Von Steinriesen und Kräutertränken

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Ausgabe Nummer 43 - Ingerimm 1029 BF

Von Steinriesen und Kräutertränken

Ein Gespräch über Magie für Laien

Nach der außergewöhnlichen Erstürmung des Elenviner Wehrdorfes Hlûtharshof hatte ich tausend Fragen an die beiden Magier, vor allem an Magistra Circe ter Greven, wusste jedoch nicht recht, wie ich es anstellen sollte, sie anzusprechen. Ich saß noch unentschlossen in dem Gasthaus, in dem auch die beiden Magier eingekehrt waren, da sandte HESinde mir Hilfe. Es kam nämlich Kordan Rotrüb, der Koscher Söldnerweibel, hereinmarschiert, begrüßte die Magier artig und durfte sich zu ihnen setzen. Leider verstand ich kein Wort, was dort gesprochen wurde. Wieder half mir HESinde, mit einem Vorwand, meinen Platz zu wechseln.

Kaum hatte ich es mir in der Nachbarschaft der Magier gemütlich gemacht, schnappte ich auch schon auf, wie Kordan die Magistra fragte, was das denn für eine Kreatur gewesen sei, die sie da vor dem Tor beschworen habe — „Das war doch eine Beschwörung, oder?“ Genau die Frage, die mich selbst schon die ganze Zeit beschäftigt hatte! Ich zückte mein Wachstäfelchen, um nur ja alles richtig festzuhalten.

„Ihr habt Euch die zweite Frage selbst beantwortet“, entgegnete die Magistra, „allerdings leider nicht richtig. Darum möchte ich mal einiges richtigstellen: Ich habe vor Hlûthars Hof überhaupt gar nichts beschworen, sondern einen Dschinn herbeigerufen.“

„Ist das — Praiosbehüt'! — eine Art Dämon?“

Da musste ich selber schmunzeln, denn ich hatte schon gehört, dass Dschinne Dämonen nicht leiden können!

„Nein, eben gerade nicht“, antwortete die Magistra auch prompt, „einen Dämon hätte ich in der Tat beschwören müssen. Ich habe jedoch ein Elementarwesen gerufen, genauer gesagt, einen Dschinn.“

Kordan schaute die Magistra an wie ein Ochse, wenn’s aus heiterem Himmel donnert.

„Und was ist da der Unterschied?“

Hier rückte Frau ter Greven ihre Brille zurecht und machte eine Miene wie Meister Stenosch, bei dem ich lesen und schreiben gelernt habe. Viel Zeit zum Erinnern blieb mir nicht — möge HESinde im Folgenden meinen Griffel richtig geführt haben!

„Dämonen sind Wesen, die den Niederhöllen entstammen und die vermöge einer Beschwörung in diese Sphäre verbracht werden können. Die meisten, jedoch nicht alle dieser Wesen werden einer Domäne des Antidodekarions, also einem der Widersacher der Zwölfe, zugeordnet. In der dritten Sphäre, also hier, kann man sie dann zwingen, Dienste zu leisten. In eigentlich allen Fällen ist das Verhalten von Dämonen von Hass und Zerstörungswut geprägt. Bringt der Beschwörer sie nicht unter Kontrolle, handeln sie dementsprechend. Zwingt er sie unter seinen Willen, tun sie das, was er will, aber das ist dann häufig keinen Deut besser. Elementarwesen, also auch Dschinne, sind im Gegensatz dazu diesseitige Wesen, die einem der Elemente Feuer, Wasser, Luft, Erde, Stein oder Eis zugeordnet sind. Sie sind nicht beherrschbar und tun im Prinzip, was sie wollen. Man kann sie allerdings um etwas bitten. Diesen Bitten wird dann entsprochen oder nicht. Je aufwendiger die Erfüllung des Wunsches ist, desto eher wird er abschlägig beschieden Allen Elementarwesen ist gemein, dass sie dem, der sie gerufen hat, nicht prinzipiell feindselig gesonnen sind. Meistens braucht man Überredungskunst, um sie zur Erfüllung des Wunsches zu bewegen.“

Kordan war nach dieser Lektion so erschlagen wie ich und, wie mir schien, selbst der Begleiter Frau ter Grevens, erholte sich aber früher. Deshalb habe die Magistra mit diesem Wesen gehandelt? fragte er. Wahrscheinlich war ihm ohnehin nur der letzte Teil der Rede im Gedächtnis geblieben.

Frau ter Greven bejahte. „Ich bat den Dschinn, das Tor zu zerstören. Er frug mich daraufhin, warum er das tun solle. Ich habe daraufhin versucht, ihm einen Beweggrund einzureden.“

Ausgerechnet jetzt erhoben sich lärmend ein paar andere Gäste am Nebentisch, um die Wirtschaft zu verlassen. Ich weiß daher nicht, ob die Magistra den Beweggrund noch weiter ausgeführt hat.

„Wie könnt Ihr sowas rufen, und warum spricht es unsere Sprache?“, hörte ich Kordan weiterfragen.

„Bei Hesinde!“, rief die Magistra aus und gab mir Zeit, ein neues Wachstäfelchen hervorzuziehen, „es nimmt mehrere Götterläufe in Anspruch, einem Eleven zu erklären, wie Elementarwesen gerufen werden. Warum sie überhaupt gerufen werden können, ist noch interessanter, aber bislang nicht abschließend magietheoretisch geklärt. Die Gesten, Worte, die Bewegungen und die anderen Randbedingungen waren schon den alten Tulamiden zu Zeiten bekannt, als Horas höchstselbst noch über das Bosparanische Reich herrschte. Die Zauber, oder besser, die Rituale, mit denen Elementarwesen herbeigerufen werden, befähigen die herbeirufende Person, mit den Elementarwesen zu sprechen und sie zu verstehen, oder umgekehrt, wenn Euch das lieber ist.“

Ich hatte ‚ohne zu denken die Worte meinen Griffel führen lassen’, wie Meister Stenosch mir einst beigebracht hatte. Ich hoffe, das Fehlende richtig ergänzt zu haben. Kordan hatte wahrscheinlich auch ohne mitzuschreiben nicht viel verstanden.

„Ist es verwundbar?“ fragte er weiter, und es wunderte mich ein wenig, dass er diese Frage nicht früher gestellt hatte. Wiederum bejahte die Magistra. „Die Hellebarden der Flussgarde richten allerdings gar nichts gegen Dschinne aus. Man bekämpft sie mit dem entgegengesetzten Element oder mit Magie. So gesehen war es ganz gut, dass ich das Tor auf diese Weise habe öffnen lassen.“

Das verblüffte „Wieso?“ Kordans sprach ich im Stillen mit.

„Es wird höchste Zeit, dass sich die Truppen aller Reiche an Gegner, die eben nicht mit Hellebarde, Axt oder Schwert bekämpft werden können, und arkane Handlungen des Feindes gewöhnen!“ gab die Magistra zur Antwort. „Noch wichtiger ist es, den an der Ostgrenze stehenden Heeren Zauberkundige zuzuteilen. Das ist bisher in viel zu geringem Umfange geschehen.“

Was sollte der arme Weibel Rotrüb darauf sagen? Weiterfragen war in diesem Falle die beste Verteidigung. Ob „sowas überall gerufen werden“ könne, wollte er wissen.

„Einen Dschinn kann man in Gebieten rufen, die nicht dämonisch verseucht sind.“ — Frau ter Greven bestätigte damit, was ich über Dschinne und Dämonen gehört hatte! — „Darüber hinaus muss eine gewisse Menge des Elementes vorhanden sein. Ein Eisdschinn wird in der Khom also nicht erscheinen.“

Kordan nickte bedächtig. Endlich etwas, was zu verstehen war.

„Geht sowas von selbst wieder weg?“, fragte er weiter, „und wohin?“

„Die Dschinne sind immer da, sie sind nur nicht manifestiert“, belehrte ihn die Magistra. „Wenn sie — aus unserer Sicht — verschwinden, entmanifestieren sie sich und sind nicht zu entdecken. Der Dschinn, der das Tor eingedrückt hat, ist seit tausenden Jahren präsent, weiß, wann Hlûtharshof gebaut wurde, und hat Völker erstarken und vergehen sehen. Er ist jetzt vermutlich immer noch da, aber eben nicht manifestiert.“

Seiner Miene nach zu urteilen, wusste Kordan so wenig wie ich, ob diese Auskunft nun beruhigend oder beunruhigend war. Ich musste schon wieder meine Wachstafel wechseln — meine letzte — und bekam nur halb mit, wie Kordan sich nun an den Begleiter Frau ter Grevens wandte, den Magus fa Shantalla.

„...sag einfach ‚Meister Erkomir’“, hörte ich den Wohlgelehrten Herrn gerade noch sagen, bevor Kordan ihn fragte, mit was er die Verteidiger des Wehrdorfes denn eingeschläfert hätte, wenn es nötig gewesen wäre.

„Naja“, Herr fa Shantalla hörte sich etwas überrascht an, „mit einem Schlafgift. Genauer gesagt, nicht einmal einem Gift, sondern einem Schlaftrunk, wie man ihn auch Kranken gibt, nur viel konzentrierter.“

„Also einem magischen Trunk?!“ Ich hatte den Eindruck, Weibel Rotrüb war begierig, noch mehr über Zauber zu hören, und muss zugeben, selber neugierig gewesen zu sein. „Ach was! Viel zu aufwendig!“ winkte der Magus zu unser beider Enttäuschung ab. „Nein, rein pflanzlich.“

„Und die kranken Kameraden ...?“

„... hab’ ich mit zerstoßener Holzkohle und Kräutertee kuriert.“

„Nee...“, Kordan war nicht zufrieden, „ich mein’ eher: wie habt Ihr sie erkannt? Also, wie habt Ihr erkannt, wer gesund ist, wer nicht?"

Herr fa Shantalla wirkte etwas ratlos. „Naja — wie die halt jeder Heiler erkannt hätte...“

„Ohne Magie?!“ Kordan war ehrlich enttäuscht, der Magus dagegen eher verwirrt.

„Also, um einen mit Flinkem Difar von einem ohne Flinken Difar zu unterscheiden, braucht man keine Magie... Außerdem war ich lange genug Feldscher, ich kenne die Schliche.“

Ein Magus, der als Feldscher gearbeitet hatte?! Freilich hatte ich das schon bei anderen Heilzauberern erlebt, dass sie nicht so akademisch daherkommen wie sonst die Magier.

„Ja, aber dann ins Wehrdorf — da seid Ihr aber mit Magie hineingekommen?“, fragte Kordan weiter. Irgendwo musste der Magus doch gezaubert haben!

„Ach, naja“, fing der an und wirkte auf mich fast verlegen, „eigentlich nicht mal.“ Wohlgeboren Muggenschlag sei „schon recht gut“ gewesen.

Er habe gar keine Zauber verwendet?

„Ziemlich wenig“, gab Meister Erkomir da zu. Ein paar, wie er sich ausdrückte: „Voco... — magische Bauchrednerei, meine ich, ein Horriphobus...“

Das hörte sich entsetzlich an, fand auch Kordan. Und so etwas in einer Wehrübung, die das ja hatte sein sollen?!

„Sicher“, gab der Magus ungerührt zurück; Flussgardisten würden nicht gleich sterben vor Angst, und mehr mache der Zauber nicht: bloß Angst einjagen. Dass der Hauptmann dabei in den Brunnen gefallen war, sei ein Versehen gewesen, und er habe ihm „die Schrammen auch gleich geheilt“. Sowieso — er habe „mehr Balsam nachher gewirkt als irgendwelche anderen Zauber während der Aktion.“

„Balsam?“, fragte Kordan nach, „Ihr meint den Balsam-sa-la...“

Beinah hätte ich selbst losgelacht. Ich habe den Spruch dieses Heilzaubers im Feld oft genug gehört! Meister Erkomir dagegen verzog kaum das Gesicht, sondern ergänzte geduldig: „...bunde, ja.“

Endlich ein echter Zauber! Der Weibel freute sich sichtlich. Und noch dazu einer, den er kannte.

„Das wollt’ ich schon immer mal fragen: Wie wirkt der eigentlich?“, sprudelte er drauflos.

„Der Balsam?“, fragte Meister Erkomir etwas ratlos zurück, „oje... — Circe, erklärst du Weibel Rotrüb bitte mal die Wirkungsweise eines Bhalsama sala bian da'o?"

Ich bin fast sicher, dass Herr fa Shantalla dabei grinste! Und ich gebe zu, ihn später gefragt zu haben, was er da gesagt hatte und wie man das schreibt.

„Du meinst wohl umschreiben, ja?“, gab Frau ter Greven gleich zurück. Mit einem „Also gut“ setzte sie sich zurecht und erinnerte mich wieder an Meister Stenosch. Und ich kann nur hoffen, dass ich beim Folgenden meine eigenen Abkürzungen richtig gelesen habe, denn ich hatte schon gar keinen Platz mehr auf meiner letzten Wachstafel. „Dieser Zauber behebt generell körperliche Schwächen und Schäden, deren Ursache, also venetische Tincturen oder Krankheiten, bekämpft er nicht. Lediglich bei offenen Wunden werden vorhandene Verunreinigungen herausgedrückt. Er stellt bei Verletzungen den ursprünglichen Zustand wieder her. Es ist auch möglich, mit diesem Zauber schwerste Verletzungen und Verstümmelungen zu kurieren, wenn man schnell genug handelt. Vernarbte und verheilte Wunden sind nicht behandelbar — jedenfalls mit diesem Zauber nicht.“

Kordan bedankte sich etwas verdattert für diese Ausführungen, ich mich im Stillen desgleichen. Die abschließenden Worte der Magistra jagten mir aber doch einige Furcht ein, wegen ihres Seitenblicks auf mich und wegen des strengen Stenosch’schen Tons: „Gern geschehen, so sie nicht sinnentstellt wiedergegeben werden.“

So schnell ich konnte, verzog ich mich mit einem Krug Bier auf meine Kammer, um das Erlauschte ins Reine zu schreiben und meine Eindrücke gleich dazu!

Wer sich jetzt wundert, was so ein Bericht über Magier und Zauberei im KOSCH-KURIER zu suchen hat, bedenke, dass auch Frau HESinde zu den Geschwistern Mutter Travias und Väterchen Ingerimms gehört. Und sie beschützt nicht nur die Zauberer — jedenfalls die guten —, sondern sieht es auch gern, wenn jeder von uns noch etwas über die Welt hinzulernt. Außerdem habe ich kurz vor meiner Heimreise noch erfahren, dass Magistra ter Greven und Meister Erkomir sogar schon selbst im Kosch gewesen sind und hier viel Gutes gewirkt haben.

Filomena Siebenmaer, mit Dank an Magistra ter Greven und Magister fa Shantalla

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Die Sieben Sphären

l. Ordnung & Stillstand - Der Urgrund der Welt

ll. Dere & Feste - Sumus Leib

lll. Leben & Fruchtbarkeit - Die bewohnte Welt

llll. Tod & Vergehen - Das Toten-Reich

V. Alveran - Der Götter Wohnstatt

Vl. Sterne & Kraft - Der Sternen-Himmel


Vll. Chaos & Brodem - Die Nieder-Höllen

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Die sechs Elemente oder Ur-Stoffe

Feuer - Des Herr Ingerimm eines Element

Luft - Des Herr Effered eines Element

Eis - Des Herrn Firun Element

Wasser - Des Herrn Efferd anderes Element

Erz - Des Herrn Ingerimm anderes Element

Erde - Der Frau Peraine Element