Berichte von der Keilerkompanie - Die Entscheidung des Fürstensohnes

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Haunerhof, Auersbrück, Rondra 1048

Der Magen des jungen Ritters bäumte sich auf und Baerwin musste sich eisern zusammenreißen, um sich nicht in den nächsten Busch zu übergeben. Der Anblick der sechs in der Sonne verwesenden Leichen mit den Fliegen und anderen Insekten war aber auch kein schöner Anblick. Angewidert betrachtete auch der Fürstensohn Erlan vom Eberstamm die Toten. An seiner Seite standen der treue Viburn von Rohenforsten, Trest von Mackenstein, Alrune vom Rosenschloss und gut zwei Dutzend Mitglieder der Vardocker Spießgesellen. Nachdem ihr Befehlshaber Eberhard von Vardock mit seinen Offizieren das Lager für einen kurzen Erkundungsritt verlassen hatte, war niemand von etwas Bösem ausgegangen. Doch als dann der völlig aufgelöste Bauer Bolzer Straunhaun erschienen war und um Hilfe bei einem Überfall gebeten hatte, da war die Gelassenheit sofort wie weggeblasen. Nun stand die eilig zusammengetrommelte Truppe fassungslos vor den Leichen. Der Fürstensohn blickte auf den angebrachten Schriftzug an der Scheune und fragte scharf: „Was hat das zu bedeuten?“ Doch keiner der Anwesenden konnte ihm eine Antwort darauf geben. „Sprecht, Landmann Straunhaun, was ist hier geschehen?“ befahl Erlan und der Bauer begann erneut seine Geschichte zu wiederholen, doch Baerwin wandte sich ab und ging in die Nähe des Bauernhauses.

Bolzers Geschichte über den Hinterhalt hatte er schon den Weg zu dessen Hof über gehört. Aber irgendetwas erschien ihm merkwürdig. Bei den Leichen war es ihm zuerst aufgefallen, alle hatten sie die tödlichen Verletzungen von vorne erhalten, was in Baerwins Augen doch gegen einen Hinterhalt sprach, so wie es Bolzer immer behauptete. Er betrachtete den großen Blutfleck mit den Schleifspuren vor dem Haus, dann die beiden gemauerten Stufen zum Eingang in den Bauernhof und vor allem den Türstock. Dieser war, wie die Türe auch, aus massivem Eichenholz, dazu ausgelegt, nicht nur die Kälte, sondern auch mögliche Angreifer draußen zu halten. Er untersuchte kurz das Holz und konnte keine größeren Beschädigungen feststellen. Das wurde immer merkwürdiger. Als gebürtiger Wengenholmer wusste Baerwin, dass selbst der ärmste Bauernhof darauf achtete, wie man möglichst wehrhaft sein konnte. Rotpelz- und Banditenangriffe waren in der Grafschaft nichts Ungewöhnliches, hin und wieder griffen sogar Orkbanden an, von den Raubzügen der Finsterzwerge ganz zu schweigen. Daher waren die Türen meist aus dickem Holz, welches sogar einige Zeit einem einfachen Rammbock widerstehen konnte. Zusätzlich waren die Eingänge der Häuser meist sehr schmal, so dass nur immer ein Angreifer eindringen und eine Waffe dabei nur schwerlich schwingen konnte. „Also selbst wenn hier tatsächlich ein Überfall stattgefunden hätte, so wäre doch genug Zeit gewesen, sich im Inneren des Hofes zu verbarrikadieren“, dachte sich der junge Mann.

„Ritter von Hartsteig?“ Baerwin zuckte zusammen, als er seinen Namen hörte, und blickte nun zu Alrune, die an ihn herangetreten war. „Tut mir Leid, wenn ich Euch erschreckt habe, aber Ihr wart kurz verschwunden. Daher wollte ich Euch suchen, denn noch einen Verlust können wir uns nicht mehr leisten“, meinte die junge Ritterin freundlich. Dann erkannte sie Baerwins Gesichtsausdruck und meinte: „Ihr seht so aus, als würdet Ihr Euch über etwas den Kopf zerbrechen?“ Baerwin nickte knapp und erzählte ihr von seinen Gedanken. Alrunes Augen wurden groß und sie fragte: „Glaubt Ihr wirklich, dass es hier gar keinen Überfall gab?“ Der junge Hartsteiger meinte zur Antwort nur: „Ich kann es noch nicht beweisen, aber es gibt einige Punkte in der Geschichte des guten Bolzer, die sich merkwürdig für mich anhören. So hat er ja gesagt, dass er die Leute um Eberhard in seinem Hof bewirtet hat. Aber dann hätten die Angreifer ja in den Hof eindringen müssen. Allerdings erkenne ich weder an der Tür noch an deren Schloss irgendwelche Beschädigungen. Und in meiner Heimat lässt man selten Türen offen stehen.“

Die Ritterin nickte, denn das machte auch für sie Sinn. Dann meinte sie: „Los, gehen wir doch einmal rein und schauen uns um.“ Baerwin blickte sie überrascht an und meinte dann: „Ist das nicht Hausfriedensbruch? Der gute Bolzer hat uns dafür keine Erlaubnis gegeben.“ Alrune zuckte mit den Schultern. „Der Bauer kaut dem armen Fürstensohn gerade ein Ohr ab und wenn es wirklich so ist, wie Ihr sagt, handelt es sich vielleicht um eine wesentlich größere Sache.“ Baerwin überlegte kurz, aber dann siegte seine Neugier. Gemeinsam betraten sie den Bauernhof und gingen schnell in den größten Raum des Hauses. Hier sah es so aus, als wäre ein Wirbelsturm durchgegangen. Essen und Besteck lag verstreut am Boden, ein Tisch und zwei Bänke waren umgeworfen und mehrere Krüge lagen im Raum herum. Alrune meinte bei dem Anblick: „Schade um das gute Mahl.“ Baerwins Augenbrauen zogen sich zusammen. „Hier war ja gedeckt wie für eine Feier. Warum sollte Bolzer für einen unangekündigten Besuch so auftischen?“ Alrune hob unschlüssig die Schultern und Baerwin rieb sich nachdenklich über das Kinn. „Ich werde den Verdacht nicht los, das hier ein geheimes Treffen stattgefunden hat und der Borrewaldbund schon da war, bevor es zu besagtem ,Überfall‘ kam“. Dann ging er weiter in Richtung der Ankleide. Hier hingen drei Mäntel mit dem Symbol von zwei gekreuzten Dolchen. „Das kenne ich“, meinte Alrune, „dies ist das Zeichen der Vardocker Spießgesellen, nach dem Familienwappen der Familie Vardock.“ „Aber hier ist auch noch ein vierter Mantel.“ Der junge Ritter nahm das löchrige Ding zur Hand und mustere es genau. Dies war nicht der Mantel eines Bauern, obwohl er schon wesentlich bessere Zeiten gesehen hatte. Der ehemals prächtige Fellbesatz am Kragen war ganz klar ein Indiz für den Mantel eines Edelmannes. Außerdem war er zu lang für Bolzer.

„Die Schweine“, zischte Alrune, „haben sich hier wohl wirklich mit dem Borrewaldbund getroffen, um irgendetwas auszuhecken, und dann sind sie sich wohl nicht einig geworden. Wir müssen schleunigst den Fürstensohn informieren.“ Die beiden Ritter verließen den Hof und suchten den jungen Erlan auf, der sich gerade mit den älteren Rittern unterhielt. Als Alrune und Baerwin direkt auf ihn zu traten, war er kurz überrascht, doch er erlaubte ihnen gleich zu sprechen. Je länger Baerwin und Alrune dann berichteten, desto grimmiger wurden seine Gesichtszüge. „Von Rohenforsten, von Mackenstein und ihr beide, bringt mich zu dem Haus und nehmt den Bauern mit. Wir sollten ihn direkt am Tatort befragen“, befahl nun der Prinz. Dem armen Bolzer schien zu schwanen, was auf ihn zukam, als die vier Ritter zu ihm schritten, doch er ging widerstandslos mit. Als alle dann in der Hofstube waren und die Tür geschlossen wurde, meinte Erlan nur: „Landmann Straunhaun, es gibt berechtigte Zweifel an Eurer Geschichte“, und dann konfrontierte er ihn mit den Erkenntnissen von Baerwin und Alrune. Der Auersbrücker versuchte sich zu Beginn noch herauszureden, doch dann wurde es dem Fürstensohn zu bunt. „Von Mackenstein, ich will, dass der Bauer nur noch die Wahrheit spricht. Könnt Ihr das einrichten?“, meinte Prinz Erlan kalt. Der angesprochene Ritter grinste wölfisch und ließ die eisernen Gelenke seiner Panzerhandschuhe klimpern. „Natürlich, Euer Durchlaucht. Überlasst das nur mir.“

Nach dem dritten Faustschlag gab Bolzer schließlich klein bei und wimmerte mit zertrümmerter Nase und blutigem Mund um Gnade. Anschließend rückte er mit der Wahrheit heraus und berichtete von dem geheimen Treffen zwischen den Spießgesellen und dem Borrewaldbund. Auch was hier besprochen wurde, enthüllte er. „Dafür wirst du hängen“, brummte Ritter Viburn ungehalten, doch der Fürstensohn schüttelte nur den Kopf „Er hat immerhin gestanden, daher soll der Strick nicht sein Ende sein. Schickt ihn in die Heisenbinge. Dort soll er Buße tun, bis er geläutert ist. Aber was machen wir jetzt mit den restlichen Söldnern der Vardocker?“ Viburn, Baerwin und Alrune sahen sich unschlüssig an. Dass die Befehlshaber der Spießgesellen mit dem Borrewaldbund verhandelt hatten, war genau genommen Verrat. Die Söldnertruppe konnte daher nicht mehr als zuverlässig angesehen werden. Doch da mischte sich wieder Trest ein und Baerwin gefiel dessen verschlagener Gesichtsausdruck überhaupt nicht, nein, es jagte ihm förmlich einen kalten Schauder über den Rücken.

„Hört mich an, junger Fürst. Die Vardocker haben Verrat begangen, ja, aber die Verantwortlichen werden gerade von Golgari ins Jenseits transportiert. Der Rest der Truppe könnte davon keine Ahnung gehabt haben, daher mache ich folgenden Vorschlag. Löst die Truppe der Vardocker Spießgesellen auf und übernehmt die restlichen Söldner einfach in eure Kompanie. Setzt sie in verschiedenen Lanzen ein, so dass sie keine Einheit mehr bilden. So schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe. Wir erhöhen rasch die Anzahl der Kämpfer und machen die einzelnen Söldner zu direkten Gefolgsleuten von Eurer Durchlaucht ohne weiteren Anführer.“ Alrune und Baerwin warfen sich gegenseitig einen unsicheren Blick zu, doch der junge Erlan schien von dem Vorschlag sehr eingenommen zu sein. „Eine hervorragende Idee, von Mackenstein. So werden wir es machen.“ Der Ritter verbeugte sich geübt vor dem Fürstensohn und meinte: „Alles für Euer Durchlaucht.“ Der Prinz des Kosch wandte sich nun an Alrune und Baerwin. „Auch von Euch beiden gute Arbeit. Ich denke, Ihr zwei solltet bald Euer eigenes Kommando bekommen. Gefolgsleute wie Ihr beide sind rar, daher will ich sie maximal effektiv einsetzen.“ Und mit diesen Worten ließ der Prinz die beiden salutierenden Ritter zurück, während er den Hof verließ, um den anwesenden Vardocker Spießgesellen seine Entscheidung zu verkünden.