kommen. Seitdem der Fürst auf Burg Fürstenhort residierte zogen immer wieder kleinere und größere Truppenkontingente zum Sitz seiner Durchlaucht. Mehr Aufmerksamkeit schenkten die Metenarer hingegen dem Hauptheer, das in Sichtweite der Vorhut heranzog. Die Standarte des Grafen flatterte im Wind und ein blasses Gesicht blickte aus dem Kutschenfenster auf die Lande, die ihm untertan waren. Die Bauern wirkten verunsichert und verbeugten sich höflich. Sie wussten nicht so recht, was sie tun sollten, daher warten sie einfach ab, bis das Heer weitergezogen war.

Nach einigen Stunden Ritt erreichte die Vorhut schließlich die Traschpforte. Ein eindrucksvoller Steinbogen überspannte hier eine Schlucht. Auf der anderen Seite begann der Weg etwas rauer zu werden und die Troll-Barlatz-Wälder begannen. Vor einigen Jahren war hier Baron Graphiel auf der Suche nach seinem verschwunden Sohn durchgezogen, doch von den Zwergen, die diese Lande beherrschten zeigte sich diesmal niemand. Sie schienen am Druchmarsch des Heeres kein Interesse zu haben und so setzte die Vorhut, nach einer kurzen Mittagsrast, ihren Marsch fort. Die Troll-Barlatz-Wälder galten seit ewigen Zeiten als unheimlich, sagte man ihnen doch nach einen Troll zu beherbergen. Der dunkle Bergwald war auch wenig dazu geeignet beruhigend auf die Teilnehmer der Vorhut zu wirken. Zwar schien die Sonne herab, doch die Bäume dämpften das Licht und das Zwitschern der Vögel wirkte eher unheimlich, als freundlich. Insbesondere die unerfahreneren Mitglieder der Gruppe blickten sich immer wieder nervös um. War der Sohn des Barons von Bärenfang nicht in einen ähnlichen Hinterhalt geraten?

Nach einer weiteren Stunde Anspannung geschah es schließlich: Hufschlag war zu hören und drei Reiter donnerten auf die Vorhut zu. Schwerter wurden gezogen, doch dann zügelten die drei Reiter ihre Rösser, blickten hastig über die Schulter und musterten die Wappen der Anwesenden. Jeder der Reiter trug einen Wappenrock in den Farben des Fürstentums. Ein Reiter trug dazu einen Heroldstab und teure Kleidung, während seine beiden Begleiter schwer gerüstet waren. Die Visiere ihrer Schaller waren gesenkt, unter dem Wappenrock waren die Umrisse ihrer Plattenrüstungen zu sehen und sie trugen schwere Schilde in den Farben des Fürsten. Der Herold begann nach dem kurzen Moment des Zögerns zu sprechen. "Im Namen des Fürsten helft uns diese Bande Strauchdiebe zu besiegen, oder macht uns den Weg frei." Kaum hatte er ausgesprochen kam eine zehnköpfige Reitergruppe ins Blickfeld der Gruppe. Sie trugen Wappenröcke in den Farben des Ritters von Zwietrutz, doch als sie die Vorhut sahen, zügelten sie ihre Pferde und warteten ab, was hier vor sich ging. Die beiden Begleiter hatten derweil ihre Pferde gewendet und ihre Schwerter gezogen. Auch sie beobachteten die Reiter genau.

Roban hatte beim Heranpreschen der drei Reiter sofort den Hammer gezückt, ihn dann wieder sinken lassen und blickte abwechselnd von den ersten Reitern zu der Reiterschar und wieder zurück. Wer war hier Freund und wer Feind? Wappenröcke konnte jeder Strauchdieb tragen, und er hatte keine Lust, versehentlich gegen anständige Koscher zu kämpfen, während ihm falsche Adlige in den Rücken fielen. ”Was in Rondras Namen geht hier vor?” schmetterte da die Stimme Answeins, der seine Waffe noch gar nicht gezogen hatte. ”Wer seid Ihr, und wer sind diese Personen, die Euch verfolgen?”

An der Stimme des Geweihten konnte man hören, dass auch er nicht sicher war, welcher Reiterhaufen Freund und welcher Feind war. Er hoffte offenbar, dass selbst hinterlistige Strauchdiebe nicht götterlos genug waren, einem Geweihten Rondras offen ins Antlitz zu lügen. Ob er damit richtig lag, dass mussten wohl die nächsten Minuten – womöglich gar Sekunden – zeigen. Roban schätzte kurz ihre Chancen ab. Ausgeglichen, schätzte er. Answein war ein guter Kämpfer, auch zu Pferde, und auch Reto von Tarnelfurt und Boronar vom Kargen Land machten den Eindruck, als hätten sie schon manchen Reiterkampf bestanden. Den Rest der Vorhut konnte er schwerlich einschätzen, aber wenn man nicht gerade auf geübte Schlachtreiter traf, würde man mit ein wenig Beistand Rondras die Oberhand gehalten.

Reto beantwortete Robans prüfenden Blick mit einem gewinnenden Lächeln. Er nahm seine Kriegslanze mit dem grün-weißem Wimpel aus der Sattelhalterung und machte sich bereit für einen Lanzenangriff. Reto sah sich den vermeintlichen Herold genau an und versuchte sich zu erinnern ob ihm dieser Herold bekannt vorkam. Er war doch in den letzten beiden Jahren mehrfach mit Fürst Blasius und Graf Growin gereist. Da es aber wenig rondragefällig wäre, sich mit zehnfacher Übermacht auf drei eingekesselte Reiter zu stürzen, suchte sich Reto schon mal ein Ziel in der mutmaßlichen Verfolgergruppe, der drei vermeintlichen, fürstlichen Reiter.

Boronar hatte angesichts der Situation ein mieses Gefühl. Irgendetwas schien hier nicht zu stimmen. Ohne auf die Reaktion der Unbekannten zu warten, rief er: "Ihr in den Farben des Fürsten, und auch Ihr, die Ihr das Wappen von Zwietrutz tragt, haltet ein! Wenn Ihr Farben und Wappen zurecht tragt, was fällt Euch ein, aufeinander losgehen zu wollen? Sind wir denn nicht brave Koscher?" Nun fiel ihm auf, dass es dreizehn Unbekannte waren - ausgerechnet die Zahl des Namenlosen! Wenn das kein schlechtes Omen war... aber nun gut, jetzt galt es! Er setzte seine Rede fort: "Sollten jedoch die einen nicht koscher sein, so rate ich den anderen, ihre Waffen nicht gegen die anderen zu richten! Wer sich hier richtig zu erkennen gibt und wer nicht, das wird sich aufklären lassen! Und wir..." er machte eine ausholende Handbewegung über die Vorhut "sind genug, um der jeweils angegriffenen Partei zur Hilfe zu kommen! Da wir einen Geweihten der Rondra unter uns haben, können unsere Absichten nur gut sein! Nur wer etwas Böses im Schilde führt, hat Grund, jemanden anzugreifen!" Ob das ausreichen würde, um ein unnötiges Blutvergießen zu vermeiden oder zumindest die Rechtschaffenen zur Vernunft zu bringen, damit sie einander erkennen konnten?

Der Herold war einen solchen Umgang mit seiner Person sichtlich nicht gewöhnt. Scharf erwiderte er ”Ich bin Derwart von Garnelhaun, Bruder von Baronin Tsaja-Josmene und reite in den Farben des Fürsten, um Kunde nach Angbar zu bringen.” Er hob seine Hand und zeigte seinen Siegelring. Dann deutete er auf die Reiter in den Farben des Zwietrutzers, die sich gerade berieten, wie sie weiter verfahren sollten, und sprach ”Diese Bande dort hat uns am Trolleck aufgelauert und wollte uns um unsere Habseligkeiten erleichtern. Sollte tatsächlich der Herr zu Zwietrutz dahinter stecken, so hat er sein Leben verwirkt.”

Die Verfolger der drei Reiter bemerkten, wie sich einige Reiter der Vorhut merklich entspannten. Der ein oder andere erinnerte sich daran Derwart bei der ein oder anderen Gelegenheit begegnet zu sein. Zwei der Verfolger wendeten bereits ihre Pferde, doch ein dritter hob eine Armbrust, zielte und drückte ab. Ein kurzes zischen war zu hören und da traf der Bolzen eine junge Frau aus dem gräflichen Gefolge. Die Reiterin wurde von der Wucht des Bolzen aus ihrem Sattel gerissen und schlug hart auf dem Boden auf. Die Zwietrutzer Reiter wendeten schlagartig ihre Pferde und gaben ihnen die Sporen.

Schon während er das Geräusch des durch die Luft schwirrenden Bolzen vernahm, spannte sich Etilians Körper instinktiv an und als er die Reiterin fallen sah, wusste er, dass sein Einsatz bereits vor dem der Kämpfer erfolgen würde. Er selbst befand sich auf seinem Warunker relativ mittig und in den hinteren Reihen. Seine Hoffnung hierbei war es gewesen, von genau solchen Flugobjekten, wie dem eben verschossenen, verschont zu bleiben, da ihn der wattierte Waffenrock, den er trug, kaum schützen würde. Die junge Frau hingegen hatte sich am Rande und weit vorne positioniert, als der Tross zum Stehen gekommen war. Obwohl es leichter gewesen wäre, zu Fuß zu ihr zu gelangen, widerstand er dem Drang, sondern lenkte seinen Schwarzbraunen zu der Gestürzten hinüber. Falls die gräfliche Vorhut sich zur Verfolgung entschließen sollte, könnte er als Unberittener zu leicht unter die Hufe geraten.

Schon während er einen kleinen Bogen ritt, durch den er es vermied, die meisten der übrigen Reiter auf ihren teils wesentlich schwereren Rössern zum Ausweichen zu zwingen, sponn er im Geiste einige mögliche Verletzungsszenarien durch. Auf die meisten war er vorbereitet, wie er beruhigt feststellte. Als er dann bei der jungen Frau ankam, die sich noch nicht wieder erhoben hatte, positionierte er seinen Warunker zwischen der Gestürzten und sich auf der einen und der möglichen Laufrichtung der übrigen Pferde auf der anderen Seite, bevor er behende absprang, um sich den Zustand der Reiterin genauer zu besehen.

Reto warf seine Kriegslanze zur Seite und ritt so schnell er konnte los. ”Los Roban, den Schützen kaufen wir uns, aber lass ihn am Leben, ich will ihm einige Fragen stellen!” rief Reto zur Seite Richtung Roban. Natürlich hoffe er, dass auch noch weitere Streiter der Vorhut den feigen Angreifer nicht ungeschoren davon lassen kommen wollten und ihm folgten. ”Immer diese feinen Unterschiede!” beschwerte Roban sich, der direkt in Retos Windschatten galoppierte. ”Heiler, kümmer dich um die Verwundete!” bellte Answein derweil. ”Sobald sie versorgt ist, folgen. Drei Mann bleiben ebenfalls hier und schirmen den Heiler ab! Der Rest – mir nach, im Namen Rondras!” Auch der alte Geweihte trieb seinem Ross die Fersen in die Weichen, auch wenn er kaum hoffen konnte, die weit vorgepreschten Moorbrücker so bald einzuholen.

Die Zwietrutzer waren mittlerweile hinter einer kleinen Hügelkuppe verschwunden. Reto und Roban zügelten ihre Tiere, als sie sich dieser nahten, denn sie konnten nicht sehen, was sich dahinter befand, und ihre Vorsicht war berechtigt! Kaum, dass sie die Kuppe erreicht hatten, flogen schon wieder zwei Bolzen in ihre Richtung – zum Glück hatten die Schützen aber zu hoch gehalten, so dass die Geschosse knapp über ihre Köpfe hinweg flogen. ”Hossa!” Roban riss Girte herum und brachte sich rasch hinter der Kuppe in Sicherheit. ”Verdammt eisenhaltige Luft!” ”Die schießen uns ab, sobald wir den Kopf über die Anhöhe stecken!” rief Reto ärgerlich. ”Abwarten!” Roban sprang aus dem Sattel, riss den Schild aus der Halterung und warf seine Schlafdecke darüber. Dann marschierte er geduckt, den Schild in flachem Winkel vor sich haltend, wieder auf die Anhöhe zu, ging schließlich gar in die Hocke. Seine Gangart erinnerte jetzt an eine gepanzerte Ente, doch so bot er den heimtückischen Schützen kaum Angriffsfläche. Dennoch versuchten sie ihr Glück. Zwei weitere Bolzen schlugen gegen Schild, wurden aber von der doppelt gelegten Wolldecke abgebremst und prallten von der schrägen Fläche ab.

”Jetzt, Reto! Nur zwei Schützen!” brüllte Roban richtete sich wieder auf, und der Tarnelfurter trieb sein Tier erneut an. Tatsächlich, nur zwei Armbrustschützen waren zurück geblieben, saßen auf ihren Pferden und bemühten sich, die Waffen ein weiteres Mal zu spannen. Der Rest des Haufens hatte schon einigen Vorsprung, war aber in der Ferne noch zu sehen. Reto hatte sich während der Spähaktion von Roban seinen Schild am linken Arm befestigt. Er ärgerte sich, dass er die Lanze zurückgelassen hatte, tja es musste auch ohne gehen. Auf Robans Zuruf trieb er Jolande so schnell an wie er konnte. Im Galopp löste mit der Rechten den Streitkolben vom Sattel, packte ihn fest und schwang ihn durch die Luft. Er hielt auf den rechten der beiden Schützen und erreichte ihn gerade als dieser den Bolzen in die gespannte Armbrust legte. Donnernd fuhr ihm Retos Streitkolben über die Brust und riss ihn samt Armbrust aus dem Sattel. Reto hörte noch das Sirren der Sehne als diese sich nach dem Sturz entspannte. Er riss Jolande nach links herum und seinen Schild schützend vor sich. Keine Sekunde zu langsam,denn schon krachte es und er Bolzen schlug auf dem Schild auf. Jedoch schlug er nicht nur auf, sondern er durchschlug den Schild sogar und blieb erst in Retos Kettenhemd hängen.

Reto gab nichts darauf und stürmte auf den zweiten Schützen mit einem ”Für Peraine!” auf den Lippen zu. Reto wusste nicht,ob die Verwunderung in den Augen des Schützen von seinem Schlachtruf kam oder ob dieser von der Schnelligkeit seines Streitrosses überrascht war. Der Schütze warf die Armbrust zur Seite und zog seinen Reitersäbel aus seinem Gürtel. Da war Reto auch schon heran und ließ seinen Streitkolben mit voller Wucht auf den Schützen hinab fahren. Ein in den Ohren schmerzendes Klirren war zu hören, der Säbel des Schützen zerbarst und der Streitkolben streifte ihn noch. Erneut riss Reto Jolande herum, doch diesmal gelang es ihm nicht so schnell. Als er Jolande gewendet hatte gab der zweite Schütze bereits Fersengeld. "Nun einen wollte ich, einen habe ich", dachte Reto, als er den ersten Schützen unweit seines Pferdes auf dem Boden liegen sah. Reto sprang von Jolande und nähert sich mit Streitkolben in der Hand dem Schützen. Da sah er auch Roban über die Kuppe kommen.

Roban verlangsamte seinen Schritt, als er die Situation erfasste. Den flüchtenden Reiter würde er auf Schusters Rappen sowieso nicht einholen, und der andere Schütze krümmte sich auf dem Boden, presste den linken Arm an die Brust, als sei er gebrochen. Kein großer Verlust, befand Roban, und trat rasch einen Schritt zur Seite, als der Rest der Vorhut über die Kuppe sprengte, sein Verwandter vorneweg. Answein machte sich nicht die Mühe, sein Tier zu zügeln, sondern galoppierte an ihm, Reto und dem Gestürzten vorbei, wohl in der Hoffnung, zumindest des zweiten Schützen noch habhaft zu werden, wenn nicht gar des ganzen Haufens der Angreifer.

”Einen Gefangenen wollte ich, einen haben wir ” befand Reto sichtlich zufrieden zu Roban und trat neben den Gestürzten und zerrte ihn auf die Beine. Roban schürzte kurz die Lippen, als er den verletzten Arm sah. ”Na, hätte ein Gaul sich den Vorderhuf derart lädiert, würde man Leim draus kochen!” grinste Roban schadenfroh. Der Kerl würde sobald keine Armbrust mehr spannen – es sei denn, er konnte das auch mit den Zähnen! Während Reto den Mann in Schach hielt, nahm Roban ihm den Waffengürtel ab und griff dann nach dem Helm, der das Gesicht verdeckte. ”Lass doch mal sehen, wer unter der Dunstkiepe steckt!” Nicht gerade sanft zog er ihrem Gefangenen den Helm vom Haupt.

Während der Großteil der Vorhut hinter der Hügelkuppe verschwand, scharten sich drei Soldaten um die gestürzte Reiterin und den neben ihr knieenden Heiler. Die junge Frau stöhnte protestierend auf, als Etilian von Lindholz-Hohenried den schweren Bolzen aus dunklem Holz aus der Wunde entfernte, die dieser gerissen hatte. Das Geschoss war von der Brustplatte abgelenkt worden. Zwar nahm dies dem Projektil einen Teil seiner Kraft, doch war die eiserne Spitze zwischen Brust- und Schulterplatte geraten und hatte sich dort in das Fleisch gebohrt. Vorsichtig löste der Neukoscher die Lederriemen, die vorderen und hinteren Teil der Rüstung an den Seiten verbanden. Er war erleichtert, dass er es nicht mit einem Kettenhemd zu tun hatte, welches es erfordert hätte, dass die Verletzte die Arme hob, um das schützende Kettengeflecht über den Kopf zu streifen. So konnte er die Wunde freilegen, ohne dass die Reiterin sich weiter bewegen musste, indem er die Nähte der wattierten Unterkleidung kurzerhand auftrennte.

Die Wunde blutete verhältnismäßig stark, doch war sie nicht sonderlich tief. Die Rüstung hatte am Ende doch das Schlimmste verhindern können. Etilian stand auf und wand sich zu seinem Warunker um, um aus einer der Satteltaschen weitere Utensilien ans Licht zu fördern, die er benötigen würde. Mit leichtem Unwillen bemerkte er, dass die zum Schutz Abkommandierten, immer wieder zu ihm hinüberblickten. "Achtet auf die Umgebung! Wir sind von der Vorhut getrennt und unbeweglich; ein leichtes Ziel, für jeden Hinterhalt." wies er sie zurecht, bevor er sich wieder der Verletzten zuwand. Mit der Pinzette entfernte er alle Stoffreste aus der Wunde, die er finden konnte. Da selbst kleine Überbleibsel leicht zu einem tödlichen Wundbrand führen konnten, ging er hierbei trotz aller Eile sehr bedacht vor. Erst als er zufrieden mit dem Ergebnis war, griff er zu Nadel und Faden, die er in ein mit Alkohol getränktes Tuch geschlagen hatte und nähte die Wunde mit wenigen, schnellen Stichen zu, während die Reiterin mit zusammengebissenen Zähnen sein Tun beobachtete. Anschließend präparierte er das Tuch mit einer Paste aus heilkräftigen Kräutern und bat die Frau, dieses auf die versorgte Wunde zu pressen, während er sein Werk mit einem Verband fixierte. Schlussendlich nähte er auch die wattierte Unterkleidung wieder notdürftig zusammen und fixierte die Teile der Plattenrüstung. Normalerweise hätte er seiner Patientin diese zusätzliche Last erspart, doch unter den gegebenen Umständen, wog die Schutzwirkung der Rüstung wohl jeden Nachteil auf. Einen Schild würde die Reiterin während des weiteren Einsatzes aber nicht mehr führen können.

Die acht Reiter, die bereits einen etwa dreihundert Schritt weiten Vorsprung herausgearbeitet hatten erreichten einen kleinen Bach, über den sich eine Holzbrücke spannte. Dahinter schloss sich zu beiden Seiten des Weges ein Gasthof an, der jedoch verlassen schien. Als die acht Reiter bemerkten, dass ihre Kameraden in Schwierigkeiten steckten, brachten sie ihre Rösser zum Stehen, bis der neunte Reiter näher gekommen war. Als sie jedoch bemerkten, dass die Vorhut keinesfalls bei ihrem gefangenen Kameraden anhielt, gaben sie ihren Rössern erneut die Sporen. Ihr Vorsprung war jedoch merklich kürzer geworden. Die kleine Holzbrücke bebte bedenklich unter den Hufen der Reiter, doch hielt sie glücklicherweise stand.

Es waren nur noch gut zweihundert Schritt Abstand zwischen den beiden Parteien. Answein Grobhand von Koschtal spornte sein Pferd noch stärker an. Sie konnten es schaffen. Erleichtert bemerkte er, dass der Großteil der Vorhut dicht bei ihm war. Doch irgendetwas stimmte hier nicht. Dieser verlassene Gasthof war ein idealer Ort für einen Hinterhalt. War dies am Ende alles nur ein Versuch sie in eine Falle zu locken? Answein riss an seinen Zügeln und versuchte sein Pferd zum Halten zu bringen, doch es war zu spät. Vor ihm wurde ein Seil hochgerissen, dass bisher im Staub der Straße verborgen gewesen war. Sein Pferd traf auf das Seil und stürzte. Für einen Moment drehte sich alles, dann lag Answein auf dem Boden und konnte nur verschwommen erkennen, wie sich die Fensterläden in dem Gasthaus öffneten und ein Hagel Bolzen auf die überraschten Reiter niederprasselte. Aus der Scheune, auf der anderen Seite des Weges, stürmte ein Haufen mit Stangenwaffen gerüsteter Vagabunden und auch die Reiter machten kehrt und donnerten auf die umzingelte Vorhut zu.

”Flieht!” rief ein junger Reisiger und wendete sein Pferd. Er schaffte es gerade so dem Haufen Spießträger auszuweichen und floh über die Brücke. ”In den Gasthof!” rief hingegen einer der gräflichen Soldritter, schwang sich vom Ross, schlug einem voreiligen Angreifer die gepanzerte Faust ins Gesicht, setzte mit dem Schwert nach und machte drei Schritte auf den steinernen Gasthof zu, nur um vom nächsten Angreifer konfrontiert zu werden. Answein rappelte sich benommen auf. Die ersten Reiter der Vorhut gingen bereits zu Boden. Er musste eine Entscheidung fällen. ”Zieht Euch zurück!” brüllte er über das Durcheinander hinweg. ”Schilde auf den Rücken schnallen! Lauft nicht wie kopflosen Hühner durcheinander!” Noch mit den letzten Worten hatte er den Rondrakamm gezogen und gab ihm einem Angreifer, der sich angesichts seines Sturz wohl im Vorteil gewähnt hatte, zu schmecken. Der Mann starb mit einem verblüfften Blick.

”Los, sammeln und über die Brücke! Geht am anderen Ufer in Deckung!” brüllte Answein noch einmal. Die Geschosse der verborgenen Schützen hatten schon reichlich Schaden angerichtet, zwischen den Häusern gab es keine Deckung, und auf geratewohl in die Gebäude zu stürmen war zu riskant, da niemand sagen konnte, wie viele Schurken dort im Hinterhalt lauerten. Es galt, die wenigen Sekunden zu nutzen, bis der nächste Bolzenhagel auf sie niedergehen konnte. Zum Bach hin hatte der Gasthof nur wenige Fenster, also weniger Schußfeld als zur Straße hin. Wenn sie es erst über die Brücke schafften... endlich galoppierten die ersten Kämpfer der Vorhut zurück, die Schilde wie befohlen über den Rücken gelegt. Dennoch stürzte noch einer aus dem Sattel, von einem Bolzen im Nacken getroffen. Answein blickte sich kurz nach seinem Pferd um, doch das hatte wohl ebenfalls das Hasenpanier ergriffen, also rannte er den anderen nach. Als er die Brücke erreichte, blieb er stehen. Ein Bach, eine Brücke, ein angreifender Reiterhaufen, der den Seinen in den Rücken fallen wollte...dies mochte nicht der Chabab sein, die Strauchdiebe keine Novadi-Horde, dennoch, der Ort und der Zeit schienen ihm perfekt. Er hob die blutverschmierte Klinge vor sein Angesicht und betrachtete die Spiegelung, jenes Gesicht mit der fliehenden Stirn und dem wuchtigen Kiefer, das er immer gehasst hatte. Einzig Rondra hatte in ihm niemals den Ork-Bastard gesehen, und er stand auf ewig in ihrer Schuld. ”Herrin, dein Wille sei mein Befehl!” flüsterte er leise und küsste die Klinge. Der metallische Geschmack von Blut blieb auf seinen Lippen zurück, als er einen raschen Schritt zur Seite machte und den vordersten Reiter mit einem mächtigen Streich aus dem Sattel fegte.

Boronar vom Kargen Land war den Befehlen des Rondrageweihten bislang gefolgt, weil er ihn für den natürlichen Anführer hielt. Da er sich in der Nähe von Answein aufgehalten hatte, hatte er leicht Ruhe bewahren können, als sie in den Hinterhalt gerieten. Dem Soldritter, der in den Gasthof rennen wollte, hatte er noch den Rücken freihalten können, bis sich dieser freigekämpft und wieder aufs Pferd geschwungen hatte. Dadurch war Boronar einer der letzten, die sich über die Brücke zurückzogen. Als er sah, dass der Geweihte zu Fuß war, verstand er augenblicklich, dass es dieser nicht mehr rechtzeitig zu den Berittenen schaffen würde. Alleine jedoch wäre er verloren.

Am Ende der Brücke stellte sich die Situation inzwischen folgendermaßen dar: Die Armbrustschützen hatten zwar zwei Salven feuern können, aber nun hatte wohl jeder seinen gespannten Bolzen verschossen und das Nachladen dauerte entsprechend. Es war ein erstaunliches Bild, wie für einige Zeit tatsächlich der Rondrageweihte alleine die ganze Truppe aufzuhalten schien. Die Brücke war der entscheidende Engpass. Direkt gegen Answein konnte immer nur einer kämpfen, wenn auch zu Pferde. Die anderen mussten notgedrungen hinter ihm warten.

Mit wachsender Sorge musste Boronar mit ansehen, wie sich die Unordnung der Banditen auflöste. Ein stämmige Frau war aus dem Gasthaus getreten und brüllte Befehle. Während sie selbst beim sicheren Gasthaus blieb, bezogen Armbrustschützen auf beiden Seiten der Brücke Aufstellung und begannen die wenigen Mitglieder der Vorhut anzuvisieren, die noch nicht tot oder geflohen waren. Answein kämpfe noch immer gegen den Reiter, doch die übrigen Berittenen ließen sich zurückfallen, während sich die Spießträger zu einem kompakten Haufen formierten. Rasch überschlug Boronar ihre Zahl und erbleichte. Sie hatten es hier mit gut und gerne vierzig Bewaffneten zu tun. Ein rascher Blick über die Schulter zeigte ihm, dass nur noch vier Mitglieder der Vorhut in Answeins Nähe waren. Sie schienen unschlüssig zu sein was zu tun war. Der Rest der Vorhut war geflohen oder bereits bei Boron. Der Ritter vom Kargen Land fällte eine Entscheidung - so, wie wohl auch der Rondrageweihte das für sich getan hatte. "Rückzug!", schrie er den vier anderen Reitern zu, die sich endlich aus ihrer Erstarrung lösten. Gemeinsam preschten sie zurück in Richtung des Herolds und seiner Begleiter.