Ein Ehrenwort und verschwiegene Wahrheiten: Unterschied zwischen den Versionen
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„Ein ritterliches Ehrenwort, das ich nach der Schlacht von Rhodenstein gab“, hatte der Prinz dem neuen Meister der Mark erklärt. „Ich will nicht verweilen. Erwartet mich nicht in fünf, spätestens sechs Wochen zurück – bevor der Winter kommt.“ | „Ein ritterliches Ehrenwort, das ich nach der Schlacht von Rhodenstein gab“, hatte der Prinz dem neuen Meister der Mark erklärt. „Ich will nicht verweilen. Erwartet mich nicht in fünf, spätestens sechs Wochen zurück – bevor der Winter kommt.“ |
Version vom 7. August 2018, 06:55 Uhr
Mit nicht geringem Erstaunen vernahm man am Hof zu Greifenfurt die Entscheidung des Prinzen Eberstamm, als dieser Mitte Travia von einem Tag auf den anderen sein Ross für den nächsten Tag zu satteln befahl, und auch um ein zweites samt Reiseproviant bat. Kaum zwei Monate, nachdem seine Gemahlin von einem Knäblein genesen war (und damit den künftigen Markgrafen geboren hatte), wollte der Prinz offenbar für einige Zeit in seine koscher Heimat zurück zu kehren. Herr Edelbrecht schien es für selbstverständlich zu halten, sich auf diese Reise zu begeben, obschon bei Hofe allgemein bekannt war, wie sehr die Markgräfin durch die Niederkunft geschwächt war. Sie selbst war in den Plan ihres Gemahls gewiss eingeweiht, aber wohl nicht jeder ihrer Berater (und mancher ihrer Vasallen draußen in der Mark wird den Kopf geschüttelt haben).
„Ein ritterliches Ehrenwort, das ich nach der Schlacht von Rhodenstein gab“, hatte der Prinz dem neuen Meister der Mark erklärt. „Ich will nicht verweilen. Erwartet mich nicht in fünf, spätestens sechs Wochen zurück – bevor der Winter kommt.“
Der Meister der Mark stand auf der Treppe der greifenfurter Residenz, als der Prinz und seine Gefährten ihre Rösser bestiegen. Mit soviel Prunk und vieldutzend edlen Gefolgsleuten er weiland als ritterlicher Brautwerber gen Greifenfurt gezogen war, so anders war das Bild nun. Nur zwei der treuen Falkenritter (Weidener mit düsterem Blick, welche am Vortage aus nordöstlicher Richtung eingetroffen waren), ein Knappe und eine Pferdemagd sollten den Prinzen begleiten. Die Markgräfin hatte sich schon in ihren Gemächern von Herrn Edelbrecht verabschiedet, wohl aber war der kindliche Prinz Ulfried Halmdahl auf dem Arm seiner Amme Brimoscha erschienen, die neben dem Meister der Mark stand.
Das Knäblein grunzte fröhlich, als es der Prinz mit Vaterstolz noch einmal im Arm wiegte, so dass dem zwergischen Mütterchen wie stets in solchen Momenten die Augen ein wenig feucht wurden. Sie umarmte den langen Prinzen kurz – den sie ja auch schon als Säugling genährt hatte – und schob diesem noch ein Bündel unter den Mantel, was Briefe an Verwandte im Hügelland oder womöglich Butterbrote für die Reise sein konnten.
Edelbrecht schlug Brimoschas schweigsamen Begleiter Arimbosch, der mit unbewegter Mine hinter seiner Cousine stand, kurz auf die breiten Zwergenschultern, dann saß er im Sattel. Ein letzter Gruß zum Meister der Mark – mit einem „Auf bald!“ sprengten sie davon.
Der Boronmond neigte sich schon dem Ende zu, das goldene Herbstlaub war vielerorts in der Mark schon zu bräunlichem Matsch auf dem Waldboden geworden, die Karrenwege von den Regenfällen der letzten Tage zu schlammiger Mühsal geworden und die Morgende nebelig und kalt.
An einem solchen kehrte der Prinz heim zu seiner Gemahlin Irmenella, am ersten Tage der siebenten Woche und ganz der, als der er fort geritten war – sah man davon ab, dass ihn nun statt der Falkenritter eine junge koscher Edle begleitete und die Pferdemagd einen Falben statt eines Grauschimmels als Packpferd führte.
„Wir fanden noch im Wengenholmschen Spuren eines wilden Ogers, meine Teuerste“, sprach Prinz Edelbrecht zur Markgräfin. „Da hielt ich’s für besser, eilends selbst [[Jallik von Wengenholm|Jallik] die Botschaft zu bringen, denn bevor erst ein Dörfler zu Fuß den Weg gemacht hatte …“
„Graf Jallik, ja, ich will hoffen, Ihr brachtet Ihm meinen Gruß, auch ohne dass ich ihn ausrichtete?“ „Er lässt ebensolchen zurück erstatten.“ – Edelbrecht lächelte, dann schloss er die Dame seines Herzens ein zweites Mal in die Arme.
Aus den Erzählungen der Pferdemagd, welche zuvor kaum einmal weiter als einen Tagesritt über Greifenfurt herausgekommen war und darum in den Schänken der Stadt wohl umso eifriger von ihrer Reise mit dem Gemahl der Greifin berichtete, ist zu hören, welcherart die Spuren dieses Ungetüms in der Tat waren: Die Gesellschaft befand sich bereits auf der Rückreise, nachdem sie ihr Weg bis ins Ferdoksche geführt hatte: Unweit der Höhlen von Malmarzrom, in der das Dröhnen von Angroschs Hammer zu vernehmen ist, liegt dort das Gut Klippbrühl, Lehen des altgedienten Ritters Hardger von Mönchbach.
Dort hatte der Prinz am Tag der Ahnen* vor dem Boronsfeste der auf dem Nôrnstieg gefallenen Ritterin Lissmene von Mönchbach gedacht, wie er es ihrem Vater gelobt hatte, und manch einer war dabei aus dem Kreise der Falkenritter, die sich hernach wieder in alle Winde zerstreuen sollten. Der Prinz hatte seinen Vetter Halwart, der immer noch unter seinen Schlachtenwunden vom Nôrnstieg litt, zurück nach Angbar begleitet und kurz am Hof des Vaters Station gemacht. Dort bat die junge Thalessia von Nadoret den Prinzen, zu Greifenfurt in seine Gefolgschaft treten zu dürfen, was dieser ihr gern gewährte.
Als sie nun das Wengenholmsche durchquerten, führte sie ihr Weg längs der Auer auf die [[Andergaster Landstraße[[ zu. Den letzten Abend hatten sie noch in der bekannten Schenke in Auerbrücks Keller verbracht. Das nächste Nachtlager sollten im Freien sein, da sich das Wetter wieder gebessert hatte.
Die beiden Edelleute wollten sich in einer kurzen Pirschjagd versuchen, derweilen der Knappe Feuerholz zu sammeln geheißen ward und die Reitmagd die Rösser versorgte. Da aber widerfuhr der braven Greifenfurterin schier Unglaubliches: Die Pferde scheuten und scharten mit einem Mal, dann bemerkte auch sie den scharfen, ranzigen Geruch und hörte schon das Unterholz splittern. Ein mehr den zwei Schritt hohes Ungetüm stapfte im Sturmlauf heran und schwang eine noch größere Keule. Die Pferde stieben auseinander, ein Keulenhieb fegte das unglückliche Packpferd von den Beinen. Das Untier ließ die Keule fallen, brach dem gestürzten Ross mit seinen Pranken das Genick, dann warf es sich sein Opfer über die Schultern und stürmte von dannen, wie es gekommen war.
Ein Oger’s war’s gewesen, befand der Prinz nach seiner Rückkehr, und deshalb ein Glück, dass die Reitmagd noch am Leben war.
Trotz der breiten Schneise, die das Monster gerissen hatte, befahl der Prinz nach kurzem Bedenken, ihm nicht in die Dunkelheit zu folgen. „Zwei Ritter gegen einen Oger in seinem Wald – das wäre ein heldenhaftes Wagnis, aber gewiss kein leichter Sieg. Seinen Hunger wird er nun wohl erst einmal stillen können, so dass sicher keinem Menschen heut Nacht noch Gefahr droht. Wir wollen morgen in aller Früh zurück reiten und den Abzweig nach Zweizwiebeln suchen. Baron Alderan muss Kunde erlangen.“
Und Baron Alderan gegenüber sprach er Herr Edelbrecht auch von dem, womit er Magd und Knappe nicht hatte in Aufruhr versetzen wollen: Dass ein derart seltsamer Überfall womöglich nicht von einem gewöhnlichen Untier, sondern vom gefürchteten Oger Goro verübt worden war. Von diesem hört man nämlich im nördlichen Kosch alle Jahre wieder Schlimmes, wie er Reisende zum Ringkampfe zwingt und sie dann in eine Grube mit angespitzten Pfählen zu schleudert, wo er sie verhöhnt, bevor er sie frisst. Baron Alderan nickte grimmig, als er des Prinzen Botschaft vernahm, doch war man guten Mutes, denn noch einer weilte justament an diesem Tag in seiner Halle: Jallik, Wengenholms Graf.
„Habt Dank für die Sorge um unsere Leute, Edelbrecht. Doch mögt Ihr getrost nach Greifenfurt reiten, und Eurer liebreizenden Gemahlin meinen Gruß und beste Wünsche von mir sagen. Hinter Euch werdet Ihr hören: Wir lassen die Berghörner erschallen und sammeln die Jäger. Der Oger soll nicht entkommen, und wenn’s Goro war, so wär’s mir eine Freude, ihm selbst den Sauspieß in den Leib zu rammen.“ Stitus Fegerson, nach Berichten aus dem Greifenfurtschen
- Am Vorabend des 1. Boron ehren die Koscher die Verstorbenen mit einem besinnlichen Fest, bei dem am Tisch ein Platz für jene freigehalten wird, die auf Golgaris Schwingen enteilt sind.