Ritterin Rondralieb und die Liebe - Ein dramatisches Finale

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Ein dramatisches Finale

Rakulbruck in der Mark Ferdok, Travia 1038 BF

Als Rondralieb von Uztrutz am nächsten Morgen aufwachte, war sie gut ausgeschlafen. Nur Boronar fehlte ihr. Ihre Dienerin Wina schlief noch, hatte ihr aber eine Nachricht auf den Tisch gelegt. Ob sie von Boronar war? Schnell überflog sie den kurzen Brief. Ja, das Schreiben war von Boronar, aber das Herz wollte ihr im Leibe zerspringen, als sie las, was er ihr mitzuteilen hatte: Das, was sie befürchtet hatte, war eingetreten: Sie war wegen ihrer Familie abgelehnt worden! Eine Zeitlang weinte sie still.

Dann fasste sie einen Entschluss. Sie wollte nicht einfach aufgeben! Sie würde sich Rat holen. Schnell kleidete sie sich an und eilte dann zum Rahjatempel. Drinnen war alles ganz anders als noch vor ein paar Tagen: Ruhig und menschenleer. Dafür hatte sie nun Zeit, die Farben und die Kunstfertigkeit zu bewundern, die bei Möbeln, Vorhängen und Ziergegenständen verwendet worden waren. Alles war so schön und passend, nur sie war unendlich traurig... Sie spürte, wie ihr wieder Tränen über die Wangen liefen.

"So früh am Morgen im Tempel und alleine... was ist denn passiert?" Charine die Rubinrote trat auf sie zu. Diesmal hatte sie ein einfaches rotes Kleid an, das aber dennoch sehr passend wirkte. Rondralieb seufzte. Dann erzählte sie, was passiert war und wie sie ihre Lage betrachtete. Sie konnte alles aufgeben und den Kosch verlassen, um mit Boronar ein neues Leben anzufangen. Aber dafür müsste er sein Lehen aufgeben. Konnte sie das verlangen? Wollte sie das selbst? Dann wäre sie von ihrem Vater Grimbart getrennt und würde ihn kaum noch sehen können. Die Geweihte hörte ihr die ganze Zeit ruhig zu. Als Rondralieb geendet hatte, nickte ihr Charine verständnisvoll zu. "Rahja ist nicht nur Leidenschaft, sondern auch Harmonie. Es dauert mich zu hören, dass Ihr zwischen dem einen oder dem anderen zu wählen scheinen müsst. Es ist sehr schade, dass es in Eurer Familie so viel Streit gibt." "Ja, das fasst es leider sehr gut zusammen." "Nicht verzagen. Warum frühstücken wir nicht erst einmal? Danach sieht die Welt vielleicht ganz anders aus." Rondraliebs knurrender Magen signalisierte, dass sie die Einladung nur allzu gerne annahm. Bei einem guten Tee, süßem Brei und Früchten ermunterte die Geweihte die Ritterin dazu, sich ganz auf das Essen und den Moment zu konzentrieren. Rondralieb spürte, wie sich ihre Schultermuskeln entspannten. Als die das gemeinsame Morgenmahl beendet hatten, bedankte sich Rondralieb für die gemeinsame Zeit. Es ging ihr deutlich besser. Charina gab ihr freundlich und doch ernst einen letzten Rat mit: "Ihr müsst Euch fragen, wem Ihr folgen wollt... der Ehre oder dem Herzen. Ich höre Euch gerne zu, während Ihr darüber nachdenkt, doch die Entscheidung müsst Ihr selbst treffen."

Plötzlich kam Wina in den Tempel gerannt. "Hohe Dame! Endlich habe ich Euch gefunden. Ihr müsst unbedingt mitkommen! Eilt Euch! Schnell!" Rondralieb und Charine schauten sich beunruhigt an. Das verhieß nichts Gutes! Was war bloß geschehen? Eiligst verabschiedete sich Rondralieb von der Geweihten und folgte ihrer Dienerin.

Wina war völlig außer Atem, weil sie überall nach ihrer Herrin gesucht hatte. Nur soviel bekam Rondralieb aus ihr heraus, während gemeinsam zum Turnierplatz liefen. "Stellt Euch vor, Boronar hat seinen Vater zum Duell gefordert! Wegen Euch!" Die Ritterin schlug die Hände vor den Mund.

Als die beiden am Ort des Geschehens ankamen, hatte sich bereits eine Menge an Schaulustigen gebildet. Hier bot sich ein Ereignis, das nicht auf dem Turnierplan gestanden hatte und das man nicht alle Tage zu sehen bekam. Rondralieb und Wina schoben sich mühsam nach vorne, den Status der Adeligen reklamierend. Schon von weitem waren die Trommeln zu hören gewesen, die in stetigem Takt geschlugen wurden. Die meisten Leute tuschelten noch nicht einmal, sondern starrten gebannt auf das dramatische Schauspiel, das ihnen geboten wurde.

Endlich hatte es Rondralieb bis vorne an die Tribüne geschafft und konnte etwas erkennen. Doch als sie die beiden Kämpfer sah, blieb ihr fast das Herz stehen. Boronar und Boronwyn standen sich beide schwer atmend an den entgegengesetzten Enden des Kampfplatzes gegenüber. Ihre Gambesons trieften nur so von dunklen roten Flecken. Beide wirkten müde, aber auch verbissen. "Gib auf, mein Sohn. Dieses Duell kannst Du nicht gewinnen!" "Niemals, Vater. Eher sterbe ich!"

Rondralieb konnte es nicht fassen. Hatten die Organisatoren des Turniers tatsächlich ein Duell aufs dritte Blut – also bis zum Tod – erlaubt? Würde der Markvogt seinen eigenen Bruder gegen seinen Neffen kämpfen lassen? Und seelenruhig abwarten, wie jemand von seiner eigenen Familie sterben würde? Das konnte doch nicht sein!

Sie blickte sich um. Von der breiten Masse der Zuschauer getrennt standen Olbyn Grambart, der Zwerg, der vor ein paar Tagen Wina ein paar Informationen zugesteckt hatte. Er blickte mit ernster Mine auf das Geschehen. Neben ihm stand ein Priester der Travia. Das musste der Ulfried Ulmentreu sein, der Vorsteher des örtlichen Brückentempels! Er machte ein ernstes Gesicht, griff aber nicht ein. Und schließlich stand da Avesinda vom Kargen Land, nervös, aber ohne jede Anstalten, irgendetwas zu tun, um das Fortführen des Duells zu verhindern.

Rondralieb bahnte sich einen Weg zu ihnen hinüber und schrie Olbyn an: "Ihr seid ja von Sinnen! Ihr müsst diesem Wahnsinn Einhalt gebieten!" Seine Augen funkelten auf. "Das ist eine alte Tradition. Und Traditionen wollen wir ehren. Nicht einmal Fürst Blasius wird das hier unterbrechen." Damit betrachtete er die Diskussion für beendet. Sie wollte weiter mit ihm sprechen, aber da richtete sich Ulfried Ulmentreu mit befehlsgewohnter Stimme an sie. "Schweig, mein Kind. Diese Sache werden die Götter entscheiden." Verzweifelt schaute sie zu Avesinda. Diese verzog schmerzvoll den Mund. "Versteht doch. Es gescheht auch zu Eurem Besten."

Da fing Rondralieb hemmungslos an zu schluchzen. Das hatte sie nicht gewollt! "Ruhe!", forderte Olbyn und rief dann über den Platz. "Die zweite Runde ist beendet, und ein Sieger wardt noch nicht gefunden. Es soll also die dritte Runde beginnen. Ritter Boronar, als Herausforderer steht Euch erneut zu, die Disziplin auszusuchen. Wie lautet Eure Wahl?" "Apfelkuchen!", rief er entschlossen. Rondralieb horchte auf. Hatte sie richtig gehört? Jetzt sah sie die Zuschauer tuscheln. Einige nickten zustimmend, einige schüttelten zweifelnd den Kopf. Was war hier los?

"Apfelkuchen soll es sein!", bestätigte Olbyn Grambart. "Man bringe die Tische, Zutaten und sonstigen Utensilien. Wir Schiedsrichter werden während der Zubereitung darauf achten, dass alles mit rechten Dingen zugeht." "Was?" Rondralieb stand der Mund offen. Während nun alles für die nächste Runde aufgebaut wurde, hatte Olbyn ein wenig Zeit, mit der Ritterin zu reden. "Ein standesgemäßes Duell nach Hügelzwergenart. Um bei Streitigkeiten den Sippenfrieden nicht zu zerstören, wird ein Wettbewerb im Kochen und Backen ausgerichtet. Das ist viel besser als Gewalt, denn dabei gibt es viel zu essen. In diesem Fall bekommen die Badilakaner die Reste für die Armenspeisung. Der Geweihte Ulmentreu fungiert daher auch als einer der Schiedsrichter – als Diener der Götter ist er neutral. Ich selbst kann als gestandener Hügelzwerg wohl am besten beurteilen, wer besseren Kuchen macht. Und Avesinda hat so viel Zeit mit den meinen verbracht, dass ihr ebenfalls ein feiner Geschmackssinn zugesprochen werden kann. In der ersten Runde ging es um Himbeertorte, in der zweiten um Brombeerküchlein." "Dann sind die Flecken auf den Gambesons von den Beeren?" Olbyn zuckte entschuldigend mit den Schultern. "Die Kleidung wird bei so einem Duell natürlich arg schmutzig, aber das ist der Preis." Rondralieb fiel ein Stein vom Herzen. Sie schickte ein stummes Dankgebet an die Zwölfe. Doch jetzt galt es abzuwarten, wie das Duell ausging...

Anders als ein Kampf mit Waffen zog sich das Wettbacken hin. Das Publikum feuerte nicht etwa an, sondern blickte aufmerksam auf die beiden Streiter. Kaum einer wagte es zu sprechen, denn niemand wollte Schuld daran sein, im entscheidenden Moment einen der beiden abgelenkt zu haben. Als die Apfelkuchen schließlich aus dem Herd des Traviatempels hervorgeholt und herbeigebracht wurden, fing das Raunen jedoch an. Beim Geruch der frischgebackenen Kuchen lief so manchem das Wasser im Munde zusammen. Unbeeindruckt von dem Gerede setzten sich die Schiedsrichter an einen kleinen Tisch und aßen jeder jeweils ein kleines Stück von beiden Werken. Bei einem der Kuchen schloss Olbyn genießend die Augen und nickte. Das war ein bekannter und guter Geschmack. Bei dem anderen jedoch richtete er sich auf und riss überrascht die Augen auf. Er guckte sich zu Avesinda und Ulfried um. Die beiden sahen in fragend an. Rasch berieten sich die drei flüsternd. In kurzer Zeit wurden sie sich einig.

"Bevor wir unser Urteil verkünden", begann Olbyn an die Menge gerichtet zu sprechen, "haben wir einige Fragen an beide Streiter. Boronwyn, welche Äpfel hast Du für Deinen Kuchen benutzt?" "Koschäpfel – alt und bewährt!" Olbyn nickte wissend. "Boronar, was sind das für Äpfel auf Deinem Kuchen?" "Das sind perainegesegnete Äpfel aus Tallon!" Bei diesen Worten begannen die Leute zu tuscheln. Viele hatten schon einmal von dem Obst aus Stanniz gehört, doch wer hatte schon einmal Apfelkuchen probiert, der daraus gemacht war? "Das ist ein unübliches Rezept. Wie bist Du darauf gekommen?" "Wie Du weißt, habe ich vor drei Jahren an dem Backwettbwerb um die Hand von Anglinde von Mackenstein teilgenommen. Damals habe ich gelernt, wie man besonders guten Apfelkuchen macht. Ich habe auch erfahren, wie wohlschmeckend die Äpfel und die aus ihnen gemachten Produkte sind. Daher kaufe ich, wann immer es geht, diese Äpfel, und habe anlässlich des Tuniers eine Kiste von einem Händler erworben." "Das leuchtet ein. Dennoch bleibt es eine mir nicht gerade geläufige Verwendung dieser Äpfel..." "Garescha und Hagebar Dornenstrauch können bezeugen, dass Talloner Apfelprodukte sehr gut zu hügelzwergischen Rezepten passen! Sie haben mich damals begleitet – zusammen mit Dir. Die Dornenstrauchs brachten nach dem Backwettbewerb so einiges an Zutaten zurück in ihre Heimat. Ich denke, das ist Beweis genug, dass ein solches Ausprobieren gut koscher ist!" Olbyn drehte sich noch einmal zu seinen beiden Mit-Schiedsrichtern. Beide nickten ihm zu. Dann verkündete er: "Dann sei es hiermit einstimmig verkündet: Ritter Boronar vom Kargen Land gewinnt den Backwettbewerb, denn er hat durch Wort und Tat gezeigt, was in ihm steckt. Boronwyn, alter Freund, ich schätze Deine Kochkunst seit vielen Jahren, doch heute hast Du Deinen Meister gefunden. Wer mir als Hügelzwerg in ehrwürdigem Alter noch eine neue Gaumenfreude präsentieren kann, der hat wahrlich Großes vollbracht! Ein dreifach Hoch auf den Sieger!" Bei diesen Worten jubelten die Zuschauer. "Heiliger Argelion...", murmelte Boronar leise zu sich selbst, atmete tief aus und streckte die Arme in die Höhe. Rondralieb brauchte einen Augenblick, um das soeben Geschehene zu verarbeiten. Dann jauchzte sie auf.

Derweil ging der geschlagene Boronwyn zu Boronar. "Mein Sohn!", rief er, und umarmte ihn. "Mein Vater!", rief Boronar, die Tränen der Rührung in den Augen. "Gut gemacht! Ich bin so stolz auf Dich!", sprach Boronwyn laut. "Wenn Du so um diese Frau kämpfst, dann soll es wohl so sein." Da jubelten die Leute noch lauter, denn kein Gram schien von diesem Tag zu bleiben.

Rondralieb musste sich noch etwas gedulden, denn es dauerte einige Zeit, bis sich Boronar gewaschen und saubere Sachen angezogen hatte. Dann gab es jedoch kein Halten mehr. Sie umarmten sich stürmisch und küssten sich. An diesem Tag wollte sie nicht mehr von seiner Seite weichen.