Der Ruf des Friedwanger Raben 1032 BF: Teil 15
Briefspielgeschichte der Golgariten
Die Wildermark, Anfang Praios 1032 BF
Es dämmerte bereits am Teich. Die Frösche quakten, Grillen zirpten. Bishdarielon hatte sich etwas ins Dunkle des Waldes zurückgezogen, lag auf kühlem Moos, sah auf das prasselnde Lagerfeuer, wo die Sokramorier, Männlein und Weiblein, scherzten, sangen, lachten, tändelten – und fröhlich becherten. Heitere Flöten-, Trommel- und Lautenmusik lag in der Luft, freundliche Schatten flirrten im Widerschein der Flammen umher. Die Festgäste trugen Blumenkränze im Haar, bei vielen war dies sogar schon die einzige Begleitung, mit Ausnahme von Kräutergürteln um die Lenden. Es ging tatsächlich überall recht rahjagefällig zu. Die ersten Glühwürmchen tanzten über der taufeuchten Wiese. Der Ritter streichelte der angenehm fülligen und doch wohlgeformten Frau, die in seinen Armen lag, durch das feuerrote Haar. Hekata schmiegte sich an ihn, er konnte ihre kaum verdeckten Rahjakuppen spüren. Sie roch gut, wie der Wald, der sie mit rauschenden Wipfeln umgab, hütete und väterlich barg. Gerade hatten sie sich geküsst, wild und leidenschaftlich, er hatte noch immer ihren Geschmack auf den Lippen. Hatten sich zuvor an Wildbret, Steckerlfisch und Brot gelabt, an Kuchen, Schleckwerk und Wein. Eigentlich gefiel es ihm hier, auf dem Fest…eigentlich… „Feier heute Nacht mit uns“, hauchte die junge (oder zumindest alterslose) Hexe. „Bleib bei mir…“ fügte sie ebenso sanft wie bestimmend hinzu. Ihre Hand tastete zum wiederholten Male nach seiner Hose, versuchte sie aufzuschnüren. Sie gurrte neckisch, knurrte, wie ein liebestolles Tier, biss ihm in den Nacken. Der Suunkdaler seufzte, schlug ihr, eher scherzhaft, auf die Finger. Sie ruckte hoch. „Was hast du denn eigentlich die ganze Zeit? Wir haben Alboran Hevin, Mittsommer. Da wird zwölf Tage und Nacht gefeiert, und jetzt nach Sonnenuntergang ist der Höhepunkt des ganzen Treibens. Gefalle ich dir etwa nicht?“ fügte sie mit Schmollmund hinzu. „N…Nun…ja…doch eigentlich schon…Es hat nichts mit dir zu tun…“ „Eisenkraut hilft bei solchen Problemen.“ „Wwas?“ „Es stärkt die Manneskraft, wenn du diesbezüglich Bedenken hast. Ein Gürtel aus Eisenkraut. Den tragen viele hier, sogar junge Burschen. Nun mach schon, mach dich frei, zieh dich aus, es ist so heiß heute…“ Kopfschüttelnd lehnte Bishdarielon sich auf. „Bei meiner Treu´ - nein, das ist nicht mein Problem. Ausnahmsweise. Ich kann nur keine Orgien feiern, wenn sich am Ende ein Tor in die Niederhöllen öffnen soll. Meine Gefährten sind in größter Gefahr, ich muss sie warnen. Ich kann meine Ordensbrüder doch nicht einfach im Stich lassen. Schon gar nicht mich hier vergnügen, während sie gerade in ihr sicheres Verderben reiten.“ Einen Moment lang herrschte ratloses, aber auch vorwurfsvolles Schweigen zwischen ihnen. „Überhaupt, so alt bin ich auch wieder nicht. Noch nicht mal 40 Götterläufe. Wie ist das eigentlich bei dir…?“ „Ich? Ich bin schon über hundert Götterläufe alt“ antworte Kata völlig ernsthaft, wie aus der Armbrust geschossen. „Wer weiß? Man fragt eine Dame nicht nach ihrem Alter.“ Dann schmiegte sie sich sanft an ihn, spielte mit seinen Locken. „Ordensbrüder, Gefährten“, nahm sie den Faden wieder auf. Hekatas leises Lachen klang ebenso ungläubig wie boshaft. „Freudlose Gestalten mit merkwürdigen Ansichten, über den Tod wie das Leben. Du kennst sie doch kaum, geschweige denn sie dich. Ich möchte wetten, dass du die meisten von ihnen noch nie zuvor im Leben gesehen hast. Möchtest du es für völlig Fremde aufs Spiel setzen?“ Ihre Hand suchte jetzt einen Weg durch den Hemdkragen zu seiner breiten, allerdings ziemlich haarlosen Brust. „Die Festwächterinnen werden dich zerhacken, mein Liebster. Sobald du dich dem Rand des Tals auch nur näherst. Ihr Spiel kann sehr grausam sein, wenn man ihre Übermacht herausfordert. Es gibt angenehmere Gesellschaft im Eulenkuhl, glaub mir.“ Bishdarielon hörte nur mit halbem Ohr zu, beobachtete die geheimnisvollen Gesten der uralten Eiche, in deren Obhut sie ruhten. Die weit ausladende Krone rauschte majestätisch im Abendwind. Ein Eichhörnchen hüpfte von Ast zu Ast, eine dicke Hummel brummte an seiner Nasenspitze vorbei. Die ersten Sterne blinkten am Firmament. Mittsommer. Alles schien leicht und doch kraftvoll und urwüchsig zu sein an diesem heiligen Ort. Heiliger Ort, war das hier ein Sanctuarium? Glaubte er das am Ende schon selbst? Nun, zumindest eine Art Refugium. Sein Blick ging hinüber zum Scheiterhaufen am See, wo seit einigen Stunden eine breitbeinige, übermannsgroße Figur aufgestellt wurde – eine Gitterpuppe aus Weidenruten, ausgestopft mit Tannenzweigen und Stroh, umhüllt von einer riesigen, grob genähten, weißen Robe mit Sonnensymbol in der Mitte. Der Korbmann war im Inneren hohl, etwa zweieinhalb Schritt hoch und an einem mächtigen Balkenkreuz befestigt, in der Form eines X. „Was soll das eigentlich werden, bei meiner Seel?“ wollte Bishdarielon wissen. Er knickte einen Grashalm, blies ein Käferchen herunter und kaute am Stengel herum. „Die Puppe da, auf dem Scheiterhaufen?“ „Das? Das ist der Brennende Praiosmann. Eine uralte Sitte in unserem Zirkel…geht bis auf die Zeit der Pfaffenkaiser zurück.“ Hekata lächelte sarkastisch. „Wer uns verbrennen will, den verbrennen wir auch…“ Ihre bekrallten Finger glitten katzenhaft über seine nackte Schulter, unter dem Leinen: sehr amourös, aber auch drohend. Ihre Finger krümmten sich. Sie begann ihn zu kratzen, durchaus schmerzhaft. „Hörst du?“ „Au… ja…ah. Ich will euch nichts Böses, wenn du das meinst. Nur die Sicherheit meiner Ordensbrüder, ach ja, und meine Freiheit. Lass das…Trotz allem, in meinen Augen seid ihr nichts weiter als Heiden, Ungläubige, Verwirrte, Alveran gestohlene Seelen. Ich werde für euch beten, für eure rechtzeitige Umkehr auf diesem lästerlichen Irrweg. Mehr kann ich für euch nicht tun.“ Er pflückte pikiert ihre Finger aus dem Hemd, sah in Richtung des aufgeschichteten Lagerfeuers auf der Lichtung, mit seinem stobenden Funkenflug. „Du bist so fürchterlich verklemmt, Bisch. Freiheit, die hast du doch hier bei uns…nicht in irgendeinem düsteren Orden…mit dem Tod als wahren Gefährten. Reitet er nicht sogar immer mit euch, als dreizehnter Krieger? So was Schauderhaftes.“ Der Feuerschein spiegelte sich in Katas grünen Katzenaugen wieder. Bishdarielon wich ihrem Blick aus, warf den Helm weg. Er zog sein rechtes Knie heran, umfasste es mit beiden Händen. „Als ich ein kleiner Junge war, da hat mein Vater einmal etwas zu mir gesagt. Etwas sehr Wichtiges. Kurz bevor er in der Tausend-Ogerschlacht gefallen ist. Das war im Sommer, die gleiche Zeit wie jetzt. In der Stunde der größten Finsternis, wenn alles sehr verworren scheint, und du überhaupt nicht mehr weißt, wem du noch trauen kannst…Wenn du nicht einmal mehr weißt, ob du dir selber trauen darfst“. Er blickte in den zarten Dunst der hereinbrechenden Dämmerung, sah für einen Moment das bullige, narbenzerfurchte Gesicht seines Vaters vor sich, mit dem zerfransten Vollbart und der „Topfhelmfrisur“, wie er lautlos die Lippen bewegte. Bishdarielon sprach die Worte laut aus: „Dann musst du immer das tun, was dir dein Ehrgefühl befiehlt. Selbst wenn es dich das Leben kosten sollte.“ Er stand auf, zwinkerte das Feuchte im Auge weg und schluckte einen bitteren Geschmack im Mund herunter. „Bei Rondra, genau das werde ich jetzt tun. Und versuch ja nicht, mir wieder einen Knüppel oder deinen Hexenbesen zwischen die Beine zu werfen. Oder dein Schmusekätzchen auf mich zu hetzen…“ Auch Hekata erhob sich. Tatsächlich hielt sie ihren Besen vor sich, wie eine Waffe, jäher Zorn glimmte in ihrem Mienenspiel. „Törichter Narr. Hörst du mir überhaupt zu? Ich will dich nur beschützen, am allermeisten vor dir selbst. Glaubst du, ich habe dich heute morgen aus dem Wassertrog gezogen, nur um dich am Abend an die Krähen zu verfüttern? Der Schwarm der Schwarzen Schwestern. Sie werden dich zerfetzen, dir die Augen aushacken, die Haut mit ihren Schnäbeln durchbohren, dir das Fleisch von den Knochen reißen, alles zugleich, bei lebendigem Leib…Selbst wenn du ihre Attacken irgendwie überstehen solltest, wird das Geschrei sofort meine Schwestern herbeirufen. Ihr Zorn wird noch sehr viel fürchterlicher sein. Du kommst nicht weit. Kein Zweibeiner darf gegen den Willen des Zirkels das Tal betreten oder verlassen. So lautet Ludwinas strenger Befehl als Festkönigin.“ Bishdarielon zuckte mit den Schultern, tastete nach den Kratzern an seinem Rücken. Blut klebte an den Kuppen seiner Finger, als er sie wieder zurückzog. Gnädiger Herr Boron, in was für eine Gesellschaft war er hier geraten? „Sag Ludwina halt, sie soll ihn aufheben.“ „Das kann ich nicht, das steht nicht in meiner Macht.“ „Dann beschütze du mich vor den praiosverfluchten Kracken. Du hast mich schließlich auch unbeschadet hierher gebracht. Ohne vorher Ludwina oder den Zirkel um Erlaubnis zu fragen, nicht wahr?“ Bishdarielon wandte sich in Richtung Wald, wurde aber von Kata zurückgehalten, die ihm am Oberarm packte. „Dir ist es also wirklich ernst?“ „Sehe ich aus, als würde ich scherzen?“ Ein Seufzen, traurig, aber auch ein klein wenig bewundernd. „Du verfügst über eine bemerkenswerte Willenkraft, für einen Nichthexer…Oder bist einfach nur verrückt.“ Hekata tastete nach einem Lederriemen, der ihr um den Hals hing, zog etwas daran hervor, nahm das Amulett ab. Ein kleiner heller Stein hing daran, mit einer sorgfältig eingeritzten, schwarz ausgemalten Feder. „Das hier ist der Passierstein.“ Sie hängte ihn Bishdarielon um, drückte ihn einen heißen Kuss auf die Lippen. „Die Krähen greifen niemanden an, der ihn trägt.“ Der Senkenthaler stutzte, freudig erstaunt. „Und du?“ Einen Moment lang musterte Bishdarielon die schöne, sinnliche Tochter Satuarias. Sie wollte ihn, zumindest für den Moment besitzen, auch beherrschen, vielleicht einfach nur den Mann in ihm demütigen, wie es seit jeher die Art dieser Zauberweiber war. Wenn sie überhaupt so etwas wie Liebe empfand, war es sicher nur Hexenliebe. Weniger als ein Rahjabund…aber…immerhin mehr als bloße Katzenliebe. Muriel, der diesen Gedanken erraten zu haben schien, strich eifersüchtig schnurrend um Hekatas Beine. „Mach dir um mich keine Sorgen.“ Einen Augenblick lang schien die Hexe aber selbst unsicher zu sein. „Kata…wie Katastrophe…“ murmelte sie geistesabwesend, mit einem gequälten Lächeln. Sie nahm ihren Kater auf den Arm, streichelte über dessen Fell. Ein feines Knistern, sogar ein paar Fünkchen flogen. Das Vertrautentier wand sich frei, sprang missmutig fauchend hinter den Eichenstamm. „Ludwina wird mich schon nicht gleich erwürgen.“ „Wenn sie mich schnappen, werde ich einfach sagen, ich hätte dir den Stein gestohlen…“
Sie küssten sich, heiß und leidenschaftlich, hielten einander eng umschlungen. Ein tiefes wohliges Prickeln, eine mehrdeutige, abgründige Erregung durchschauerte Bishdarielon. Sie genossen die Berührung, hintergingen sich, nutzen sich ohne jedes Schamgefühl aus, opferten sich selbstlos für einander auf, empfanden all das zugleich in einer einzigen Umarmung. Furcht, Gier, Herrschsucht, Selbstsucht, Liebe, Hass, Lust - Wollust. Dunkle Wonne. Bishdarielon spürte, wie Levthans Macht ihn überkam (was für ein Prachtweib!), er wollte mehr. Nun war es Hekata, die ihn schroff zurückstieß. „Geh jetzt, geh“ sagte sie kalt, während sie sich umblickte. „Ja, du hast mich bestohlen. Gewiss, so wird es sein. Nun lauf schnell zu deinen Ordensbrüdern. Ich hoffe, sie wissen deinen törichten Mut ebenso zu schätzen wie dein altmodisches Ehrgefühl. Narren des Schicksals sollten zusammenhalten. Und ja: Es gibt einen Pfad hinaus aus dem Tal. Muriel wird dich ein Stück weit führen. Gehab dich wohl.“ Sie riss sich aus seinen Armen los, löste sich von ihm, ein bisschen zu leicht für seinen Geschmack, schlenderte scheinbar unbeschwert in Richtung Festkreis und Lagerfeuer, ohne sich noch einmal umzudrehen. Er hatte sie in ihrem Stolz beleidigt, keine Frage.
Bishdarielon schwindelte noch immer der Kopf, während er im Hangwald dem Schatten des Katers zu folgen versuchte. Seine Unterlippe blutete, dort wo Hekata hinein gebissen hatte, wie er erst jetzt schmerzhaft merkte. Ein Gefühl, als hätte er eine Säbelzahntigerin geküsst. Er grinste schief. Dennoch, was für eine Frau, was für eine unvergleichliche Erfahrung! Der Golgarit konzentrierte sich auf den kaum vorhandenen Weg, der mit Farnen und Dickicht zugewuchert war. Es ging stetig aufwärts, auf die steilen, schwarzen, zerklüfteten Felswände zu. Ohne die Hilfe des Hexenvertrauten hätte er kaum den Pfad erkannt, der hier aus dem Kessel führen sollte. Droben in den Ästen saßen die Krähen, gut erkennbar an den glimmenden Augen. Sie musterten ihn stumm, aber ohne sonderliches Interesse, wippten, flatterten mit den Flügeln. Kein Angriff. Der Stein mit dem Federsymbol schützte ihn wirklich. Nur hier und da flatterte ein einzelner der Todesvögel auf, wechselte schwerfällig den Ast. Ein kurzes Krah-Krah, eine heruntertaumelnde Flaumfeder oder ein „feuchter Gruss“, mehr schreckte den Golgariten nicht. Bishdarielon versuchte nicht an die sicherlich Hunderten von Gespensterkrähen über seinem Kopf zu denken, während er sich Schritt für Schritt hangaufwärts mühte. Unvermittelt stand er vor der Felswand. Muriel, den er seit geraumer Zeit nicht mehr gesehen hatte, war verschwunden. Hatte der Kater ihn gefoppt? Um diesen bemoosten, verwitterten, von Efeu, Wurzeln und Ranken bedeckten Steilhang hier zu bezwingen, brauchte man schon einen Hexenbesen. Dann sah er die groben, kantigen Stufen, die in den Felsen gehauen waren (wenn es sich dabei überhaupt um Menschenwerk handelte). Seine Freude währte nur kurz. Ein Knacken im Gebüsch, gefolgt von einem heftigen Rascheln. Im Licht des aufgehenden Mondes traten drei Gestalten aus dem Wald, fesche Burschen in Bauerntracht. Dorfschönlinge, sokramorische Gespielen der Hexen. Sie trugen ebenfalls „Federsteine“ um den Hals – zwei von ihnen Dolche und schwere Knüppel. Der Bauernsohn auf der rechten Seite legte gerade einen Stein in seine Schleuder. „Sumuverfluchter golgaritischer Schnüffler“, blaffte der Mann in der Mitte, dessen Gesicht im Halbdunkel kaum zu erahnen war. „Du willst also türmen und deinen Ordensfreunden verraten, was du hier gesehen hast, elender Spion?“ „Damit sie dann hier herkommen, um uns abzuschlachten“, ergänzte der schnauzbärtige Gefährte zur Linken. „Ist das etwa der Dank, dass Ludwina dein elendes Leben geschont hat?“ Bishdarielon wich langsam zur Treppe zurück. An schnelle Flucht war, mit den wutschäumenden Sokramoriern im Rücken, nicht zu denken, die Stufen waren glatt, schmal und schief – schon unter besten Bedingungen tückisch, unter diesen Verhältnissen halsbrecherisch. Er hatte keine Waffe, merkte er gerade. „Hört zu. Spielt weiter mit euren Hexlein, aber lasst mich in Ruhe meines Weges ziehen. Ich will nur verhindern, dass demnächst auf meinem Boronanger die Niederhöllen losbrechen, nicht mehr und nicht weniger – was auch in eurem Interesse sein dürfte…“ Grimmiges Schweigen. „Ihr seid aus Zaberg oder Efferding, nicht wahr? Liegt alles nicht allzu weit von Senkenthal entfernt. Wie gesagt: Es ist in eurem Interesse, wenn nicht in ein paar Nächten eine Armee Untoter eure Dörfer und Familie heimsuchen wird. Was ich und der Orden mit Borons Hilfe verhindern werden.“ Sie starrten ihn immer noch an, mit kaum mehr Verständnis im Blick als die stummen Krähen in den Bäumen. Überhaupt war ihr Blick merkwürdig leer und glasig, als hätten sie Rauschkraut genommen, die Bewegungen wirkten steif und ungelenk. Handelte es sich bei ihnen etwa schon um seelenlose Zombies? Irgendein Gefühl sagte ihn, dass sie ihn nicht nur aufhalten, sondern töten wollten. „Du quatscht zuviel, Pechvogel“, knurrte der Mann in der Mitte. „Oder bist einfach nur ein Verrückter.“ Dann griff er an. Bishdarielon pendelte zur Seite, packte die linke Faust des Angreifers mit dem Dolch, wehrte den Knüppelhieb über Kopf ab, indem er das Gelenk schmerzhaft gegen seine Handkante prallen ließen. Der Mann ließ schreiend den Prügel fallen. Bishdarielon verdrehte ihm die Linke, so dass auch der Stahl zu Boden klirrte. Ein Kopfstoss. Der Golgarit packte den benommenen Gegner, riss ihn herum, als menschlichen Schutzschild. Keine Sekunde zu früh, denn schon klatschte der Schleuderstein gegen die Stirn des Bauern. Stöhnend bäumte der sich auf, nur um im nächsten Moment gegen seinen von links angreifenden Gefährten geschleudert zu werden. Beide gingen zu Boden, Laub raschelte, Steine und Erdbrocken klackerten nach unten.
Bishdarielon duckte sich, raffte den Dolch an sich, trat dem Blutenden in die Seite, der ächzend hangabwärts schlitterte, sich überschlug, jammernd nach unten rollte, prasselnd durch die Nacht und das dichteste Geäst. Dann hob Bishdarielon die Waffe, gerade rechtzeitig, um den Stoß des nächsten Sokramoriers abzuwehren. Klirrend prallte Stahl gegen Stahl, scharrte Schneide an Schneide. Der Golgarit duckte sich unter einem Knüppelschlag, wich einem fauchenden Klingenhieb aus, der nur seinen Hemdsärmel aufschlitzte. Wölfisch grinsend nahm Bishdarielon Maß, genoss den Respekt des Gegners. „Da waren`s nur noch zwei…“ Ein wütender Stich. Ihre Klingen verhakelten sich. Wieder ein Knüppelschlag, der schmerzhaft das Knie des Friedwangers traf. Keuchend ging er in die Knie, wehrte einen schlitzenden Angriff auf den Hals ab, rollte sich zur Seite, spürte die Felswand am Rücken, trat den angreifenden Bauern in den Unterleib, sah ihn stürzen. Mit schmerzverzerrtem Gesicht, die freie Hand an einer Efeuranke, zog er sich wieder hoch.
Der Schleuderer hatte unterdessen nach einer Sichel in seinem Gürtel gegriffen, sprang vor, hackte damit nach Bishdarielons Hals. Der Friedwanger parierte mit dem Dolch, riss dem Jüngling die schartige Waffe einfach aus der Hand. Ein Fausthieb wühlte sich in dessen Magen, eine gerade Linke krachte gegen das breite Kinn. Japsend taumelte der Dörfler zurück, prallte ungelenk mit dem Rücken gegen einen Baum.
Ein Schnaufen von hinten. Der Schnauzbärtige war wieder aufgesprungen, den Dolch erhoben. Bishdarielon schleuderte sein Messer, das sich zischend in die Schulter des Sokramoriers bohrte. Lautlos sank der in die Knie. Der Golgarit packte den am Baumstamm zu Boden gegangenen Sichelkämpfer am Kragen, hieb ihn kurz und wuchtig mit dem Hinterkopf gegen das Holz. Es klang hohl, warum auch immer. Ohne einen Mucks brach sein Gegner zusammen, blieb reglos liegen. Ein kurzer Blick auf den Verwundeten am Boden, der erneut nach seinem Dolch tastete. Ein Tritt gegen den Unterarm belehrte ihn eines besseren. Bishdarielon nahm den Knüppel an sich, zog ihn hart über die Stirn des Sokramoriers. Blut quoll dickflüssig aus einer Platzwunde. Bischdarielon packte ihn, stellte ihn auf, hob die Waffe erneut. „Bitte…bitte nicht mehr.“ Der Ritter musterte sein Opfer abschätzig, ließ es dann verächtlich schnaubend fallen. Auch der Kerl hatte genug.