Ein überraschender Bote 1

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Hohentrutz, 1037


Ein berittener Bote erreichte am frühen Abend, kurz bevor der Sonnenwagen den Horizont berührte, die Siedlung Hohentrutz, wo sich Ritter Roban aufhielt. Der isabellefarbene Wallach des Reiters war mit Schlamm und Schweiß bedeckt, und verschwitzt war auch der Reiter - den recht kühlen Temperaturen zum Trotz. Offensichtlich hatte er sich sehr beeilt - und der Weg war noch schwieriger als gewöhnlich um diese Jahreszeit gewesen.
Der Bote war recht einfach gekleidet, doch war die Kleidung gut gearbeitet und das Pferd kein schlechtes. Der Reiter mochte vielleicht vierzehn oder fünfzehn Sommer zählen, hatte birkenholzfarbenes Haar und wache, intelligente Augen von der Farbe reifer Haselnüsse. Er schwankte im Sattel und hatte Mühe, sich zu halten. Nur mit Mühe schaffte er es aus dem Sattel und kam mit schwankenden Knien und sich am Sattel aufrecht haltend zum Stehen. Ans Pferd, das bereits den Kopf hängen ließ, gelehnt, atmete er ein paarmal tief durch, bevor er sich tief verneigte und eine Schriftrolle dem Ritter entgegenstreckte, welcher den unerwarteten Besuch am Fuße des Siedlungshügels empfing. Die Schriftrolle war aus fein gegerbtem Ziegenleder und mit einem Bastband verschnürt. Sie enthielt folgende handschriftliche Note:

Tempel unseres Herren Praios und seines getreuen Dieners Scraan
Platz der Sonne, Praiosberg, Greifenfurt, Markgft. Greifenfurt
Markttag, 21. Ingerimm 1037 BF, Tag der Waffenschmiede

Geschätzter Roban Grobhand von Koschtal, teurer Freund,
es ist Uns eine große Freude, Euch mitteilen zu können, dass der Tag Unserer Heimkehr in den Kosch naht. Fast meinen Wir schon, den herben und doch so klaren Geruch der heimatlichen Berge um Unsere Nase schmeicheln zu fühlen, plätschert doch bereits die Breite beschaulich zu Unseren Füßen.
Viel ist geschehen, viel gibt es zu berichten aus tobrisch Landen und von den Reisen – und genauso sehr, wie es Euch darauf brennt, zu erfahren, was sich im Kampf gegen die schwarzen Lande getan, so brennt es Uns darauf, zu hören, wie es um die Heimat bestellt ist!
Mögen die Götter Euch schützen!

Ladislaus von Wildreigen

Roban stutzte, überflog die Zeilen noch einmal, ehe er den Boten in die einfache Kate führte, die er in Hohentrutz bewohnte. Der junge Mann schien sichtlich verwirrt, dass der Ritter nur ein derart bescheidenes Heim bewohnte, und dieses zudem auch noch mit einigen Gemeinen teilte, doch behielt er seine Fragen für sich. Roban wies ihm einen Platz an dem grob gezimmerten Tisch an und befahl, ihm etwas zu essen zu reichen.
"Besonders standesgemäß hausen und tafeln wir hier nicht", grinste er ein wenig schief, als eine junge Frau eine Schale einfachen Getreidebrei, Käse und Brot brachte, "aber für Moorbrücker Verhältnisse leben wir beinahe fürstlich. Aber jetzt erzähl mal - wer bist du, und wie geht es dem alten Ladislaus? Ist er gar zum Praioten geworden, dass er seine Briefe gleich aus dem Tempel schickt?"
Mit großen Augen sah sich der Bursche um, doch sagte er nichts. Als ihm Essen gebracht wurde, leuchteten seine müden Augen auf und er griff herzhaft zu.
"Habt vielen Dank, hoher Herr", bedankte er sich zwischen zwei Bissen. Für den Moment kam ihm jede Etikette abhanden.
"Mein Name ist Lechdan, Lechdan Silberbacher. Habe in sechs Wochen meinen vierzehnten Tsatag. Ich bin seit dem 1. Praios Anwärter bei den Bannstrahlern in Greifenfurt. Der Hohe Herr hat mich erwählt, weil ich reiten kann, vom Land komme und mir Regen nichts ausmacht."
Er war hungrig, er war kurz davor, im sitzen einzuschlafen. Zwischendurch sackte sein Kopf nach vorne, als würde er beim Kauen einnicken, dann schreckte er plötzlich hoch und schien für einen Moment aufstehen zu wollen.
"Ich muss Schlehdorn versorgen. Erst das Pferd, dann ich."
"Gute Einstellung, Bursche", brummte Roban, "doch mach dir da mal keine Sorgen drum. Firundal hat sich bereits um dein Pferd gekümmert. Er sorgt auch für meine Girte, zumindest was das Trocknen, Füttern und Tränken angeht. Ist zwar etwas eng im Stall, aber für ein paar Tage wird es wohl gehen. Jetzt hau dich erst mal in die Federn, ehe Boron dich hier am Tisch überwältigt. Morgen ist noch genug Zeit, dass du mir alles erzählen kannst."
Er wandte sich an einen der anderen Bewohner des Hauses, die das Gespräch aus dem Hintergrund verfolgt hatten: "Ingalf, du pennst heute nacht mit auf Lindwinas Sack. Wird dich wohl nicht stören. Lechdan, du übernimmst mein Lager, ich nehme das von Ingalf. Ist wie mit dem Essen - nichts besonderes, aber wir sind nicht verwöhnt!"
Lechdan wollte protestieren, dass der Ritter seine Ruhestätte für ihn räumte, aber Roban kam ihm mit einer raschen Geste zuvor.
"Habt Dank, Hoher Herr!"
Selbst, wenn er wollte, er war zu müde zum Protestieren und seine Müdigkeit war seiner Stimme anzuhören. Er sprach „schleppend wie ein Koscher", wie man im Greifenfurtschen sagte. Sein Essen, das erst zur Hälfte beendet, war vergessen. Mühsam erhob er sich, schleppte sich zu dem ihm zugewiesenen Lager und schaffte es gerade eben noch, sich seiner Stiefel zu entledigen, dann kippte er schlafend aufs Lager, wo ihm Ingalf, auf dem Weg zu Lindwinas Lager, im Vorbeigehen noch die Decke überlegte. Davon bekam der Bursche jedoch nichts mehr mit. Boron hatte seinen Schlaf gesegnet.