Aus Schutt und Asche zu neuer Pracht

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Ausgabe Nummer 43 - Ingerimm 1029 BF

Zu Hofe: Aus Schutt und Asche zu neuer Pracht

Angbarer Fürstenresidenz im Wiederaufbau

ANGBAR. Maurer, Zimmerleute, Steinmetze, Tüncher, Ziegelbrenner, Holzschnitzer, Schmiede, Glaser und viele andere tüchtige Handwerker stehen derzeit in Angbar zuhauf in Lohn und Brot, um die am Südrand der Stadt gelegene Fürstenresidenz Thalessia wieder aufzubauen. Denn wie dem geneigten Leser noch in Erinnerung sein mag, wurde das schöne Wasserschloss, welche der selige Fürst Berndrich vor knapp vier Jahrzehnten errichten ließ, in der Schlacht gegen den furchtbaren Alagrimm ein Raub der Flammen.

Während Fürst Blasius mit dem Großteil des Hofes bis zum vollständigen Wiederaufbau nach Burg Fürstenhort im Schetzeneck gezogen ist, um von dort die Geschicke des Landes zu leiten, hat sich die greise Fürstinmutter Thalessia in gewohnter Beharrlichkeit geweigert, die Residenz zu verlassen. Seither lebt sie mit einer kleinen Schar von Zofen und Dienern in den wenigen unversehrten Gemächern, um das Schloss, das ihr seliger Gatte einst nach ihr benannt hat, ein zweites Mal wachsen zu sehen.

Ingerimm sei Dank, möchte man sagen, sind die alten Pläne noch erhalten und der ehemalige Baumeister (ein Zwerg) noch am Leben — doch bedürfte es dessen vielleicht gar nicht, denn Frau Thalessia scheint sich genau an jedes Zimmer, jeden Erker, jede Gaube in „ihrem“ Schlosse zu erinnern. Überhaupt sind die Auftritte der betagten, aber noch sehr rüstigen Fürstinmutter auf der Baustelle bei den Arbeitern und Handwerkern gefürchtet, und in der Stadt macht mehr als nur eine Anekdote über die mahnenden oder (seltener auch) lobenden Aussprüche der energischen alten Dame die Runde.

Einer ihrer Besuche Anfang des Phexmondes sollte sich jedoch als großer Segen für drei Steinschneider erweisen: Diese hatten gerade ihre Arbeit im oberen Kamingemach beendet und wollten hinunter auf den Hof, um in der warmen Mittagssonne ihre Brotzeit auszupacken; da erscholl die erboste Stimme Frau Thalessias, ob diese krumm und schief stehenden Bodenplatten etwa koscher Handwerkskunst seien und was ihnen überhaupt einfiele, sich in den Mittag zu begeben, bevor noch das Glockenspiel vom Haus der Zünfte die Praiosstund’ geschlagen hatte? Die drei so gescholtenen seufzten und schickten sich an, ihre Arbeit wieder aufzunehmen, als vor dem Eingang mit einem ungeheuren Schlag, als hätte der Herr Ingerimm seinen Hammer niederfahren lassen, etwas Großes, Schweres niederging und in tausend Stücke zerbrach. Wie sich herausstellte, war es ein großer Steinquader, den die Maurer an der Außenwand hinaufgezogen hatten, als plötzlich das Tau unter der übergroßen Last riss. Und der gewaltige Quader hätte die drei anderen mit Sicherheit beim Verlassen des Saales erschlagen und zermalmt, hätte Frau Thalessia sie nicht zufällig zurückgerufen.

So schreiten die Arbeiten stetig, aber eher langsam voran, denn in diesen schweren Zeiten ist das liebe Geld knapp und auch die Transportwege für das Baumaterial sind oft nicht so sicher und gut befahrbar wie in jenen friedlichen Zeiten, als das Schloss zum ersten Mal errichtet wurde.

Doch nun, nach zwei Götterläufen, ist zumindest der Fürst-Holdwin-Flügel so weit fertig, dass die Fürstinmutter wieder ihrem Stand und Alter angemessene Gemächer beziehen und auch hohe Gäste empfangen kann. Am 21. Ingerimm, während der großen Warenschau in Angbar, soll das Gebäude eingeweiht werden, und zwar mit einem prächtigen Turnier, zu dem Streiter aus allen Provinzen des Raulschen Reiches geladen sind. Auf dieses Fest wartet Frau Thalessia im Grunde schon seit über dreißig Jahren, hatte ihr seliger Gatte doch einst versprochen, die Fertigstellung des Schlosses auf diese Art zu feiern — doch bevor es dazu kommen konnte, war er dem Rufe Kaiser Hals nach Maraskan gefolgt, wo er im Feldlager vor Tuzak sein Ende fand...

In der Stadt gehen nun bereits Gerüchte um, dass Fürst Blasius selbst ein letztes Mal in die Schranken reiten wolle, und zwar in einer prächtigen Rüstung, die von der Hüterin der Flamme höchstpersönlich geschmiedet wurde — doch mag es sich dabei nur um das übliche Gerede handeln, das man in den Schenken zwischen zwei schaumgekrönten Humpen Angbarer Alt seinen Tischnachbarn zuraunt.

Karolus Linneger