Veränderungen - Der Rosenritt I

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Hinterkosch, 1029

Riobhan hielt den Brief in seinen Händen. Lange hatte er auf diese Antwort warten müssen, doch nun freute er sich. Kindisch, wirklich. Oder eher kindlich. Er freute sich, dass er für seinen Sohn eine potentielle Gemahlin gefunden hatte, die gebildet war und auch über beste Verbindungen verfügte. Riobhan reichte den Brief seiner Gemahlin. Sie beide saßen in der kleinen Kemenate, einem Ruheraum zum Lesen und Entspannen, in dem wohlig warm das Kaminfeuer prasselte. Dunkel war es draußen, die sichelförmige Mada schien zart durch einen dünnen Wolkenschleier. Riobhan hatte das Fenster geöffnet, leise klapperten die Läden in dem sanften Wind, und die Wärme stieg durch das Fenster in die Nacht.
Aelfhea nahm den Brief entgegen – doch sie brauchte ihn nicht zu lesen, hatte doch Riobhan in eben dieser seiner geradezu kindlichen Begeisterung ihr lang und breit von jedem einzelnen Wort berichtet. Die Baronin lächelte und meinte mit ihrer wohlig honigmilden Stimme – mit welcher sie zauberhafte Weisen vortragen konnte:
„Lass uns nun Roklan für die Reise und den Rosenritt vorbereiten. Er muss diese Reise sogleich antreten, denn es geziemt sich sowohl der holden Dame Jileia als auch seiner Durchlaucht Fürst Blasius und mehr noch dem Hause Metenar gegenüber.“
Riobhan nickte und nahm sich vor, für den nächsten Tag alles zu arrangieren. Früh am nächsten Morgen ließ der Baron seinen Sohn rufen. Roklan sah noch recht verschlafen aus, hatte er doch gerade gestern mit Hlûthard von Kiefernfeld einige harte Übungskämpfe hinter sich gebracht. Hlûthard schonte den jungen Ritter nicht und sicherlich würde er einige blaue Flecken und Prellung davontragen. In der letzten Zeit war der Erbbaronet erstaunlich ruhig geworden – denn die Studien hielten ihn ebenso gefangen, wie sein Dienst am Herzogenhofe und seine Übungen in den verschiedenen Kampfdisziplinen.
„Guten Morgen, Vater“, grüßte er Riobhan immer noch ein wenig müde. Riobhan betrachtete seinen ältesten Sohn. Er wirkte blass und müde, doch immer noch aufrecht und würde langsam zum Mann heranreifen.
„Setz dich, mein Sohn.“
Riobhan bedeutete ihm, auf dem Sessel in der kleinen Schreibstube Platz zu nehmen. Roklan kam dieser Aufforderung nach und glättete beim Setzen noch einmal seinen schlichten Wappenrock in den Farben des Hauses Leihenhof, Blau und Gold.
„Wie kommst du mit deinen Studien voran?“
Riobhan stand nun auf und ging zu dem kleinen Tischchen, auf dem sowohl ein Krug mit Wasser als auch ein wenig Brot und kalter Braten bereit standen. Ganz hungrig wollte er nicht mit seinem Sohn über eine derart wichtige Sache sprechen. Rasch hatte er das Wasser in zwei Kelche gefüllt und reichte Roklan den einen der beiden, gebrannt aus dunklem Ton. Roklan nahm dankend an.
„Sehr gut. Sowohl Ynbaht von Lichtenberg als auch Hlûthard von Kiefernfeld sind sehr gute und ausdauernde Lehrer.“
Riobhan unterdrückte ein Grinsen. Ja, Ynbaht und Hlûthard waren von einem Schlag, der höchste Konzentration verlangte. Hlûthard nutze jede Unachtsamkeit seines Schülers aus und brachte ihm die Konzentration mit harten Bandagen bei. Und Ynbaht war ein Lehrer, der den Unterricht sofort abbrach, wenn er nicht die nötige Aufmerksamkeit erhielt. Roklan musste sich also anstrengen, wenn er jemand werden wollte. Riobhan wusste seinen Sohn in guten Händen.
„Du wirst auch alles Wissen und alle Fähigkeiten brauchen, wenn du dereinst deine Braut heimführen wirst.“
Roklan senkte den Kopf. Er wusste von Riobhans Schriftwechsel mit Baron Graphiel von Metenar. Er wusste von Riobhans Plänen, ihn – seinen Erstgeborenen und Erben – mit der Schwester Graphiels zu verheiraten. Es hatte Gerüchte gegeben, die Dienerschaft aber auch die Ritter hatten geplaudert, und dann hatte Roklan direkt das Gespräch mit seinem Vater gesucht. Riobhan hatte gehadert, doch dann hatte er seinem Sohn vom Briefwechsel mit Graphiel von Blauendorn berichtet.
Roklan war zuerst erschreckt gewesen. Er wusste doch nicht … er konnte doch nicht … und warum bezog ihn sein Vater nicht in solch wichtige Zukunftsfragen ein?! Doch andererseits...
Roklan mochte Jileia. Er wusste nicht, ob er sie liebte, aber er mochte sie und fand sie durchaus anziehend. Er vermisste die Gespräche mit ihr, ihr reizvolles Wesen, welches humorvoll war und auch ernst sein konnte. Dennoch hatte er sich bei seines Vaters Verkündung überrumpelt gefühlt, schier von einer Steinlawine überrollt. Im Laufe der Wochen hatte er sich mit dem Gedanken erst abgefunden und dann eine gewisse Freude daran gefunden, Jileia möglicherweise täglich um sich zu wissen. Die Gespräche mit der werten Baronesse hatten Riobhan wirklich gefallen, sie war so ... gebildet – ganz anders als so manch andere Adelsdame.
„... Rosenritt bereitmachen“, rissen ihn seines Vaters Worte aus seinen Gedanken.
„Bitte?“
Riobhan wurde ernst.
„Hörst du mir nicht zu?“
Roklan senkte wieder den Kopf.
„Seine Hochgeboren Graphiel von Blauendorn hat meinem Antrag seinen Segen gegeben. Seine Hochgeboren gab mir die Erlaubnis, dass du um die Hand der holden Jileia von Blauendorn wirbst. Sie dient jedoch am Hofe des Fürsten vom Kosch im Gefolge der Erbprinzessin Nadyana von Wengenholm. Es ist nun deine Pflicht und noch mehr: eine Ehre, zur Brautwerbung gen Fürstenhort zu reisen, und seine Durchlaucht Blasius von Eberstamm und Ihre Liebden Nadyana von Wengenholm um die Hand Jileias zu bitten und sie aus ihren Diensten zu entlassen.“
Roklan fiel die Kinnlade hinab. Zum Fürstenhofe reiten?! Und dort mit dem Fürsten sprechen?
Er schluckte einmal und versuchte irgendwie wieder Ordnung in seine Gedanken zu bringen.
„Werdet Ihr mich begleiten, Vater?“ fragte er mit möglichst fester Stimme. Doch Riobhan schüttelte – grausam, wie Roklan meinte – den Kopf.
„Das musst du allein tun, für die Ehre des Hauses Leihenhof. Denn als mein Erbe sollst du lernen auf eigenen Beinen zu stehen. Und schließlich sollst du seiner Durchlaucht beweisen, dass du in der Lage bist, deiner Braut ein würdiges Heim, Schutz und Sicherheit zu bieten. Wie wirke es da, wenn ich zum Fürsten gekrochen käme und ihn im Namen meines Sohnes bitte?“
Roklan verstand – aber das nahm nicht seine Nervosität. Was hatte er denn schon vorzuweisen?
Nervös nestelte er an einer Falte seines Wappenrockes, als könnte er ihn irgendwie ordnen. Er merkte nicht, wie Riobhan seinen ernsten Gesichtsausdruck verlor und lächelte. Als habe der Vater die Gedanken seines Sohnes gelesen (hatte er es vielleicht gar?) versuchte Riobhan ihn zu beruhigen:
„Ich werde dich würdig ausstaffieren. Du wirst nicht mittellos zum Fürsten reisen, sondern mit einem würdigen Gefolge. Ritter und Diener werden dich begleiten, für Gast- und Brautgeschenke habe ich schon lange gesorgt.“
Roklan staunte. Sein Vater ließ wohl nichts unversucht, ihn möglichst gewinnbringend zu verheiraten.
„Werde ich eigentlich auch in die Planungen miteinbezogen?“
Riobhan stutzte. Einen Moment lang sah er seinen Sohn an, als sei ihm ein Schnabel gewachsen, dann kroch langsam und zäh der Ärger durch die hochgeborenen Adern. Er richtete sich im Sessel, in dem er wieder saß, auf, straffte seine Schultern und fuhr sich energisch durch das dunkle volle Haar.
„Mein Sohn, du bist Teil der Planungen! Du wirst zum Fürsten reisen und um die Hand Jileias von Metenars bitten.“
„Aber...“
„Meine Aufgabe ist es, dich darauf vorzubereiten und dir alle Möglichkeiten zu verschaffen. Also stell' keine Fragen und tu was ich dir sage!“
Riobhan ließ sich wieder in den Sessel fallen. Roklan öffnete den Mund, um etwas zu sagen, schloss ihn aber wieder.
„Also, mein Sohn, wir werden dich vorbereiten. Es ist eine wichtige Aufgabe, die nun vor dir liegt. Denn Jileia von Metenar hat es verdient, von einem stolzen und ehrenhaften Ritter umworben zu werden.“
Roklan nickte. Er konnte nicht mehr als nicken. Er dachte an Jileia – sie war schön und gebildet. Es wurmte ihn nicht, mit ihr verheiratet zu werden. Er fragte sich nur, warum man ihn nicht in die Planungen mit einbezogen hatte. Nun aber würde er ihr den Hof machen. Er würde an den Hof des Fürsten vom Kosch reisen und dort die Schwester des Barons von Metenar umwerben, wie es einer hochedlen Dame gebührte.