Rahilja - Salz und Eichen Teil II

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Burg Eichstein, Ende Ingerimm 1039

Für Ende Ingerimm war es trotz der Sonnenstrahlen empfindlich kühl an diesem Vormittag und Aldare zog ihren blauen Mantel enger zusammen, als sie durch den Rahiljaforst ritt, um die Burg noch vor dem Mittagessen wieder zu erreichen. Sie war in Amaralys gewesen, denn heute war dort Markt und sie hatte die Gelegenheit genutzt, um bei der Kräuterhändlerin Harika Sauerfold einige alchemischen Zutaten für ihre Experimente zu besorgen. Sie war auch äußerst zufrieden, da sie nicht damit gerechnet hatte, so weit ab von den großen Handelszentren alle nötigen Kräuter und Extrakte zu erhalten. Der Beutel mit den wertvollen Ingredienzen hing an ihrem Sattel und fühlte sich befriedigend prall gefüllt an.

Währenddessen schritt ihre junge Stute munter aus. Tarisha hatte sich in den letzten zwei Jahren zu einem herrlichen Reittier und wunderbaren Partner entwickelt. Ihre federnden Gänge waren stabil und schwungvoll und sie reagierte auf jede noch so feine Gewichtsverlagerung ihrer Reiterin. Manchmal meinte Aldare fast, Tarisha könne ihre Gedanken lesen, so genau fügte sie sich jeder der Anweisungen der Magierin. Fröhlich trabte sie auf der kleinen Straße durch den Forst. Sonnenstrahlen fielen durch das grüne Blätterdach und der Wald wirkte heute frisch und menschenleer.

Doch plötzlich hob Tarisha im Trab den Kopf und ihr Ohrenspiel verriet, dass sie etwas wahrgenommen hatte. Aldare vermutete zwar, dass es nur ein Reh oder ein Wildschwein sein würde, das ihre Stute bemerkt hatte, aus Vorsicht zügelte sie jedoch ihren Tulamiden und blickte sich aufmerksam um. Um diese Jahreszeit konnte man leicht auf eine Bache mit ihren Frischlingen treffen und dann wäre es zumindest sicherer, einen größere Bogen um die Familie zu reiten. Doch als sie in den Wald hineinhorchte, vernahm sie zu ihrem Erstaunen das Stampfen von Hufen, die von rechts und somit aus dem nördlichen Rahiljaforst kamen. Begleitet wurde es von einem entfernten Scheppern, wie wenn bewaffnete Krieger im Trab daherkamen. Was konnte das wohl bedeuten? Aldare sah keinen Grund, sich hier in dieser Gegend vor irgendwelchen Kriegern zu fürchten und da sie auch ihren Stab immer bei sich führte, wäre sie im Angriffsfalle auch erstmal gut bewaffnet gewesen. Zudem war sie neugierig, wer da den schmalen Weg entlang kommen mochte. Daher ritt sie im Schritt noch etwas weiter, so dass die fremden Reiter ihr nicht mehr den Weg zurück zur Burg versperren konnten, und wartete dort gespannt auf das, was kommen würde.

Tarisha tänzelte unruhig auf der Stelle, als das Hufgetrappel lauter wurde. Durch die Bäume war nun zu erkennen, dass eine größere Gruppe von Reitern den kleinen Weg entlang kam. Blau schimmerte es durch das Blätterwerk. Ab und zu blitzte aber auch das Metallische einer Rüstung. Was um alles in der Welt hatte das zu bedeuten? Aldare besann sich, dass sie zur Not noch einen Armatrutz in ihrem Stab gespeichert hatte. Sie hatte schon längere Zeit keinen wirklichen Konflikt mehr erlebt, geschweige denn einen Kampf, aber aus Sicherheit hatte sie sich angewöhnt, den Schutzzauber immer im Stab bereitzuhalten. Ein lautes „Haaalt!“ erscholl durch den Wald und die Reitergruppe zügelte ihre Pferde, noch bevor sie den Weg, auf dem Aldare stand, erreicht hatte.

„Halt! Männer, sammeln! Und ab hier reiten wir geschlossen und ruhig. Wir wollen uns den Eichsteinern als ernsthafte Gardistentruppe präsentieren, die man nicht einfach wie eine Halunkenbande wieder nach Hause schickt. Dieses Mal werden sie sich etwas anderes überlegen müssen...“ Die Frau, die diese Ansprache eben begonnen hatte, sprach noch weiter, doch die Magierin hörte ihr nicht mehr zu, sie hatte genug gehört und die Stimme erkannt. Thalessia von Fuchsfels war als Bastardtochter von Firuna von Salzmarken-See bekannt und ein echter Hitzkopf. Es waren also schon wieder die Salzmärker, die sich auf den Weg zur Burg Eichstein gemacht hatten. Daher hatte Aldare nun doch ihre Stute gewendet und diese sprang bereitwillig im Galopp in Richtung Burg. Aldare versuchte zumindest, solange sie noch in Hörweite der Reiter war, auf Gras und Moos zu reiten, damit man ihr Hufgetrappel nicht so laut hörte. Sie wollte nicht, dass die Salzmärker sie jetzt schon sahen und dachten, sie würde vor ihnen fliehen. Aber sie musste in der Burg Bescheid sagen, die Brücke hochziehen lassen und die Gardisten alamieren.

Bald erreichte sie die Hilsschlucht, die sie rasch umritt, galoppierte durch die Eichenallee, die bis zum Vorwerk führte, und zügelte erst hier ihre Stute, unter den erstaunten Blicken des Forstmeisters, der mit seinem Hund am Straßenrand stand und wahrscheinlich ebenfalls aus dem Wald zurückgekehrt war. „Guten Morgen, Herr Brogelfoldt. Ich rate Euch, schnell die Burg aufzusuchen. Die Salzmärker sind mal wieder auf dem Weg zu uns, diesmal mit Verstärkung!“ „Magistra, habt Dank für die Warnung. Dann werden wir uns mal in Sicherheit bringen. Komm, Polter, auf!“

Aldare trabte weiter zum Burgtor, an dem zwei gelangweilte Gardisten standen, die allerdings sofort Haltung annahmen, als sie die Magierin ankommen sahen. „Schnell, macht die Burg bereit. Die Salzmärker sind im Anmarsch. Wo finde ich Vitus?“ „Ähm... Magistra. Die Salzmärker? Der Haushofmeister ist in der Schreibstube... glaube ich. Oder im Stall... Aber, wieviele sind es denn? Und woher wisst Ihr?“ „Keine Zeit, Fork, es sind genug, dass wir alle bereitstehen sollten. Bewaffnet Euch!“ „Ja, Magistra. Sollen wir das Tor schließen?“ „Noch nicht. Mal sehen, was Vitus sagt. Nun geht schon!“

Aldare lenkte ihre Stute in den Hof der Vorburg und sprang aus dem Sattel. Normalerweise kümmerte sie sich selber um ihr Reittier, doch heute gab sie die Zügel einem der Stallknechte und beeilte sich, in die Schreibstube zu kommen. Zum Glück kam ihr der Haushofmeister bereits auf halbem Weg entgegen. „Ah, Magistra! Seid Ihr gut vom Markt zurückgekommen? Ist etwas? Ihr scheint besorgt?“ „Vitus, die Salzmärker sind schon wieder auf dem Weg zu Burg Eichstein, und diesmal haben sie Verstärkung dabei. Thalessia von Fuchsfels führt sie an. Wer weiß, was sie im Schilde führt. Wir sollten auf alles gefasst sein.“

Der Haushofmeister nahm die Nachricht besorgt zur Kenntnis und eilte zusammen mit Aldare zum Burgtor. Hier war die Garde bereits informiert worden und der Burgweibel Malzan dirigierte die Gardisten, die sich in aller Eile ihre Helme, Hellebarden und Kurzschwerter gegriffen hatten und in Richtung Mühlenhof liefen. Da kam auch schon die Warnung aus dem Ausguck, dass der Reitertrupp der Salzmärker im Galopp heranritt. Hinter ihnen wurde soeben die Zugbrücke zur Kernburg hochgezogen, die Kinder waren mit der Zofe und dem Kindermädchen in der Burg. Zum Glück hatten sie ihren Morgenspaziergang bereits beendet. Aldare legte ihren warmen Mantel ab, ergriff ihren Stab und folgte Vitus zurück zum Eingang des Mühlenhofes. Sie hatte sich vorgenommen, erstmal im Hintergrund zu bleiben und Vitus das Wort zu überlassen und nur dann einzugreifen, wenn die Salzmärker allzu aufdringlich wurden. Es beunruhigte sie, dass Thalessia von Fuchsfels sich bis hierher bemühte. Was genau wollte sie bewirken? Hatten die Salzmärker wirklich vor, die Abwesenheit Baduars auszunutzen, um Burg Eichstein anzugreifen, ja vielleicht sogar einzunehmen? Bei diesem absurden Gedanken musste Aldare innerlich den Kopf schütteln und kam zu dem Schluss, dass die Salzmärker wohl eher ihre Stärke demonstrieren wollten. Schließlich hoffte der Junker immer noch darauf, bald die Baronie übernehmen zu können.

„HALT! Hier ist doch kein Schlachtfeld, hohe Dame!“, ertönte nun die laute Stimme des Haushofmeisters. Vitus war sonst ein eher ruhiger Mann, er verstand es aber durchaus, sich Gehör zu verschaffen, wenn es darauf ankam. Die natürliche Autorität, die er dann an den Tag legte, hatte schon manch einen aufmüpfigen Knappen oder Gardisten an seine Pflichten erinnert. Stampfend und schnaubend kamen die Pferde der Salzmärker erst kurz vor dem Eingang zum Vorwerk zum Stehen. Ganz vorne tänzelte nervös ein Goldfelser Rappe, dessen Reiterin aufwendig gerüstet und bewaffnet war. Sie blickte grimmig und entschlossen zu Vitus hinunter.

„Die Zwölfe zum Gruße guter Mann! Da uns das letzte Mal Eure Gastfreundschaft verwehrt blieb, ersuchen wir heute erneut darum und bitten Euch uns einzulassen.“ „So habt doch im Namen der Zwölfe die Güte, Euch einmal vorzustellen, hohe Dame.“
Ihre Augen funkelten und verengten sich kurz, doch dann antwortete die Ritterin: „Ich bin Thalessia von Fuchsfels und im Namen des Hauses Salzmarken hier, um die Abgaben an die Baronie einzutreiben.“
„Unsere Abgaben zahlen wir selbstverständlich direkt an den Baron Conrad Salfridjes von Rohalssteg und es gibt keinen Grund für den JUNKER von Salzmarken, diese bei uns einzufordern. Ich erbitte Euch daher, unsere Burg wieder zu verlassen und dieses dem Junker mitzuteilen, hohe Dame von Fuchsfels.“

Mit diesem Satz machte Vitus Anstalten, sich von den Reitern abzuwenden. Die Gardisten waren etwas näher an ihn herangerückt. Die Reiter der Salzmärker, es waren derer wohl zwei Dutzend, drängten nach wie vor nach vorne und flankierten ihre Anführerin. Noch bevor Vitus seinen Satz beendet hatte, war Aldare unwillkürlich in seinen Schatten getreten, so dass sie nur noch vier Schritte von der Salzmärkerin entfernt war, ohne dass diese es zunächst bemerkt hatte. Der lang erlernte Reflex war sofort da, noch bevor sie genau wusste, was sie tat, und sie spürte, wie die magische Kraft durch sie floss. Das Stampfen der Pferde drang nur noch gedämpft in ihre Wahrnehmung, dafür hörte sie jedoch laut und deutlich die Gedanken der jungen Ritterin. „Wenn ich meinem Pferd die Sporen gebe, reißen wir die Eichsteiner um, bevor sie ihre Waffen heben können... Wir sind zahlenmäßig überlegen... Und dann holen wir uns wie besprochen unsere Abgaben aus der Mühle... Hoffentlich folgen mir alle... Fünf Gardisten hier am Tor... Da stehen noch einmal drei... Und die Frau, hey, das ist die Magierin! Was sieht die mich so an?“

Aldare hielt dem Blick der Ritterin stand. Jeder Muskel hatte sich angespannt. Diese aufmüpfige Salzmärkerin sollte es nur wagen, die Burg anzugreifen. Auch wenn Baduar nicht da war, so war Burg Eichstein nicht ungeschützt. Sie spürte, wie Thalessia zögerte. Kurz hatte sie tatsächlich gedacht, die ungestüme Frau würde in die Burg einfallen, aber nun schien sie etwas davon zurückzuhalten. „Magierin? Oder Hexe, hörte Aldare die Frage, die sich Thalessia stellte.

Aldare ergriff die Chance und verlagerte ihre Konzentration für einen Moment auf ihren Stab. Ein kleines Lichtchen, eine sehr helle, weiße Flamme schoss plötzlich aus dem Ende des Stabes heraus und tanzte um den gewundenen Holzstab herum.
Einige der Angreifer zuckten merklich zusammen, zwei Pferde scheuten und in Thalessias Blick wurde die Unsicherheit größer.

Vitus drehte sich noch einmal zu den Ankömmlingen herum: „Gibt es noch etwas? Ich glaube, ich habe mich klar ausgedrückt!“.

Thalessia schnaubte wütend. „Der zukünftige BARON wird nicht erfreut sein! Das wird sicher ein Nachspiel geben! Macht Euch darauf gefasst!“ Sie wendete ihren Rappen und knurrte ihren Männern zu: „Kommt, das hat heute keinen Sinn. Aber wir werden sie schon zur Vernunft bringen. Mal sehen, was der Baron davon hält, dass Burg Eichstein von einer Hexe regiert wird! Auf!“

Wütend gab sie ihrem Pferd die Sporen, das sich zunächst aufbäumte und dann die Allee zurückgaloppierte. Dabei rissen ihre Männer noch einen Heuwagen um, der am Wegrand gestanden hatte, und verscheuchten ein paar Hofbedienstete vom Weg, die soeben auf dem Rückweg zur Burg waren und erschrocken zur Seite sprangen, als die wilden Reiter an ihnen vorbeistürmten.

Aldare entspannte sich erst, als der letzte Reiter hinter der Kurve verschwunden war. Im Normalfall wäre sie jedem, der sie eine Hexe nannte, an die Gurgel gegangen. Aber heute war es genau das verfolgte Ziel gewesen, auf diese Weise hatten die Salzmärker es nicht gewagt, Burg Eichstein anzugreifen. Doch wie sollte das weitergehen? Hatten die Salzmärker tatsächlich vor, ihnen die Fehde zu erklären? Was erhoffte sich der Junker eigentlich davon? Den Baronstitel? Aldare schüttelte den Kopf.

„Vitus, wir müssen uns darauf vorbereiten, dass sie doch noch wiederkommen. Der Wahnsinn hat Einzug gehalten bei unserem Nachbarn.“ „Ihr habt recht, Magistra. Wenn der Salzmärker Junker schon die wilde Thalessia zu uns schickt, könnte es unangenehm werden.“

„Vielleicht sollte ich meinen Vater um Unterstützung bitten? Er kann vielleicht ein paar gut gerüstete Männer erübrigen… Ja, ich werde ihm gleich schreiben. Wenn der Bote sich beeilt, könnten wir in vielleicht sechs bis acht Wochen mit Unterstützung rechnen. Hoffentlich ist es dann nicht schon zu spät, aber schaden wird es nicht. Lasst uns wieder in die Burg gehen. Außerdem muss ich einen Brief an meinen Gemahl schicken. Er sollte ebenfalls über die Vorfälle informiert werden.“

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