Schwarzgebrannt - Die Ruine
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Im Baduarforst, 14. Ingerimm 1047 BF
Gamsbart und Arnulf schlichen sich langsam aus dem Unterholz an das Gebäude heran. Früher war hier sicher einmal eine Lichtung gewesen, aber der Wald hatte sich schon lange das Land zurückgeholt. Das Gebäude sah aus, als wäre es früher vielleicht einmal ein relativ großes Haus gewesen. Nun war das Dach zwar noch da, hatte aber sicher bessere Zeiten gesehen, ebenso wie die leeren Fensterhöhlen. Das Fachwerk war teilweise weggebrochen und offenbarte das Innere des Hauses.
Obwohl weder Gamsbart noch Arnulf besonders gut im Schleichen waren, schien sie niemand bemerkt zu haben. Während Gamsbart noch versuchte, sein rasendes Herz zu beruhigen, steckte Arnulf bereits seinen Kopf in das Innere des Hauses. „Hier war schon lange niemand mehr“, stellte er das Offensichtliche fest. Spinnweben und Staub bedeckten die wenigen Einrichtungsgegenstände, die noch verblieben waren. Ein Tisch, ein zerbrochener Stuhl, eine Anrichte mit ein paar Krügen, mehr war nicht zu sehen. Arnulf, die Axt nun locker in der Hand liegend, war schon ins nächste Zimmer getreten, als sich Gamsbart endlich ins erste getraut hatte. „Hier unten ist niemand“, verkündete der Knappe kurz darauf und machte sich sogleich daran, die knarrende Treppe zu erklimmen. Gamsbart folgte ihm nur zögerlich, nicht nur weil die Holzbohlen ganz erbärmlich knirschten, sondern auch weil ihm das ganze allmählich unheimlich vorkam. Was oder wer konnte Korbrande hier für die letzten beiden Tage festgehalten haben?
Im ersten Zimmer war außer einem staubigen Bett nichts, doch im zweiten Zimmer blieb Arnulf abrupt stehen. Gamsbart hatte Mühe, an dem breiten Rücken des Knappen vorbeizuschauen. In dem staubigen Raum stand ein Tisch. Hinter dem Tisch stand ein Stuhl und auf dem Stuhl saß ein Skelett. Das Skelett war offensichtlich schon sehr lange hier. Gamsbart lief ein kalter Schauer den Rücken herunter, als er den Bolzen entdeckte, der im Rücken des Skeletts steckte. Die Kleidung des Toten war längst verrottet, umklammert hielt das Skelett allerdings ein dickes Buch. Was da wohl drinstand?
Arnulf hatte offensichtlich den gleichen Gedanken. Er benötigte einige Momente, um das Buch aus dem Griff zu nehmen, dann legte er es auf den Tisch. Es war ein ganz schöner Wälzer. „Rechnungsbuch Sindelsaums ab 915“, las der Knappe vor und war offensichtlich sogleich gelangweilt. Auch Gamsbart konnte sich eher weniger für historisches Rechnungswesen begeistern, nahm sich aber vor, das Buch sicherzustellen, sobald sie herausgefunden hatten, was die Sache mit Korbrande war. Die beiden setzten ihre Suche fort. Weder auf diesem Stockwerk noch auf dem Dachboden wurden sie fündig.
Wieder im Erdgeschoss angekommen, entdeckte Gamsbart eine Luke in der Vorratskammer. Hier konnte man Fußspuren ausmachen, Korbrande musste offensichtlich im Keller sein. Während Gamsbart noch überlegte, wie er die Luke möglichst leise aufbekommen sollte, griff Arnulf beherzt zu und schwang sie auf. Es war Licht zu sehen und zwei Stimmen verstummten, als die Luke aufging. Eine Treppe führte nach unten. Arnulf machte sich auf den Weg nach unten. Seine Nervosität wurde nur durch die Kraft, mit der er seine Axt umklammert hielt, sichtbar. Gamsbart folgte ihm etwas zögerlich.
Gamsbart war sich nicht sicher, was er erwartet hatte, aber sicher nicht das, was er nun erblickte. Der Keller wurde durch einige Talglichter erhellt. Über einem Feuer stand ein eisernes Gebilde, welches durch ein Kupferrohr mit zwei Fässern verbunden war. Hier wurde offensichtlich Schnaps hergestellt, sicherlich nicht legal. Die verheulte Korbrande stand neben dem eisernen Pott und war in ihrer Bewegung eingefroren. In ihren Augen mischten sich Panik und Hoffnung.
Was Gamsbart jedoch aus dem Konzept brachte, war ein kleines, ziemlich rundes Kerlchen, welches unweit von Korbrande stand. War das etwa ein Bold?
Nachdem sich alle vier Personen einige Augenblicke angestarrt hatten, gab sich Gamsbart schließlich einen Ruck und eröffnete das Gespräch. „Was geht hier vor?“, fragte er an Korbrande und den Bold gerichtet.