Die Sieben Künste Ingerimms

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Ausgabe Nummer 30 - Efferd 1024 BF

Die Sieben Künste Ingerimms

Wie sie seit alters Zeit im Koscher Land bekannt sind

Aus dem Buche "Hammer und Amboß" der Hochgeweihten Ilpetta Ingrasim, 215 v.H.

Der Herr Ingerimm aber sah, daß die Menschen auf Deren wandelten und hülflos waren. Da stieg er hinab und lehrte sie die Sieben Künste, und aus jeder gingen die mannigfaltigen Gewerbe hervor, die bis heute in alter Tradition vom Meister zu Lehrling weitergegeben werden. [...]

Zum ersten kennen wir das Erzwerk, das dem Herrn am liebsten ist, hat er es doch selbst erlernt und übt es auch heute noch aus, wovon das Dampfen aus dem Heiligtume Schlund bisweilen kündet. Zum Erzwerke gehören freilich die Schmiede, seien es die Klingen-, Huf- oder Grobschmiede, auch die Harnischmacher und Rüstungsbauer, die Bleigießer, Siegelmacher und Graveure; doch zuvor muß noch das Erz gefunden, gefördert und gewonnen werden, und darum rechnet man auch die Bergleute, Steiger und Hauer und ebenso die Hüttenleute hierunter.

Zum zweiten kennt man das Steinwerk, das zu den ältesten gehört, und Angroschs Kinder haben es zur Meisterschaft darin gebracht. Das aber wird keiner bestreiten, hat er einmal die viele Dutzend Schritte messende freitragende Halle im Amboß geschaut oder die Kavernen zu Xorlosch. An Berufen rechnet man darunter die Stein- und Schieferbrecher, die in den Steinbrüchen der Berge schuften und sich ein gar sauer Brot verdienen und den Rücken unter schweren Lasten krumm machen; weithin angesehen sind die Maurer und Metze, die unsere schönen Häuser und Tempel errichten, und die Bauleute, die kundig die Pläne dafür entwerfen. Zum Steinwerk gehören aber auch die Bildhauer, die lebensechte Statuen aus dem Marmel schneiden, Diamantenschleifer, welche herrliche Brillanten formen, ferner auch die Kristallzüchter, die es nur unter den Zwerchen gibt, und auch die hochgeehrten Glasmacher. Denn das schöne bunte wie auch das klare durchsichtige Glas wird aus Sand und Gestein gewonnen, was man kaum glauben mag.

Es folgt an dritter Stelle das Tonwerk, welches Simia im Auftrag seines Vaters den Menschen brachte. Er gilt uns als Erfinder der sich drehenden Töpferscheibe und ist daher der Patron der Töpfer und Krugmacher, welche allerlei schöne Gefäße und Schalen mit ihren Händen formen. Das Tonwerk kennt noch manch andere Berufe wie den der Torfstecher, die jeden Tag ins Moor ziehen und ein ganz eigenes und auch ein wenig verschrobenes Völkchen sind. Wichtig sind vor allem die Ziegelbrenner, ohne die manch reicher Bürger sein Dach nicht hätte decken können, und freilich auch die Kalkmischer, die man für Fachwerk und Putz benötigt.

Als viertes unterscheidet man das Tuchwerk, das die Gewinnung und Verarbeitung von Stoffen umfaßt, sei es von der Wolle, sei es vom Hanfe, Flachs oder Bausch, wie ihn die Alfen in den Auen und die Leute im weiten Süden anbauen. Zu nennen sind da zuerst die Spinner, welche mit Spindel und Rocken feines und grobes Garn gewinnen, dann die Weber, die es zu Tuchen weben, die Tuchbleicher und schließlich die Färber, die es in leuchtende und göttergefällige Farben tauchen. Aus dem vollendeten Stoff fertigen die Schneider neue Gewänder, die Flickennäher bessern die alten aus, und es ist darum ein weniger angesehenes Gewerbe. Auch gibt es die Hutmacher, die Teppichknüpfer und die Seiler, aus deren Werkstätten die starken Taue für Schiffe und Galgen stammen. Von den Teppichknüpfern heißt es im übrigen, daß sie im Tulamidenlande eine Kunst beherrschten, ihre Werke hoch durch die schwindlichten Lüfte fliegen zu machen. Da sei Ingerimm vor!

Das fünfte Werk heißt man das Holzwerk, das in viele Berufe gegliedert ist, von denen aber einige gar keine Gilden kennen, so die schwarzen Köhler, die als gar eigenbrödlerische Gesellen gelten und vom Ruße schwärzer werden als die wilden Mohas von Al'Anfa. Die Holzhauer sind mancherorten wirklich Zünftige, und im benachbarten Andergast leben viele von diesem Gewerbe, die Steineichen zu fällen. Im Kosch gibt's etliche Schnitzer und Drechsler, vor allem in Wengenhoolm, und aus ihrem Handwerk sind auch die gar niedlichen Figuren unserer Angbarer Puppenbühne entsprungen. Die wichtigsten Berufe des Holzwerkes sind aber ohne Zweifel die Schreiner, Zimmerleute, Wagner und Küfer. An Flüssen, Seen und Meeren finden sich die Schiffsbauer, die sich weniger dem Herrn Ingerimm als vielmehr seinem Bruder Efferd verschrieben haben oder, wie es am besten ist, beide gleichermaßen in Ehren halten. Auch die Bogner sollen man nicht vergessen werden, unter denen die Elfischen die größte Fertigkeit aufweisen, wie man wohl oder übel zugeben muß. Dafür stellt das Volk der Hügelinge die besten Armbrustmacher.

Zum sechsten kennt man nun das Lederwerk, das ein weitverbreitetes Geschäft ist und von der Verarbeitung der mannigfaltigen Tierhäute lebt. Zuförderst stehen da die Schlachter, auch wenn sie eigentlich mehr mit dem Fleische denn dem Leder zu schaffen haben. Im eigentlichen Sinne zum Lederwerk gehören die Gerber, die man aber in keiner Stadt gerne siehet wegen des Gestankes, obgleich sie doch unentbehrlich sind; des weiteren die Sattler und die Schuster, deren Arbeit aber alle Welt mit Füßen tritt, wie sie scherzhaft sagen. Zuletzt seien auch die Kürschner genannt, die vor allem für den Adel oder die reichen Handelsleute schmucke Pelze zu machen verstehen. Ähnlich verhält es sich mit den Pergamentmachern, deren kostbare Bögen ebenfalls nur für ausgewählte Kreise erschwinglich sind.

Zuletzt sei das Backwerk genannt, obwohl es doch zu den wichtigsten zählet, denn ohne diese Kunst, die wir auch der Frau Peraine verdanken, müßten wir elendlich verhungern. Zum Backen braucht's Mehl, und das kömmt von den dicken Müllern, die gar gewaltige Mahlsteine ihr Eigen nennen und an den Flüssen hausen, um ihre Räder anzutreiben. Überall kennt man das Gewerbe des Bäckers, und in den großen Städten findet man neben den Brotbäckern auch die Zucker- und Kuchenbäcker, wobei vor allem die Liebfelder hierin als Meister gerühmt werden, was aber nicht stimmen muß! Ebenfalls zum Backwerk gezählt werden auch die Brauer und Brenner, nicht weil sie backen täten, sondern weil zu ihrem Gewerbe das Korn unentbehrlich ist. Im Koscherland rechnet man auch die Wirte zu diesem Werke, und des Fürsten Schank- und Biergreven wachen sorglich mit Auge und Gaumen darüber, daß in unsern Gaststuben alles rechtens ist. Andernorts jedoch stehen die Wirte nicht in solch gutem Rufe, und dies wird kaum verwundern, wenn man bedenkt, daß manch ein dahergelaufner Vagabunt an seinem Lebensabend eine Schenke eröffnet, nachdem er durch die Lande gezogen ist, um Drachenhorte zu plündern.

Nun ist des Herrn INGerimm heilige Zahl aber die Acht, und daher heißt es in den alten Schriften von Ingrahall, es gäbe noch eine weitere Achte Kunst, von der weder die Angroschim noch Menschen etwas ahnen. Dieses kostbarste aller Werke werde sich jedoch nur einem wirklich Würdigen offenbaren. Und so trachteten und trachten Generationen von Priestern und Laien danach, diese Kunst zu finden. So manches neue Handwerk, das heute den anderen Sieben Künsten zugerechnet wird, ist während dieser Suche entstanden, und daher mag es sein, daß die geheimnisvolle Achte Kunst INGerimms das Erfinden an sich ist.