Rahilja - Tag der Heimkehr

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Junkersteig nahe Amaralys, 01. Travia 1038, am Mittag

Es war bewölkt und ein leichter Wind wehte einzelne Blätter vor sich her, die bereits von den Bäumen fielen. Ohne den Wind wäre die Temperatur noch als mild zu bezeichnen, so aber sorgte sie bereits für ein leichtes Frösteln, denn die Luft war vom Regen am Vormittag noch feucht.

Etwas außerhalb von Amaralys traf sich die kleine Reisegruppe, um ihren Weg zur Wasserburg Eichstein gemeinsam fortzusetzen. Angeführt wurde sie von einer kleinen Reisekutsche, die von zwei Pferden gezogen wurde. Der Kutscher wirkte grummelig und hatte sich in seinen Umhang eingehüllt dafür hörte man aus dem Inneren der Kutsche um so fröhlicheres Lachen hervorklingen.

Das Lachen stammte von zwei Frauen Anfang bis Mitte 30, die sich im Inneren der Kutsche auf den beiden gepolsterten Bänken gegenüber saßen und bisher Erinnerungen an frühere Streiche und Schabernack austauschten. Die eine von ihnen im Ornat einer Luminifera der Praioskirche wirkte auf den ersten Blick streng, doch sah man auch auf ihrem Gesicht den freudigen Ausdruck des Lachens und Scherzens. Ihr gegenüber saß eine Lehrerin der Freuden, der man ihre Lebensfreude und gute Laune sehr wohl ansehen konnte. Das Paar, das auf den ersten Blick gegensätzlicher nicht sein könnte, schien sich gut zu verstehen und setzte die Unterhaltung rege fort, immer wieder durch ein gemeinsames Lachen unterbrochen.

Gerade hörte man die eine fragen: „Und, wie läuft es bei dir im Tempel? Dein letzter Brief hörte sich nicht so gut an?“
Die andere lachte kurz auf, ein eher gequältes Lachen: „Ach, das ist eine vertrackte Situation. Du weißt ja, das seine Hochwürden Tarjok Boquoi schon seit 1031 dem Ruf folgte und Abt des Hüterklosters wurde. Donatora Lumini Algarte Heimeling scheint diesen Fakt aber noch nicht wahrgenommen zu haben und benimmt sich so, als ob der ehemalige Lichthüter sein Amt immer noch inne hätte. Und sobald Hochwürden von Wildreigen oder ich außerhalb des Tempels weilen benimmt sie sich, als ob sie seine rechtmäßige Nachfolgerin wäre. Dabei weiß sie als Angehörige der Inquisition sehr wohl, das sie in der Rangfolge unter dem Herrn Praetor und mir steht und sich in die Praiosgefällige Ordnung zu fügen hat. Ich glaube, ich werde ein Gespräch mit Duridan führen müssen, um diesen nicht praiosgefälligen Zustand anzugehen und Recht und Ordnung genüge zu tun. Ach, sprechen wir über etwas anderes, geschätzte Schwester“, erwiderte die Geweihte des Praios.

„Du hättest eben heiraten sollen, als du noch die Möglichkeit dazu hattest; ein paar Kinder in die Welt setzen...“
„Ach, halt du doch deinen Mund!“, entgegnete Alma da lediglich, „Warum hast du denn eigentlich nicht geheiratet? Konntest du dich etwa nicht entscheiden? Oder vielleicht weil du keinen Mann gefunden hast, der deine Tätigkeit duldet? Schließlich hätte er sich niemals sicher sein können, ob es wirklich sein Kind gewesen wäre..“
„Doch!“, keifte Rahjane nur zurück, „Hätte er, verehrte Schwester, es gibt nämlich Dinge, von denen du niemals etwas verstehen wirst!“
„Stell dir vor, dass will ich auch gar nicht!“

Die dritte Frau in der Kutsche im Ornat einer Novizin der Praioskirche saß derweil schweigend neben Alma und betrachtete den Streit der Schwestern ein wenig eingeschüchtert. So kannte sie Alma Iralda von Eichstein nun wirklich nicht! Sie konnte sich nicht einmal auf ihre Stickerei konzentrieren.

Rahjane wollte erneut etwas wenig schmeichelhaftes erwidern, da informierte sie jemand: „Herrin, eine Reitergruppe nähert sich von hinten!“
„Haben sie denn ein Banner dabei?“, wollte Alma gereizt wissen.
„Weiß und Grün“, erwiderte der andere nur, „Mehr ist noch nicht zu erkennen“
„Es gibt ja auch kaum ein Haus, welches so ein Banner führt!“, murrte sie nur.

Hinter der Kutsche folgten zwei Reiter, die der Kleidung nach eher als Gefolge der Lehrerin der Freuden einzuordnen waren. Die beiden unterhielten sich leise, aber augenscheinlich fröhlich und der Reiter, an dessen Seite ein Rapier zu sehen war, schaute immer wieder nach dem Pferd, das ohne Reiter dem seinen folgte.

In etwas weiterem Abstand dahinter schlossen zwei weitere Reiter den kleinen Zug ab. Einer von ihnen war war der jüngere Bruder des Junkers, Pergrin Jallik von Eichstein, der in Begleitung einer weiteren Bewaffneten ritt, mit der er sich leise, aber angeregt unterhielt.

Der kleine Reisezug hatte sich vor wenigen Minuten getroffen und setzten nun den letzten Teil ihrer Reise gemeinsam fort. Gerade eben waren sie von dem Weg, der in die Hilsschlucht hinein führte, abgebogen, denn dieser Weg war nur für Fußgänger oder sehr wagemutige einzelne Reiter gedacht. Stattdessen nahm die Gruppe den etwas weiteren, aber auch für Reiter und Fuhrwerke geeigneteren Weg um die Schlucht herum.

„Vielleicht ist es Niam?“, warf Rahjane in den Raum, „Weigert sie sich noch immer standhaft zu heiraten?“
„Sie muss endlich unter die Haube! Unsere Schwester wird nämlich auch nicht jünger!“, Alma nickte und rief: „Anhalten!“
Es dauerte einen kurzen Augenblick, dann kam die Kutsche zum Stehen.
„Du hast keine Kinder, Niam hat keine, ich hab keine, Pergrin, na ja und auf Baduar ist auch kein wirklicher Verlass, ich meine zwei Kinder...“
„Drei!“, korrigierte Alma und lächelte, „Wärst du öfters in der Gegend, verehrte Schwester, dann würdest du das auch wissen...“
„Er hätte mir gewiss geschrieben...“, beteuerte Rahjane irritiert.
„Es ist Eure werte Schwester, Niam von Eichstein, Herrin!“, hörten sie eine Stimme draußen.
„Wie heißt es denn?“, wollte Rahjane da wissen.
Alma zuckte mit den Schultern: „Noch ist es ja auch noch nicht geboren...“
Rahjane schien erleichtert und sagte: „Trotzdem sollte Niam dringend heiraten! Wie du bereits sagtest, sie wird auch nicht jüng...“

In diesem Augenblick öffnete jemand die Tür und sie erkannten Niam: „Na, meine lieben Schwestern, plant ihr mich wieder zu verheiraten?“
Dann setzte sie sich zu den drei Frauen in die Kutsche und betrachtete erst ihre eine, dann ihre andere Schwester.
Rahjane schüttelte energisch ihren Kopf: „Warum sollten wir?“
„Als hätten wir nichts besseres zu tun!“, führte Alma da aus und rollte nur mit den Augen.
„Eben!“, pflichtete Rahjane ihr bei und nickte eifrig.
„Allerdings weißt du sicherlich, dass wir alle einen bestimmten Platz in dieser Welt haben und..."
„Also doch!“, entfuhr es Niam, „Ihr verändert euch eben auch nicht, werdet lediglich jedes Jahr älter...“
„Wir fahren weiter!“, rief Alma schließlich. Dann setzte sich die Kutsche wieder in Bewegung und eine ganze Zeit lang herrschte betretenes Schweigen.

„Wusstest du, dass Aldare...“, wollte Rahjane von Niam wissen.
„Klar!“, unterbrach diese sie noch im Satz, „Wärst du eben öfters da, würdest du das auch wissen!“
„Meine Worte!“, pflichtete Alma ihrer Schwester bei.
„Es wird wirklich Zeit, dass du endlich heiratest!“, seufzte Rahjane nur und verdrehte die Augen.
„Ein paar Kinder würden dir gewiss nicht schaden!“, pflichete nun Alma Rahjane bei.
Dieses mal verdrehte Niam die Augen: „Ihr werdet eben auch nur jedes Jahr älter und sonst nichts... Ich finde du solltest heiraten, Rahjane, du bist die Jüngste von uns!“
Doch diese lachte nur: „Ich denk nicht mal dran!“

Dann hörten sie Stimmen, die Kutsche wurde langsamer, passierte das Tor der Vorburg.
„Ich glaube, wir sind da“, stellte die Novizin erleichtert fest und dachte bei sich Das war eine der längsten Fahrten, die ich je, in meinem ganzen Leben...
Und kaum hatte die Kutsche angehalten, sprang die Novizin schon heraus. Die drei Schwestern warfen sich vielsagende Blicke zu und nickte.
"So schlimm, waren wir nun wirklich nicht!", stellte Rahjane nüchtern fest.
"Das würde ich aber auch sagen...", nickte Alma.
"Stimmt!", griff Niam auf, "Damals als ihr mich an diesen abgehalfteten Ritter Dunkelmoor auf seiner gruseligen, zugigen Burg verheiraten wolltet..."
"So abgehalftert war der doch gar nicht! Ich meine, er war immerhin Ritter...", merkte Rahjane an, "Und hatte eine Burg. Sie mag nicht deinem Geschmack entsprochen haben, aber..."
"Zumindest war es ein Mann, denn wir wissen alle wofür Männer da sind, nicht wahr?", wollte da Alma wissen, schaute dabei allerdings zuerst Rahjane und dann Niam an.
"Immerhin war er nicht aus dem Haus Salzmarken...", Niam zuckte mit den Achseln.
"Das würden selbst wir dir nicht antun!", beteuerte Rahjane da nur und Alma stimmte nickend mit ein, während die Schwestern ebenfalls die Kutsche verließen.

"Was ist denn eigentlich aus deiner letzen Novizin geworden?", warf Niam auf.
"Ja genau!", Rahjane nickte, "Ich fand sie ja ganz niedlich..."
"Sie folgte dem Ruf Praios' und trat ihre erste Stelle als Lichtbringerin im Tempel zu Festum an", Alma nickte, "So ist nun mal der Lauf der Dinge"

Da stieß Pergrin zu ihnen.
"Habt ihr genug geplaudert, werte Schwestern?", fragte er gutgelaunt und, wie so häufig, mit einem schelmischen Lächeln, während er aus dem Sattel stieg oder viel mehr sprang, "Können wir jetzt zu unserem Bruder gehen? Er wartet sicher schon, es ist sicher schon alles vorbereitet"

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