Glaube im Kosch — Teil XI: Efferd, der Launenhafte

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Ausgabe Nummer 45 - Rondra 1030 BF

Auf dem Zwölfergang

Glaube im Kosch — Teil XI: Efferd, der Launenhafte

Väterlich umschließen Ingerimm und Efferd schützend den Kosch — der eine mit seinen hohen Bergen, der andere mit seinen schäumenden Wogen. Und so wird dem Launenhaften auch in unserem Lande große Verehrung zuteil. Der Efferdsturm an der Ange ist vorletzte Station des Zwölferganges, den unser Chronist Born von Stedtler fromm und wacker beschreitet.

Unbeschwert von Bauchschmerzen und anderen Gebrechen mache ich mich bei Sonnenaufgang bereit für die nächste Etappe des Zwölfergangs. Es ist ein kurzer Weg: Wie der Blütengrund der Peraine liegt auch die Station des Herrn Efferd in der Geistmark. Besser gesagt, sie steht, denn es handelt sich um einen Turm, direkt an die Wasser der Ange gebaut. So viel weiß ich schon, alles Weitere werde ich noch heute mit eigenen Augen sehen, denn nur etwa ein Dutzend Meilen trennen mich von meinem Ziel.

Der Karrenweg von Storchsklausen mündet bald in die Angenstraße, die das Herz der Provinz mit ihrer Nordgrenze verbindet. Auf mittlerer Höhe einer Hügelkette führt sie hier in einigem Abstand am Ufer entlang. Der Fluss im Tal glitzert in der Rondrasonne, selbst das zwischen Weg und Gewässer liegende Angenmoor hat sich in der Hitze seiner Nebeldecke entledigt. Da, ein Turm — doch es ist noch nicht das Ziel, sondern der Bergfried der alten Baronsburg Halmwacht. Von seiner Spitze schweifen meine Augen weiter nach oben. Immerzu erwarte ich, dass vielleicht plötzlich Regenwolken den Himmel verdunkeln, um mir die Macht des Herrn Efferd zu verdeutlichen. Doch die Praiosscheibe scheint unverdeckt, als ich nach einer Biegung der Straße endlich den Efferdsturm im Tal erblicke. Gut zehn Schritt ragt der schlanke Turm auf, ganz in Blau ist er gestrichen. Als ich näher komme, fallen mir efferdgefällige Reliefs in der Mauer auf. Doch ich halte mich nicht länger damit auf, sondern trete sogleich durch den Torbogen ins schattige Innere des Turms. Eine Treppe führt bis aufs Dach. Dort treffe ich einen halbwüchsigen Jungen. Er sagt, er gehöre zu einem Bauernhof, den ich von hier aus auf einer Hügelkuppe ausmachen kann. Weil nur zu besonderen Festtagen ein Priester des Herrn Efferds zum Turm komme, bezahle die Kirche den Bauern ein kleines Handgeld, damit sie in diesen unruhigen Zeiten ein Auge auf den heiligen Ort behielten. Ich steige wieder hinab und setze mich ans Ufer der Ange. Im Wasser zu meinen Füssen schwimmen zwei prächtige Plötzen. Manchmal drehen sie die Köpfe zu mir, als schauten sie mich prüfend an. Fast glaube ich, sie werden demnächst zu mir sprechen — doch sie bleiben stumm.

Am Abend bin ich beim Bauern zu Gast. Nur halb im Scherz beklage ich, dass die Fische geschwiegen haben und ich vergebens auf ein kleines Zeichen des Herrn Efferd gewartet habe. Der Bauer lacht mich aus: „Wo denkt Ihr hin! Sollte der Herr der Wogen sein Tun unterbrechen, nur weil Ihr gerade heute vorbeikommt? Seid nur froh, dass er Euch nicht bemerkt hat, er hätte wohl seine Launen an Euch ausgelebt! Doch wisst, von vielen, die den Zwölfergang zweimal gegangen sind, hab ichs gehört: dass irgendwann, wenn grad keiner damit gerechnet hat, der Herr Efferd plötzlich doch seine Gnade über den Pilger ausgeschüttet hat.“

Aus der Historie

Neben Praios, Travia, Boron, Peraine und Rahja war Efferd, der Herr von Wasser, Wind und Wolken eine jener Gottheiten, die schon von den frühen bosparanischen Siedlern unter Admiral Sanin ins Land gebracht wurden. Im alten Vadocia (dem späteren Ferdok) muss es bereits in jenen frühen Tagen einen Tempel des Efferd gegeben haben — der Sage nach von Admiral Sanin, einem eifrigen Verehrer des Meeresgottes, selbst gegründet. Eines der vielen Märchen aus den Dunklen Zeiten kündet vom silberhaarigen Zwergenmädchen (!) Lorine, das so schön und reinen Herzens gewesen sei, dass der Flussvater selbst es vor dem Ertrinken gerettet und stattdessen in sein Reich aufgenommen habe — die bis dato erste Erwähnung des Flussvaters im Kosch. In dieser Zeit erblühte der Aberglaube und vermischte sich mit den althergebrachten Riten des Efferd. So entstanden damals wohl auch regelrechte Kulte zur Huldigung der Quellnymphe an der Rakula oder zur Verehrung der Noggen aus dem Angbarer See. Diese „Verwässerung“ des Efferdglaubens ging in den Jahren nach Gründung des Neuen Reiches noch weiter. Die Überfälle der bekanntermaßen als efferdgläubig geltenden Thorwaler taten wohl ihr Übriges, um die Ehrfurcht vor dem „Piratengott“ zu schmälern. Bis in Ferdok im Jahr 162 BF gar der letzte Geweihte starb und der Tempel zugunsten eines neuen Ucuritempels weichen sollte. Die Legende will, dass noch am Tag, als der erste Stein des Efferdhauses fiel, ein Unwetter über das ganze Land am Oberlauf des Großen Flusses hereinbrach. Die Stadt erlebte die schlimmste Flut ihrer Geschichte und als das Wasser nach mehreren Wochen endlich zurückwich, lag der alte Tempel in Trümmern und der Lauf des Großen Flusses mehrere Meilen weiter nördlich — so als würde der Strom um die Stadt einen großen Bogen machen. Ferdok war von seiner Lebensader abgeschnitten, zwischen Stadt und neuem Hafen lag ein kaum durchquerbarer Sumpf und die einst blühende Metropole des Kosch drohte in Bedeutungslosigkeit zu versinken. Erst jetzt, als sie den Zorn des Gottes spürten, besannen sich die Ferdoker, und auch die anderen Anwohner des Großen Flusses wandten sich wieder dem Herren Efferd zu. Eine der Flut entkommene Ferdokerin, die man später Efferdane von Ferdok nannte, ging gar so weit, ihr Leben dem Wassergott zu weihen und am neuen Hafen einen Tempel zu gründen, der, als knapp hundert Jahre später das heutige Ferdok an den neuen Flusslauf verlegt wurde, zum Zentrum Neu-Ferdoks werden sollte. Bis heute glauben die Bewohner des Großen Flusses, dass die „Zornesflut“ wiederkehrt, wenn abermals kein Geweihter an seinen Ufern Wacht hält — was in der Folge die Gründung weiterer kleiner Tempel in Drift, bei Nadoret oder Wallerheim nach sich zog und zur Frömmigkeit der Flussanrainer führte.

Als besonders efferdfürchtig galt auch Fürst Idamil der Fischer (820-863 BF), welcher den Tempel zu Angbar stiftete, der allerdings vor wenigen Jahren in den unheiligen Flammen des Alagrimm verglomm und dessen Ruine seither als Herberge der Traviageweihten dient.

Koscher Eigenheiten

Auch wenn mancher bei der Nennung des Kosch vor allem an eher trockene Berge oder Zwergenstollen denkt, so ist unsere Heimat doch auch von vielen Bächen und Flüssen durchzogen. Der König aller Flüsse selbst wird hier aus Ange und Breite geboren. Bis heute gelten die Anwohner des Großen Flusses, speziell die dortigen Fischer und Fluss-Schiffer, aber auch die Bauern, als besonders efferdfürchtig — sind sie doch von den Launen des Stromes während der nahezu jährlichen Hochwasser abhängig. Sie sind es auch, die zudem den Flussvater verehren; er gilt als Verkörperung des Gewässers und direkter Ansprechpartner, wenn es gilt, den Fluss milde zu stimmen. Für die meisten ist er ein hoher Diener oder Freund Efferds, für manche gar eine Verkörperung des Gottes selbst — was die Geweihten zumeist bestreiten. An seiner Existenz zweifeln jedoch die wenigsten. Das Gerücht, dass vor einigen Jahren viele reiche Händler und hohe Adelige (darunter gar der Fürst) bei Thûrbrück vom Flussvater vor dem Ertrinken gerettet wurden, gab diesem Glauben neue Gewissheit. Zwar mag die Huldigung des Flussvaters hierzulande weniger innig sein als in Albernia, wo sich bis heute ein regelrechter Kult gehalten hat, doch opfert man auch hier in einer Mischung aus Aberglaube und tiefer Ehrfurcht bisweilen einen Teil des gefangenen Fisches, einen kühlen Trunk oder glitzernde Steine und Münzen für Efferd und das „launige Väterchen“. Selbst die Händler des „Albenhuser Bundes“ haben an jeder ihrer Fluss-Stationen einen kleinen Schrein zu gemeinschaftlichen Ehren Phexens, Efferds und des Flussvaters errichtet.

Jenseits des Großen Flusses nimmt die Verehrung Efferds zugunsten seiner zwölfgöttlichen Geschwister spürbar ab — und man muss schon die Augen weit öffnen, um Zeichen der Verehrung zu finden. Am leichtesten mag dies noch am Angbarer See gelingen, an dessen friedlichen Gestaden man so manchen idyllischen kleinen Schrein und Tempel findet. Auch hier sind es vor allem Fischer, aber auch die Fährleute, die ihn verehren — auch wenn man hier ein naturgemäß freundlicheres Bild von ihm zeichnet. Hier sieht man ihn als gütigen Spender von reichem Fisch und klarem Wasser, der nur selten (und nur aus gutem Grund) seinen Zorn zeigt. Die Noggen, jene geheimnisvollen otter- oder biberähnlichen Wesen im See, gelten als gesegnete Wesen — haben sie doch schon so manches Mal ein Kind vor dem Tod im Wasser gerettet und manchem sündigen Fischer einen dicken Barsch aus dem Netz vertrieben.

Ein besonders ehrfürchtiges Bild haben die Flößer der Ange. Sie opfern vor jeder Fahrt auf dem oft wilden und gefährlich reißenden Fluss eine Locke ihres Haupthaares oder Bartes (weshalb viele nur kurze Bärte tragen) an den Gott — denn so manchen, der dies vergaß oder dies nicht mit genügender Inbrunst tat, den nahm der Fluss während einer Fahrt schon ganz „mit Haut und Haar“ mit sich.

An der Rakula gedenkt man noch immer der Quellnymphe, die bisweilen einsame Jünglinge und Jungfrauen verführen und in den Fluss locken soll — allerdings gilt sie eher als Erscheinung Rahjas, der jedoch Efferd Einhalt zu gebieten vermag. Weiter im Landesinneren sind es vor allem die Brauer und die Müller, die neben Peraine auch Efferd ehren, zumindest findet man kaum einen Brauereibrunnen, ein Wind- oder Mühlrad, an dem sein Symbol nicht eingeritzt wurde.

Die Bauern hingegen pilgern zumeist nur in Zeiten längerer Dürre zur Quelle ihres örtlichen Baches oder Flusses, um diese dann mit Blumen oder einem Kranz aus Zweigen zu schmücken, auf dass sich die Geschwister Efferd und Peraine versöhnen und gnädiger Regen fällt.

Feiertage

30. Praios — Tag von Brig-Lo. Seit dem Einfall Borbarads im Osten des Reiches finden in Angbar und Ferdok wieder gemeinsame Götterdienste der Geweihten von Rondra, Praios, Ingerimm und Efferd statt, jener Götter, die dereinst in der Zweiten Dämonenschlacht zugunsten Rauls und Baduars einschritten.

1. Efferd — Tag des Wassers. Im Kosch vor allem als „Thorwalerfest“ in Wallerheim bekannt und berüchtigt, wo bei Brannt und Met bis in die Abendstunden ganz nach Art der Nordmannen gezecht wird. Ansonsten von Geweihten als Quellfest begangen, an dem sie an die Quellen nahe gelegener Flüsse ziehen und den Gott um Milde im einziehenden Herbst bitten. In manchen Dörfern werden — vor allem in Zeiten überstandener Dürren — an diesem Tag die Brunnen festlich geschmückt, Münzen geopfert und bisweilen auch kleine Feste im Umfeld des Brunnens abgehalten.

30. Efferd — Fischerfest. Zünftige gemeinsame Zusammenkunft der Seefischer in Angbar und kleinere Feste der Flussfischer an den Ufern ihrer Gewässer.

11. Tsa — Efferdanenfest oder Schollenfest. In Ferdok Gedenken an die Tempelgründerin und Opfergaben an Firun und Efferd mit der Bitte um eine milde Frühjahrsflut.

Vollmond im Phex — Efferdsgnadentag. Jährlich zu Sonnenaufgang Lesung des Flutorakels am Angenknie, Bitte um Verschonung vor den Fluten der Ange.

Neumond im Phex — Knurrwallerfest in Wallerheim. Zünftiges Fest der Fischer der Umgebung Ferdoks.

Neumond im Rahja — Seefest. Romantische Kahnfahrt im Schein von Fackeln und Laternen auf dem Angbarer See. Heute hauptsächlich im Lichte Rahjas stehendes Fest, einzig die segnende Teilnahme der Seegeweihten Blitzenstrunk ist als Hinweis auf die ursprüngliche Verehrung Efferds geblieben.

Wichtige regionale Heilige

Weithin anerkannte Heilige des Unergründlichen hat der Kosch nicht hervorgebracht. Gleichwohl kennt man auch hier einige Persönlichkeiten der Geschichte, die von Teilen hiesiger Gläubiger heiligengleiche Verehrung erfahren.

Einer der ungewöhnlichsten und umstrittensten Figuren begegnet man im Südkosch. In den Dunklen Zeiten, welche das Hügelvolk als Heldenzeit kennen, soll das silberhaarige Zwergenmädchen Lorine unweit der Zwergenpforte vor Drift ins Wasser gefallen sein. Der Flussvater selbst hatte Erbarmen und nahm sie in sein Reich. Jahrhunderte später soll sie an jener Stelle einige Piraten, deren Boot auf der Flucht zerschossen worden war, ihrerseits gerettet und zu einem besseren Leben bekehrt haben. Auch wenn die einfachen Schiffsleute an gefährlichen Felsen und Klippen die Heilige um Beistand bitten und sie als Nothelferin bei Piratenüberfällen gilt, ist ihre Verehrung nicht überall gern gesehen, weil auch die Gesetzlosen, sofern sie nicht gänzlich götterlos sind, sie als ihre Schutzheilige anzusehen pflegen. Jene markante Klippe bei Drift, die den Beginn der Zwergenpforte markiert, nennt der Volksmund aber dennoch „Lorinelei“.

In Ferdok genießt die Gründerin des heutigen Tempels hohe Achtung, deren Namen heute niemand mehr weiß, die von den meisten Quellen jedoch Efferdane von Ferdok genannt wird. Nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen offiziellen Heiligen, die einen ähnlichen Lebenswandel aufwies und wohl daher in späteren Schriften der Geweihten ihren Namen lieh. Als das damals vom Efferdglauben abgefallene Alt-Ferdok 162 BF in den Fluten des Großen Flusses versank, rettete die Ferdokerin einigen Kindern das Leben und empfing dabei die Berufung zur Geweihten des Efferd. Als die Überschwemmung endete, wurde klar, dass der Strom sich ein neues Bett fernab der Stadt gesucht hatte. Der Gott selbst hatte sich von den Ferdokern abgewandt, so wie sie sich vorher von ihm abgewandt hatten. Efferdane gründete mit Hilfe der reuigen Ferdoker einen Tempel am neu entstandenen Uferlauf und setzte sich für eine Versöhnung zwischen dem Gott und den Bürgern ein. Noch heute ist der Efferdtempel am heutigen Ferdoker Hafen ein wohlgehüteter Garant der Städter vor dem Zorn des Gottes, und Efferdane gilt vielen Flussanrainern als Hilfe vor und bei Überschwemmungen.

Die meisten der Fischer und Schiffer am Strom verehren allerdings den Flussvater selbst als Heiliges Wesen aus dem direkten Gefolge Efferds — nicht wenige sehen in ihm gar eine Verkörperung des Gottes selbst. Ob dieser Kult eher dem Aberglauben oder wahrer Frömmigkeit zuzuordnen ist, bleibt selbst in der koscher Efferdkirche umstritten. Die meisten Geweihten sehen dies, wie der Ferdoker Hochwürden Gildemon, eher pragmatisch — mögen die einfachen Leute den Flussvater als Heiligen oder gar als Efferd selbst sehen... Hauptsache sie wenden sich überhaupt ihrem Gotte zu. In diesem Sinne werden auch die abergläubischen Märchen und Riten über die Quellnymphe der Rakula, den Unkerich im Koschgau oder den Noggen im Angbarer See von der Kirche toleriert. Nicht ernst zu nehmen und eher liebevoll-scherzhaft gemeint sind allerdings die „Stoßgebete“ der Angler am Angbarer See an den „Guten Fürsten Idamil“, der bekanntlich ein leidenschaftlicher Fischer war, wenn ihr Fang magerer ausfällt als erhofft.

Heilige Artefakte

Sind im Kosch keine bekannt, auch wenn mancher Angler sich die in fürstlichem Besitz befindliche Lieblings-Angelrute von Fürst Idamil dem Fischer wünschen würde, weil diese angeblich besonders guten Fang garantiere.

Heilige Orte

In der Geistmark findet sich eine Stelle, an der die Ange einen überaus scharfen Knick macht, wessenthalben sie das Angenknie geheißen wird. Am Angenknie erhebt sich ein Turm, an dem alljährlich ein Geweihter oder eine Geweihte des Efferd ein Flutorakel liest (seit Jahren schon ein Amt der Seegeweihten Trave Blitzenstrunk). Das Angenknie ist deswegen auch das efferdgefällige Ziel der Pilger auf dem Zwölfergang. Dieser Turm, der Flutturm geheißen wird, ist wohl 10 Schritt hoch. Während in der vorderen Mauer ein offenes Tor einlädt, reicht die Rückmauer bis an den Grund der Ange. Die blaubemalten Mauern sind mit Reliefs bedeckt, die Mythen und Kult des Efferd, aber auch Szenen des Koscher Alltags zeigen. Manche tragen auch Jahreszahlen und Namenslisten. Gekrönt wird der Turm von einem wellenförmigen Zinnenkranz. Alljährlich am Vollmondmorgen im Phex wird hier ein Bittgottesdienst abgehalten, dass Efferd das Land von Überschwemmungen verschonen möge. Bauern vom ganzen Angenlauf versammeln sich dazu. Dennoch schickt Efferd manches Jahr eine Flut, die die Dörfer und Felder bis zu mehrere Schritt unter Wasser setzt. Die Höhe einer solchen Flut wird an den Reliefs des Turmes gemessen (zwei Spann Hochwasser sind eine Delphinsflut, eineinhalb Schritt eine Elidasflut etc.). Nach jeder Flut wird eine Tafel mit der Jahreszahl in der betreffenden Höhe angebracht, dazu die Namen allfälliger Opfer. Oft lassen die Hinterbliebenen zusätzlich — im Efferdsmond — ein Relief mit dem Bild des Ertrunkenen bei der Arbeit oder beim Gebet anbringen. Zu andern Zeiten ist der Turm unbewohnt (er ist im Innern auch völlig leer), die Feiern wurden früher von Priestern des Angbarer Tempels zelebriert. Nun hat sich die Seegeweihte Trave Blitzenstrunk dieser Aufgabe angenommen. Während des Bittgottesdienstes wird jeweils mit einem Netz ein Angbarsch gefangen. Die Priesterin schneidet ihn der Länge nach auf und liest in den Eingeweiden den Willen Efferds. Ungefähr zweimal im Jahrzehnt verlangte er bislang eine Pilgerfahrt zum Angbarer Tempel. Dann schickte jedes Dorf entlang der Ange eine Gesandtschaft von drei bis zwölf Leuten in blauen Pilgergewändern, mit einer Prozessionsstandarte, und unter Gesang wanderte der stets wachsende Zug bis in die Fürstenstadt. Dort wurde drei Tage lang gebetet, bis die Pilgerfahrt schließlich mit einem großen Fest beendet wurde. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Zerstörung des Tempels durch den Alagrimm auf eine künftige Pilgerfahrt auswirkt — und welches Ziel der Launenhafte als Ersatz erkiesen wird.

Als heiliger Ort wird auch die Lorinelei bei Drift angesehen — ein markanter Fels, der gleichsam den Beginn der gefährlichen Zwergenpforte markiert. Hier schlängelt sich der Große Fluss durch die Bergmassive von Kosch und Amboss und schon so manche unerfahrene Schiffsbesatzung fuhr auf einen der verborgenen Felsen und versank. So ist es gemeinhin üblich, an der Lorinelei um eine gute Passage zu bitten (so man in den Hinterkosch fährt) oder für eine überstandene (so man flussauf reist) zu danken, meist indem man einen Krug Bier in die Fluten schüttet — und es gibt so manche Sage, die von einer Erscheinung der Heiligen Lorine berichten.

Am Gut Stippwitz wächst erstaunlich viel wilde Brunnenkresse, ein heiliges Kraut, am Ufer des Angbarer Sees — was mancher auf ein heute vergessenes Wunder des Wassergottes zurückführt.

Als bedeutsam für den Efferdgläubigen gelten freilich auch manche verwunschen wirkenden Seen, beeindruckende Wasserfälle, vor allem aber die Quellen der Flüsse und Bäche, an denen auf wundersame Art das Leben spendende Wasser dem Boden entrinnt. Von diesen gibt es im Kosch wahrlich viele, so dass fast jeder Ort seine eigene mehr oder weniger bescheidene Pilgerstation zu Ehren des Wassergottes vor der eigenen Haustüre hat.

Unweit von Thûrbrück, in einer flussabwärts gelegenen Grotte auf Nordmärker Gebiet, soll ein hohes Heiligtum des Flussvaters liegen. Tatsache ist, dass vor einigen Jahren einige Händler und Adelige — darunter der Fürst selbst — in dieser Höhle die Flutwelle eines Felssturzes unbeschadet überstanden und dass daraufhin der Prinz Edelbrecht einen prächtigen Altar zu Ehren des Flussherren stiftete.

Wichtige Tempel

Am Hafen von Ferdok steht noch immer das nach dem Untergang Alt-Ferdoks errichtete Haus. Der fünfeckige türkisfarbene Bau ist nicht sehr groß, doch hübsch geschmückt. Im hinteren Teil reicht es ein Stück in das Wasser des Hafens hinein, eine gewaltige Muschelschale umrahmt den Altarraum mit dem lapislazuligeschmückten Opfertisch. Der Tempel wird vor allem von hiesigen und durchreisenden Schiffern und Fischern gut besucht und mag der wichtigste Tempel auf koscher Boden sein.

Ungleich urtümlicher erscheint dagegen der Tempel von Wallerheim, der gleichzeitig als Versammlungs- und Feierhalle der Dorfbevölkerung gilt. Der Bau verheimlicht das thorwalsche Erbe der hiesigen Einwohner nicht, ist er doch gänzlich aus Holzplanken errichtet und gleichsam Swafnir und Efferd geweiht — zweifellos eine Seltenheit im Herzen des Mittelreiches.

Folgt man dem Lauf des Großen Flusses, kommt man an weiteren, meist kleinen Tempeln vorbei, etwa in Flusswacht oder auf der Schwaneninsel bei Nadoret. Ein Kuriosum freilich ist der die aus Flussmuscheln auf der Namenlosen Insel bei Gerrun errichtete Zuflucht des Zwergenpriesters Emmeran — der sich selbst als „Erkorener des Flussvaters“ bezeichnet. Bedeutsam ist erst wieder der Tempel zu Drift, an dem unter anderem ein Schrein zu Ehren Lorines von den Taten der andernorts umstrittenen Heiligen kündet. Es heißt dieser Tempel werde bisweilen heimlich von (freilich meist verkleideten) Flusspiraten besucht — denen sie angeblich wohlwollend gegenübersteht.

Am Angbarer See beherrschte lange Jahre der Tempel in der Fürstenstadt die Lage, bis er vor wenigen Jahren ein Raub der Alagrimmschen Flammen wurde. Die Ruinen des geweihten Hauses sind mittlerweile die Heimstatt der Traviageweihten, die sich seither um den Wiederaufbau und die Versorgung der heimatlos gewordenen kümmern. Die Aufgabe die Verehrung Efferds im Seegrund zu führen hat indes keiner der anderen Tempel am Seeufer übernommen. Der kleine, kreisrunde Seerosentempel von Rohalssteg ist zwar im ansehnlichen rohalschen Stil gebaut, doch sein Geweihter wenig ehrgeizig, der Schilftempel zu Salzmarken ist gar verwaist und die Schreine zu Lutzenstrand oder Steenback sind zwar hübsch anzusehen, weil sich die Bewohner der benachbarten Orte einen regelrechten Wettbewerb darin liefern, wer den prächtigsten sein Eigen nennt — doch sind sie gleichsam ohne eigenen Priester. So obliegt es der Seegeweihten Trave Blitzenstrunk, die auf einem schwimmenden „Seetempel“ auf dem Gewässer unterwegs ist, die Verehrung des Herren der Gezeiten zu leiten. Auch an den anderen Gewässern finden sich einige, meist sehr kleine Gotteshäuser — etwa in Salmingen und Rakulbruck, wo man gleichsam der Quellnymphe der Rakula gedenkt, in Blaudorf im Roterzschen oder zu Oberangbar. Letzterer Schrein wurde erst 1028 BF aus Dankbarkeit für die Verschonung der Stadt vor dem Zorn des Alagrimm errichtet (der KK 41 S.13 berichtete). Doch weil man sich nicht recht einig war, welcher Gottheit der größere Dank gebühre, dem Feuerfeinde Efferd oder dem Feuergebieter Ingerimm, weihte man das neue Haus gleichsam beiden Göttern, so dass hier Wasser und Feuer einen einträchtigen Bund eingehen.

Bedeutende Geweihte

Trave Blitzenstrunk (geb. 979 BF in der Geistmark)

Schon in jenen Tagen, als sie als einfache Geweihte in Angbar den Tempelvorstehern aus dem Hause Barschgrund diente, oblag es der gebürtigen Geistmärkerin, das Flutorakel an der Ange zu lesen. So gewann die schon jung silberhaarig gewordene Trave rasch an Erfahrung und Achtung. Als der Angbarer Tempel in der Schlacht von Angbar verging, war sie eine der wenigen, die das Glück hatten, die Feuersbrunst zu überstehen. Mit der hölzernen Statue des Efferd in den Armen sprang sie beherzt in den See, der dem Heiligtum und ihr die Rettung war. So entschloss sie sich, ihre restlichen Tage jenem Gewässer zu widmen, das ihr das Leben rettete. Sie zimmerte gemeinsam mit einigen Fischern aus dem Stadtteil Barschensee ein stattliches Floß, das seither als schwimmender Tempel das Blau des Angbarer Sees befährt — in seiner Mitte die alte, einst von Fürst Idamil gestiftete, Efferdstatue. Nur einmal jährlich verlässt sie das Floß, wenn sie im Phexmond zur Lesung des Flutorakels ans Angenknie zieht. Ansonsten befährt sie den See, hält Götterdienste an seinen Ufern und hat auch schon so manch unachtsames Kind oder übermütigen Zwerg vorm Ertrinken gerettet.

Efferdhilf Gildemon (geb. 975 BF in Rakulbruck)

Ungewöhnlich ausgewogen ist das Gemüt des Bewahrers des Ferdoker Tempels, gelten die Priester doch meist als ebenso launenhaft wie ihr Gott. Der glatzköpfige Efferdhilf war einst Fluss-Schiffer und gilt als stiller Förderer der Verehrung des Flussvaters.

Emmeran (vor 900 BF — Herkunft unbekannt)

Eine der zweifellos kuriosesten Erscheinungen unser Provinz ist jener Zwerg mit seinem langen, verfilzten, viele Spann langen Haupt- und Barthaaren und knorrigem Stock, der sich selbst für einen „Erkorenen des Flussvaters“ hält. Seit Jahrzehnten befährt er mit einem merkwürdigen, mit unzähligen Flussmuscheln geschmückten Hausfloß den Strom — wurde gar schon in den Havener Marschen gesichtet. Vor zehn Jahren begann der schrullige Alte auf der Namenlosen Insel, einem kargen und abergläubisch gemiedenen Felsen gegenüber von Gerrun, eine Zuflucht vor der „Finsternis, die all jene an den jungen Ufern heimsuchen werde“ zu errichten — ganz aus Flussmuscheln. Anfangs gelang es ihm mit seinen dunklen Visionen einigen schlichten Fischerseelen genug Angst einzujagen, dass sie ihm dabei halfen — seit die erste Bleibe von einer Frühjahrsflut davon geschwemmt worden war, muss der kauzige Einsiedler dieses Vorhaben jedoch wieder alleine fortsetzen. Auch wenn die vorbeifahrenden Schiffer Emmeran eher als harmlosen Wirrkopf ansehen, grüßen sie ihn doch beim Vorbeifahren recht freundlich oder versorgen ihn gar mit etwas Proviant — denn man kann ja nie wissen, ob er nicht doch mit dem Flussvater im Bunde ist.

Weitere Geweihte

Einige Meilen flussauf von jener Namenlosen Insel, in Sichtweite der weißen Mauern von Nadoret, findet sich die ungleich idyllischere Schwaneninsel mit ihrem kleinen Tempel. Im Gegensatz zu Emmeran ist der dortige Geweihte Belch Flusskrabbe allerdings kein Freund des Flussvaterkultes. Er hält die von vielen Fischern der Gegend ausgeübte Verehrung gar für einen Irrglauben und Frevel an Efferds reiner Lehre. Bislang stießen seine Predigten allerdings meist auf keinen fruchtbaren Boden, ist der vermeintliche Aberglaube von Generationen den Leuten doch nur schwer auszutreiben. Im weiter nördlich gelegenen Wallerheim wacht die Alte Droga über die Verehrung von Swafnir und Efferd — und hält dabei die Riten ihrer Thorwalschen Vorfahren lebendig und gibt der Verehrung des Launenhaften eine nahezu exotische Note im ansonsten recht biederen Koscherland.

Eine koscher Besonderheit ist freilich auch die Brunnengrevin, die im Auftrag des Fürsten durch die Lande zieht und den Zustand und die Sauberkeit der Brunnen überprüft — ein Amt, das traditionell von einer Akoluthin der Efferdkirche ausgeübt wird.

Born von Stedtler, Ratsschreiber zu Angbar

In der nächsten Ausgabe: INGerimm, der Vater des Koscherlandes

Irdischer Hinweis: Dieser Artikel bildete die Grundlage für den Wiki-Artikel Efferd.