Neues aus Hohentrutz - Die Gesandtschaft (1): Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 3. Juli 2019, 10:37 Uhr
Nahe der Siedlung Hohentrutz in Moorbrück, kurz vor Sonnenuntergang, 1033
Gilia Ulfaran blinzelte gegen die tiefstehende Sonne.
Den ganzen Tag schon war sie mit Aldur Haubenschreier im Moorbrücker Sumpf unterwegs, mit einer Nachricht für den Herrn von Hohentrutz. Erst am Morgen war ein zwergischer Pilzzüchter in Neuvaloor eingetroffen, der die Absicht hatte, sich in Hohentrutz niederzulassen - wohl allein deswegen, weil es dort eine ledige Zwergin gab!
Schon am Mittag hatten sie eine kurze Rast in der Siedlung Klammwinkel des Grimm Goldmund von Koschtal eingelegt und sich dann gen Efferd gewandt.
Der Weg - sofern es überhaupt einen gab - war mit jeder Stunde schwieriger geworden, hatte sie zu manchem Umweg gezwungen und viel Zeit gekostet. Von menschlicher Besiedlung war indes noch nichts zu sehen, und das Praiosauge hatte den Horizont schon beinahe erreicht, so dass Gilia sich innerlich bereits auf eine ungemütliche Nacht im Sumpf eingestellt hatte.
Dann aber deutete der Angbarer nach vorn.
"Siehst du das?" fragte er, und Gilia kniff die Augen zusammen.
"Eine Art...Stickel, ein Pfosten oder so was", stellte sie fest und hielt sofort darauf zu.
"Kann noch nicht alt sein", stellte sie fest, als sie neben dem schlichten Zaunstickel halt machte.
"Kaum vermodert. Und jemand hat einen weißen, naja, beinahe weißen Tuchfetzen daran befestigt."
"Da ist noch einer", erneut deutete Aldur voraus.
"Und noch einer."
"Da hat jemand einen Pfad markiert", vermutete die Dunkelforsterin.
"Und hoffentlich einen sicheren, der uns nach Hohentrutz führt!"
Ohne auf eine Zustimmung des Angbarers zu warten, schritt sie forsch weiter aus. Der markierte Weg war alles andere als trocken, aber der Boden zumindest so fest, dass sie gut voran kamen.
Bald schon schälten sich die Umrisse einer Erhebung aus der ansonsten flachen Landschaft, und weitere Minuten später konnten sie schon drei kleine, rechte neue Häuser erkennen, die sich auf der Kuppe des Hügels um einen einzelnen Baum scharten.
"Das muss Hohentrutz sein", sagte Aldur hoffnungsvoll.
"Hohentrab wäre wohl angebrachter", schmunzelte Gilia leise.
"Bei einem so hochtrabenden Namen für diesen Ort!"
Doch trotz der Schlichtheit der Siedlung war sie innerlich dankbar, es bis hierher geschafft zu haben. Die einfachen Häuser wirkten in dieser Einöde so einladend wie ein Gasthaus, und unwillkürlich gingen beide noch einen Schlag schneller, um die Häuser vor Anbruch der Dunkelheit zu erreichen. Sie konnten in der Dämmerung einige Leute erkennen, die an der Trockenlegung des Bodens arbeiteten, und hörten schließlich jemanden aus einem tieferen Entwässerungsgraben lautstark fluchen.
Beim Näherkommen sahen sie zuerst einen Mann, der mit unablässigem Schimpfen eine Hacke in den Moorboden trieb, und dann noch eine Zwergin, die mit einem Spaten das Gleiche tat.
"Verzeiht, guter Mann", rief Gilia schon von weitem, "aber der Ritter vom Kargen Land, der Herr der Siedlung Neuvaloor, schickt uns mit wichtiger Kunde zum Ritter Grobhand von Koschtal. Wisst Ihr, wo wir ihn finden können?"
Der Mann wischte sich einen verirrten Lehmklumpen aus dem Gesicht, und seine Miene verfinsterte sich binnen weniger Sekunden, als hätte die Dunkelforsterin ihn auf das Übelste beschimpft.
„ORKENSCHISS UND DONNERWETTER!“ brüllte er dann ansatzlos.
„Was für Torfköpfe schickt Boromil mir da, dass ihr nicht mal einen Ritter erkennt, wenn er direkt vor euch steht!“
Die Dunkelforsterin zuckte wie unter einem Peitschenhieb zusammen, und Aldur wich unwillkürlich einen Schritt zurück, als der Mann regelrecht aus dem Graben sprang und sich vor ihnen aufbaute. Besonders adelig wirkte er wirklich nicht. Die Kleidung war schlicht und völlig verschmutzt, ebenso die Hände und das Gesicht.
Allerdings erinnerte Gilia sich daran, dass auch der Ritter vom Kargen Land kaum besser ausgesehen hatte, wenn er sich an den Arbeiten beteiligte.
Aber ein Wortwahl wie jene, die der Koschtaler jetzt in Richtung der Dunkelforsterin und ihres Begleiters losließ, hatte keiner der beiden von ihrem Herrn jemals gehört! Und sie hätten auch niemals geglaubt, derartiges überhaupt jemals aus dem Mund eines Adeligen zu hören zu bekommen.
„Ist doch einfach unglaublich! Da ist man sich schon nicht zu fein zum Arbeiten, und schon hält mich jeder dahergelaufene Bauernlümmel und jede Schankmagd gleich für ihresgleichen!“
Ohne die Schimpftirade einen Moment lang zu unterbrechen, hatte der Ritter seinen Waffengurt umgeschnallt, der bislang im hohen Gras gelegen hatte.
„Wohlgeboren, wir...“, versuchte Gilia sich an einer Erklärung, doch eine herrische Geste schnitt ihr das Wort.
„SCHNAUZE! Du redest, wenn ich frage, ansonsten übst du dich in borongefälligem Schweigen!“
Der Ritter musterte die zwei einen Moment lang, als wolle er überlegen, ob er Gilia und Aldur jetzt doch noch zu Wort kommen lassen oder gleich im nächsten Sumpfloch versenken sollte.
„Also, warum schickt der Herr vom Kargen Land die größten Fransenschädel seines Haufens? Wollte er euch loswerden?“
Gilia schluckte ihren Ärger herunter und berichtete knapp von der Ankunft der Angroschim in Neuvaloor. Der Ritter fingerte indes eine Pfeife aus der Hosentasche und steckte sie sich zwischen die Lippen.
"Ein Angroscho! Sehr gut!" befand er dann in etwas versöhnlicherem Ton.
"Fragt sich nur, wen ich...", er ließ die Blicke über seine Siedler schweifen, kaute einige Sekunden lang auf dem Pfeifenstiel herum, nahm ihn wieder aus dem Mund und pfiff lautstark auf den Fingern.
"Danja!" brüllte er über den Sumpf, wo sich eine Frau in schmutziger Robe auf seinen Ruf hin aufrichtete.
"Komm doch mal bitte her!"
Gilia musterte die Frau, als sie sich näherte. Sie ging als ziemlich hübsch durch, wenn man den Schmutz auf ihrer Kleidung und ihren Händen nicht beachtete, wirkte recht selbstbewusst und ob der Störung leicht verärgert.
Die letzten Schritte ging ihr der Ritter entgegen und winkte Gilia hinter sich her, als wolle er nicht, dass die noch immer grummelnd im Graben arbeitete Zwergin mithören konnte.
"Was wünschen Wohlgeboren?" fragte sie schnippischem Unterton, ließ sich die zwei Neuankömmlinge vorstellen und den Grund ihres Hierseins erklären.
"Der Herr vom Kargen Land schickt also Leute, damit du...Ihr jemanden schickt, der diesen Zwerg begleitet? Hätte er nicht gleich...", sie verstummte, als der Ritter tadelnd die Brauen hob, räusperte sich knapp und nickte dann.
"Natürlich! Gehe ich recht in der Annahme, dass Ihr mich darum bitten wollt, diesen Gang zu unternehmen?" fuhr sie fort.
"Der Ritter vom Kargen Land hat einen Turm in seiner Siedlung", erklärte der Ritter mit zweideutiger Miene.
"Einen Turm, von dem es heißt, Zulipan von Punin selbst habe darin gewohnt!"
Danjas Miene veränderte sich. Der Ärger wich ehrlichem Interesse.
"Zulipan von Punin", wiederholte sie nachdenklich.
"Teilt der Herr vom Kargen Land die hier üblichen Vorbehalte gegenüber den arkanen Künsten, oder..."
"Teilt er nicht", unterbrach Roban sofort.
"Im Gegenteil scheint er sie sogar sehr zu schätzen. Daher wärst du regelrecht prästiniert..."
"Prädestiniert", dieses Mal unterbrach die Maga den Ritter.
"Aber in der Tat, diese kleine Reise könnte sich recht als recht lohnend heraus stellen. Na schön! Wann brechen wir auf? Und wie heißt dieser Zwerg überhaupt, und welcher Profession befleißigt er sich?"
Roban musterte Gilia und Aldur kurz, dann nickte er der Dunkelforsterin aufmunternd zu.
„Jalosch Pilzanger“, erklärte Gilia wortkarg.
„Seine Profession ist mir nicht bekannt. Aber ich glaube, seine Familie züchtet Pilze.“
Der Ritter nickte zufrieden.
"Auf keinen Fall brecht ihr vor morgen früh auf. Und erst, wenn sich der Nebel gelichtet hat. Es braucht keine weiteren Begegnungen mit irgendwelchen Viechereien im Nebel!"
Er wandte sich an die Verwalterin Salwine Zwingler, die im Verlauf des Gesprächs näher gekommen war.
"Haben wir noch Stickel übrig? Wenn Danja schon unterwegs ist, könnte sie einen gangbaren Pfad direkt markieren!"
"Bedaure, Herr", die Verwalterin hob die Schultern, "alle bereits verbraucht. Bis weiterer Nachschub eintrifft, müssen wir mit jeglichem Material knausern!"
"Ork-Scheiße!" brummte Roban ärgerlich.
"Na schön, dann eben ohne! Packt drei Paar Sumpflatschen ein, für alle Fälle, und ausreichend Fressage für zwei Tage. Über Nacht bleibt ihr zwei hier", er deutete knapp auf Gilia und Aldur, "und kein Wort zu Thurescha!"
Die Zwergin hatte er jetzt ebenfalls ihren Arbeitsplatz verlassen und sich daran gemacht, ihren Spaten akribisch von jeglichem Schmutz zu befreien.
"Soll eine Überraschung für sie werden!"
Nachdem der morgendliche Nebel sich verzogen hatte, waren drei Wanderer von Hohentrutz aus gen Südwesten aufgebrochen.
Danja Salderken hatte versucht, so etwas wie eine Unterhaltung in Gang zu bringen. Nur zu gern hätte sie mehr über ihr Ziel erfahren, über den Herrn von Neuvaloor und dessen Charakter, über den Turm und über vielerlei Dinge mehr, doch sowohl Gilia Ulfaran als auch Aldur Haubenschreier hatten sich überaus einsilbig gegeben, bis die Maga ihre Versuche aufgab.
Ob diese Schweigsamkeit bei den beiden normal war oder damit zusammenhing, dass sie eine Zauberkundige - eine außerkoscher Zauberkundige! - war, wusste sie nicht, und beschloß für sich, es gar nicht wissen zu wollen.
So konzentrierte sie sich darauf, einen Fuß vor den anderen zu setzen, den Sumpfflecken auszuweichen und die Augen offen zu halten.
Die mittägliche Rast fiel kurz und ebenfalls schweigsam aus, ebenso die Visite in der Siedlung des Ritters Goldmund von Koschtal, wo man sie ebenso misstrauisch beäugte.
Das Praiosauge berührte beinahe schon wieder den Horizont, als sich die Silhouette einer Turmruine aus der Dämmerung schälte.
"Gleich sind wir da", brummte Aldur überflüssigerweise, und Danja nickte.
Sie nutzte die letzten Minuten der Reise, um ihre Garderobe einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Das Reisegewand entsprach zwar ihrem Stand, war aber alles andere als sauber. Das gleiche galt für den Saum ihres Kleides und die Stiefel.
Andererseits war es ohne Magieeinsatz wohl kaum möglich, diesen Sumpf ohne den ein oder anderen Schlammspritzer zu durchqueren, und wenn der Herr vom Kargen Land nicht gerade penibel wie ein Praios-Priester war, würde er darüber wohl hinweg sehen können.
Dennoch konnte es nicht schaden, auch optisch einen positiven Eindruck zu hinterlassen.
Also lockerte sie die Schnüre am Kleidausschnitt ein wenig, nicht so viel, dass es gleich billig und unanständig wirkte, aber weit genug, um ihre üppigen Rahjasfrüchte dezent zur Geltung zu bringen. Immerhin wusste sie von Roban, dass es noch keine Frau vom Kargen Land gab - möglicherweise konnte gezielt eingesetzte Weiblichkeit das Zünglein an der Waage darstellen, wenn sie die ein oder andere Bitte gegenüber dem Landesherren äußerte.
Inhaltliche Fortsetzung in Ritter Boromils Gespür für das Moor - Die Besucher