Grimsauer Liebe - Siegessicher

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Auf den Feldern vor der Stadt Lûr, zur gleichen Zeit, 15. Rondra 1041 BF

Hakan von Nadoret blickte auf die Burg Lûr. Imposant schmiegte sie sich an den Berghang, aus dem sie von Zwergenhand vor unbekannter Zeit geschlagen wurde. Auf den Wehrgängen waren einige Armbrustschützen zu sehen. Es würde nicht leicht sein, sie einzunehmen. Doch alles war nur eine Frage der Zeit. Die Geschütze würden Stein um Stein einschlagen, bis eine Bresche geschlagen würde. Und dann war es Zeit für die Abrechnung. Noch war sich Hakan nicht einig, was er zur völligen Satisfaktion fordern würde. Doch es würde eine Warnung sein an alle, die sich erdreisteten, sich mit dem Haus Nadoret und den Alttreuen anzulegen. Und dass dieses Exempel an einem den Zwergen nahestehenden Möchtegern statuiert würde, machte das Ganze nur noch eindrucksvoller. Ein Lächeln stahl sich, zum ersten Mal, seit er von der Entführung seiner Tochter erfahren hatte, auf seine Lippen.

Bolzerich von Uztrutz ließ seinen Blick über die imposante Szenerie schweifen. Auch wenn es ihn über die Maße verärgerte, dass der Cantzler ihm aufgetragen hatte, mit über die Geschütze zu wachen und nicht an dem Sturm auf die Burg dabei sein zu können, kam er nicht umhin, die perfekte Lage zu bewundern. Mehr als dreimal soviel Mann standen den Belagerern zur Verfügung als in der Burg vermutet wurden. Noch dazu waren die Verteidiger zu großen Teilen nur schlecht ausgebildete Landwehr. Leichtes Spiel also.
Sein Plan stand fest. Sobald die Bresche geschlagen war und das Hauptheer los marschierte, würde er ebenfalls in die Kämpfe an der Burg eingreifen. Es sollte sein Schwert sein, dass den Grimsauer in Borons Hallen schicken sollte. Am liebsten von hinten zwischen die Rippen, so wie es einem ehrlosen Raubritter gebührte!

Wilbur von Nadoret war in Gedanken vertieft. Er hatte Rainfried von Grimsau bereits in der Vergangenheit kennengelernt. Im Wettstreit um die Hand Anglindes von Mackenstein, den Wilbur für sich entscheiden konnte und dem er eine liebende Frau und drei prachtvolle Kinder zu verdanken hatte. Der Grimsauer machte auf ihn damals einen recht zugänglichen Eindruck, und man hatte so manches Mal gemeinsam mit dem Fürsten auf das junge Glück angestoßen. Was mochte wohl in ihn gefahren sein, dass er sich in eine so aussichtlose Lage gebracht hatte? Vielleicht lag doch etwas Wahrheit in dem Gerücht, dass der Wahnsinn im Blut derer von Grimsau lauerte. Das hatte sich in der Vergangenheit bei Anger von Grimsau gezeigt und jetzt wohl wieder bei dem Baron von Lûr.
Ganz gleich, wie er selber zu dem Baron stand, Blut war dicker als Bier und niemand entführte ungestraft seine Base Gunelde.
„Seht!“ Erzbart von Drabenburg riss ihn aus seinen Gedanken. Der alte Ritter zeigte auf die Berghänge hinter der Burg. „Dort scheinen sich doch tatsächlich Menschen zu bewegen.“
Wilbur blickte genauer hin, die jüngeren Augen gereichten ihm zum Vorteil. „Keine Menschen,“ verbesserte er Erzbart. „Zwerge. Und nicht zu wenige!“
Erzbart drehte sich um und blickte auf die anderen Berghänge um sie herum. „Und nicht nur dort! Das sind ja zig von ihnen! Überall!“
Wilbur verbesserte Erzbart erneut. „Nicht zig. Hunderte. Und wahrlich, überall! Wo kommen die her?“
Er lauschte, als kurz darauf ein Ruf aus mehreren Hundert Kehlen von den Bergen hallte.

Angrax ka Dor'angramox! Ka baskan draxin!
Angrax ka Dor'angramox! Ka baskan draxin!
Angrax ka Dor'angramox! Ka baskan draxin!

„Versteht ihr das?“ fragte er Erzbart von Drabenburg.
„Klar und deutlich,“ erwiderte der Baron zu Bärenfang. „Schutz für den Freund der Zwerge! So wie geschworen!“
Wilbur konnte nicht umhin, sich einzugestehen, dass die Lage des Grimsauers nun wahrlich nicht mehr so aussichtslos war wie anfangs gedacht.

Das Lächeln war aus dem Gesicht Hakans von Nadoret wie weggewischt und wurde durch ein laut vernehmbares, wütendes Zähneknirschen ersetzt und Bolzerich von Uztrutz verfluchte lautstark den Tag, an dem er erstmals den Namen Grimsau gehört hatte.