Zwergenwerk - Gaschas Pläne
Mirkagarten, Mitte Praios 1044
Brumil inspizierte mit Gromnasch die Räume des Schlosses und lauschte der Analyse des Baumeisters über die geringe Wehrhaftigkeit Mirkagartens. Besonders die offenen, unbewachten Tore störten Gromnasch sehr.
Brumil blinzelte nachdenklich: „Es herrschen ja keine tobrischen Zustände hier. Ein Angriff ohne Kriegserklärung wäre gegen jedes gute Benehmen. Der Fürstenfrieden sieht gar eine dreitägige Frist zwischen der Erklärung einer Fehde und erster Kampfhandlungen vor.“
Brumil machte eine beschwichtigende Handbewegung: „Kurzfristig ist also alles in Ordnung und offene Tore kein Problem.“
Gromnasch hätte am liebsten widersprochen. Er hatte noch ganz die Lehrmeinung im Sinn, welche besagt, dass jede Festung, die auch nur ansatzweise einnehmbar erscheint, keine gute Festung ist. Doch er hatte auch Respekt vor dem deutlich älteren Baron. Die längsten Inschriften stehen im ältesten Fels. Wieder so ein Sprichwort unter Angroschim.
So entschied er sich einfach zuzustimmen: „Gut... dann sollte das vertretbar sein.“
Brumil öffnete eine kleine, unscheinbare Tapententür und führte Gromnasch in einen weiteren Dienstbotengang: „Das ist eine Abkürzung.“
Gromnasch rümpfte beim Eintreten die Nase. „Hier stinkt es nach Brand.“
Brumil nickte: „Eine Treppe führt in den Keller. Dort brannte es vor zwei Jahren. Ein Besucher entfessele unabsichtlich einen Feuerdämon in einem verborgenen Tempel des Drachen.
Gromnasch nickte besorgt. „Jetzt verstehe ich, warum Mirkagarten – nunja – einen schlechten Ruf hat. Die Brandschäden muss ich jedenfalls inspizieren.“
Brumil schwieg und öffnete eine weitere Tür. Das Dröhnen eines Angbarer Quetschbeutels schallte ihnen entgegen. Sie traten in einen Raum, der dem Augenschein nach sowohl als Werkstatt als auch als Musikzimmer diente. Verschiede Instrumente standen im Raum verteilt oder hingen an Vorrichtungen an der Wand neben unterschiedlichen Werkzeugen. Eine große Werkbank stand in der Mitte des Raumes. Davor war Gascha, die Hausherrin, gerade damit beschäftigt, an einem Dudelsack zu schrauben.
Brumil räusperte sich, um sich erkenntlich zu machen. „Wie gelingt es, Gascha?“
Gascha murrte ohne aufzuschauen. „Spieldruck und Luftverbrauch passen noch nicht“.
Brumil drehte sich zu Gromnasch: „Das ist meine Frau Gascha. Sie ist dabei, eine Doppelflöte mit einem Quetschbeutel zu verbinden. Ein neues Instrument.“
Erst jetzt bemerkte Gascha den Gast. Sie ließ Quetschbeutel und Werkzeug liegen, um Gromansch zu begrüßen.
Brumil stellt ihn vor: „Derscha, Dulbis Tochter, hat uns einen Baumeister geschickt. Ihren Neffen Gromnasch, Sohn des Robrax.“
Gascha klatschte in die Hände: „Ausgezeichnet – Bei Angrosch! Ich habe da einige Vorschläge.“ Sie hakte sich bei Gromnasch unter und zog ihn durch Gänge und Räume: „Weißt du, wo man gutes Glas herbekommt? Wir brauchen nämlich unbedingt ein Treibhaus, um Gemüse vorzuziehen. Außerdem muss die Schlossmauer weg, um Platz für Beete zu schaffen. Ein Schwitzbad muss her. Und meine Werkstatt muss besser gedämmt werden. Die Instrumente verziehen sich nämlich bei starken Temperaturschwankungen.“
Gromnasch wusste nicht, was er sagen sollte, waren doch Gaschas Wünsche so ziemlich das Gegenteil von Brumils Vorstellungen.
Er räusperte sich, um die Pause zu überbrücken, in der er versuchte, zu all den Wünschen eine Antwort zu formulieren.
„Die Groschadomadim verstehen es meisterhaft, mit Glas zu bauen. Doch bei allem Respekt, es gehört zu den empfindlichsten Baumaterialien überhaupt! Um die Ernährung des Schlosses sicherzustellen, sind unterirdische Pilzgärten weitaus zuverlässiger. Und um ehrlich zu sein, möchte euer Gatte die Mauer nicht entfernen... er möchte sie sogar undurchlässiger machen. Und das erscheint mir als ein weiser Schritt bei einem so leicht zu erreichendem Gebäude.“
Um die Angroschna nicht gänzlich vor den Kopf zu stoßen, fuhr er aber auch gleich mit den Worten fort:
„Für ein Schwitzbad wird sicher aber sicherlich ein Ort finden lassen. Und die Werkstatt an Eure Wünsche anzupassen, sollte auch keine unlösbare Aufgabe sein. Die Roroxim errichten ihre Werkstätten exakt vier Draschim tief im Boden, um möglichst konstante Temperaturen zu gewährleisten. Wenn ich mich nicht irre, hat das mit ihren Ansprüchen bei der Fertigung von besonders präzisen Zählwerken zu tun. Aber von solchen Dingen weiß ich nicht viel zu sagen.“
Gascha stemmte die Arme in die Hüften und fixierte den Baumeister mit strengem Blick „Und wir Brumborim legen Gärten an und brauchen dafür viel Platz. Pilze reichen vielleicht um nicht zu verhungern, aber zum Leben braucht es auch die rechten Kräuter und schmackhaftes Gemüse. Für Mauern haben Brumborim hingegen keine große Verwendung!“
Gascha setzte einen fragenden Blick auf. „Die wahre Kunst eines Baumeisters zeigt sich durch das Verbinden des Notwendigen mit dem Annehmlichen – nicht wahr?“
Dann machte Gascha kehrt und schritt den Gang zurück: „Aber ich lasse dich mal alleine das Schloss erkunden und Pläne schmieden. Ich werde Ilma sagen, dass sie ein Zimmer für dich herrichten soll.“
Gromnasch nickte. Als er allein war, blickte er sich noch einmal nachdenklich um. Bauherrin und Bauherr mit nahezu völlig gegensätzlichen Ansichten machten seine Aufgabe nicht einfacher, das war ihm schon jetzt klar.
Er beschloss, sich zunächst einmal ein genaueres Bild vom Schloss zu machen und vor allem auch wichtige Dinge schriftlich festzuhalten. Unter den Unterlagen, die er sich bei seiner Ankunft noch schnell eingesteckt hatte, um sie dem Baron zu zeigen, fand er auch ein noch unbeschriebenes Stück Pergament. Einen Kohlestift hatte er ohnehin immer bei sich. Er schaffte nicht einmal fünf Räume, bevor die Seite bereits mit Notizen und kleineren Zeichnungen gefüllt war. Erst jetzt wurde ihm bewusst, dass sein Leiterwagen wohlmöglich noch immer unbeaufsichtigt im Schlosshof stand. Eiligen Schrittes machte sich Gromnasch auf die Suche nach dem kürzesten Weg dorthin. Es war weniger der Bedarf nach neuen Schreibmaterial, der ihn so unruhig werden ließ, sondern vielmehr die Tatsache, dass er auch ein paar empfindliche Instrumente unter seinen Habseligkeiten wusste. Rechentabellen für Geometrie und Statik, aber auch Setzwaage und Anschlagwinkel hatte er mitgebracht.
Er brauchte ein paar Anläufe, ehe er wieder in den Innenhof gelangte.