Bündnis und Verbundenheit - Ein Besuch im Winter
Burg Zwietrutz, 21. Hesinde 1042 - Morgens
Tara von Darbonia schaute von den Zinnen in den Burghof. Bitterkalt war es auf Zwietrutz und Schnee bedeckte das gesamte Lehen. Der Wind peitschte ihr unangenehm ins Gesicht und sie zog ihren Umhang fester um sich. Am Torhaus stand Burgherr Grimm zu Zwietrutz. Ihm schien das Wetter nichts auszumachen. In Rüstung, die sicher völlig ausgekühlt war, stand er vor dem Tor und erwartete die Alt-Rottmeisterin Iralda von Salzmarken. Hinter ihm stand Firunne, vor Kälte, aber auch vor Aufregung zitternd, weil sie den Besuch mit empfangen und das Pferd versorgen durfte.
Kaum ein Pferd wollte bei diesem Wetter die Drangsal hoch zur Burg, aber Iralda hatte ihr stolzes Ross ebenso stolz im Griff und ritt langsam durch das Tor in die Bastei der Burg. „Es passt zu ihm“, dachte sie über ihren Schwertvater nach. „Das schlimmste Wetter auf Zwietrutz und er lädt zum ersten Mal seine Herzensdame ein.“
„Ah, Tara“, polterte es plötzlich von hinten. Wolfor von Roder, ebenfalls gerüstet schritt auf sie zu. „Was machst Du denn hier? Hat Dir der Herr zu wenig Aufgaben gegeben?“ Ein wenig beschämt, im Müßiggang erwischt worden sein, erschrak die angehende Ritterin kurz. Schlagfertig jedoch antwortete sie umgehend, dass sie den aktuellen Stand des Brückenbaus kontrollieren solle. Grimm hatte eine lederne Brücke in Auftrag gegeben, die von der Burg bis rüber zum Burgmannshaus reichen solle. „Genau wie ich“, antwortete Wolfor grinsend und ein Lachen unterdrückend. „Einen tollen Zeitpunkt hat sich der Herr ausgedacht um – er zwinkerte Tara zu – die Bergjäger zu besprechen.“ „Ich dachte eben dasselbe“, gab die Knappin zurück. Beide schauten erwartungsvoll nach unten.
Grimm trat auf die angekommene Ritterin zu und bot seine Hand an. Von hier oben machte er eine gute Figur, dachten die beiden Beobachter. Iralda von Salzmarken schien jedoch Hilfe nicht gerne annehmen zu wollen. Sie sprang behände aus dem Sattel und begrüßte den Burgherrn freundschaftlich.
„Nicht ganz so formell, wie man es hätte erwarten dürfen“, flüsterte der Burgmann vor sich her.
Firunne ging auf die Alt-Rottmeisterin zu und wollte die Zügel ihres Pferdes nehmen, aber die Ritterin gab sie nicht her. Im Gegenteil. Nach einigen Sekunden und gewechselten Worten lief Firunne nun los und verschwand alsbald aus dem Bild von Wolfor und Tara.
„Was ist denn nun passiert“, fragte sich Tara laut. Doch Dramatisches konnten die beiden nicht feststellen. Grimm und Iralda standen sich gegenüber und sprachen offensichtlich. Grimm schien jedoch nun etwas nervös zu sein, vielleicht weil seine Planung durcheinanderkam.
Als Wolfor jedoch gerade eine Anmerkung dahingehend machen wollte, kam Firunne zurück und führte Grimms Pferd am Zügel. „Sie wollen doch wohl nicht jetzt bei diesem Wetter romantisch ausreiten“, sprudelte es aus Tara hinaus.
Grinsend sagte Wolfor: „Die Dame von Salzmarken scheint immer für eine Überraschung gut zu sein!“ „Und offensichtlich führt sie wohl die Zügel lieber selber in der Hand als sich führen zu lassen.“
Burg Zwietrutz, 21. Hesinde 1042 - Abends
„Auf den Burgherrn!“ „Habt Dank für die Einladung“, eröffnete Wolfor von Roder das Festbankett. Er hatte die halbe Burg an diesem Abend zum Essen in den Rittersaal eingeladen. Eigentlich war dieses für die Alt-Rottmeisterin vorgesehen.
Aber ein Bursche war am späten Nachmittag vom Wehrmühlenhof hergelaufen gekommen und hatte mitgeteilt, dass wichtige militärische Fragen eine Teilnahme von Burgherrn und Alt-Rottmeisterin nicht zuließen und sie voraussichtlich erst zu später Stunde die Burg erreichen würden.
„Aha“, hatte der Burgmann, sich seinen Teil denkend, darauf nur geantwortet und den Burschen mit ein paar Münzen und einem Überhang gegen den peitschenden Wind wieder zurückgeschickt.
Tara stand der Mund weit offen, als Wolfor sie anschließend gebeten hatte, die Bewohner der Burg einzuladen, um das Bankett nicht verkommen zu lassen. Nach der Grafenhochzeit in Grauensee waren Monate vergangen, in denen Iralda von Salzmarken nicht einmal namentlich erwähnt wurde. Und nun kam sie von heute auf morgen her und der Ritter zu Zwietrutz verließ plötzlich seine meist vorhersehbaren Pfade.
„Hauptsache, wir reisen übermorgen dennoch in die Otterburg ins Haus Trottweiher“, sagte sie etwas ängstlich ob einer möglichen Absage zum Burgmann.
„Das doch bestimmt“, besänftigte Wolfor. „Mir scheint dennoch, die ehrwürdigen Mauern der Burg Zwietrutz stehen Veränderungen ins Haus“, sagte er förmlich und grummelte dann, Tara in Richtung Palas verlassend, vor sich hin, dass er beim besten Willen nicht wüsste, wie Grimm zu Zwietrutz dies angestellt habe.