Willkommen zuhause - willkommen daheim: Eine unruhige Nacht

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Roterz, 1037

Das Madamal stand bereits hoch am Himmel, als Ladislaus geweckt wurde. Das Feuer war bis auf ein wenig Glut herunter gebrannt, doch das Licht genügte, um Robans Umrisse auszumachen. Der hielt jetzt die Finger vor die Mondscheibe, erst alle gerade, dann zwei ausgestreckt, zuletzt in Richtung der nahen Büsche deutend. Ladislaus kannte die Handzeichen, die man auch in Tobrien genutzt hatte.
‚Kein Laut – zwei Gestalten – dort vorn‘ deutete er die einfachen Gesten. Lautlos wickelte er sich aus der Decke, nahm das Schwert, ohne es blank zu ziehen, und schlich mit Roban aus dem Lager, immer im Schatten der Felswand bleibend. Sie gingen nicht in die Richtung, die Roban gewiesen hatte, sondern schlugen einen Bogen, um ihre unerwünschten Besucher von der Seite zu packen.
Ladislaus hielt die Augen weit geöffnet, um möglichst gut sehen zu können, doch die zwei Gestalten, an die sie sich heran schlichen, tuschelten leise miteinander. Geduckt, wie die beiden standen, konnte man nicht sagen, ob man Menschen oder Angroschim vor sich hatte, aber die zwei sprachen Garethi, was eher für Menschen sprach. Mit wenigen Gesten deutete Roban an, dass er den Linken nehmen würde, und löste den Hammer vom Gürtel. Ladislaus zog die Klinge, darauf bedacht, die schmale Seite gegen das Firmament zu halten, damit kein verräterisches Spiegeln sie verriet. Dann huschten die auf die zwei Fremden los, gerade, als diese sich zum Gehen wandten. Einer stieß einen erschrockenen Ruf aus, es klickte und zischte vernehmlich, und Roban stieß einen Schmerzenslaut aus.
„Aaah! Du verdammter Hurensohn!“
Für eine Sekunde war Ladislaus abgelenkt, und die zwei Schatten sausten sofort in die Finsternis davon. Ein paar Schritte eilte Ladislaus ihnen nach, dann brach er die Verfolgung ab. In der Finsternis und ohne Ortskenntnis konnte man ihn allzu leicht in einen Hinterhalt locken oder einen Abgrund stürzen. Außerdem musste er nach Roban sehen, doch der Freund stand aufrecht, fluchte wie ein Kesselflicker und hielt sich das linke Ohr.
„Bist du verletzt?“
„Was? Nein! Oder doch! Dieser Ogerhintern hat mir eine Macke ins Ohr geschossen! Nichts ernstes, aber blutet wie Sau! Apropos Sau – das habe ich ja fabelhaft versaut, Mist, verdammte Kacke!“
Der Lärm hatte mittlerweile das gesamte Lager geweckt. Fackeln und Laternen wurden entzündet, Sambrax kam mit seinen Leuten gelaufen, um nach dem Rechten zu sehen. Rasch erklärte Ladislaus die Situation und untersuchte dann im Licht einer Laterne Robans Ohr. Die erste Diagnose war wohl richtig gewesen. Ein breiter Riss zog sich über die Ohrmuschel, heftig blutend, aber wohl nicht wirklich gefährlich.
„Eine Handbreit weiter rechts, und ich könnte jetzt auf Golgari aufsatteln“, brummte Roban. „Gehe jede Wette, dass das unser Mordschütze war. Vielleicht finden wir den Bolzen, der muss ja noch irgendwo liegen oder stecken!“
Sigismund holte Flechten und Weißmoos und einen sauberen Streifen Stoff und verband damit Robans Ohr. Moos und Flechten würden die Blutung stoppen und eine Entzündung verhindern, solang der Bolzen nicht vergiftet war. Dabei brummte er:
„Soso, da waren die Mordbuben also dicht bei uns. Da werden die Hunde ja morgen früh ein leichtes Spiel haben – wir müssen nur aufpassen, dass sie nicht von Bolzen getroffen werden. Ich würde die zwei ungern verlieren, es sind gute Tiere und ich würde gern mit ihnen züchten.“
Während Ladislaus seine Wache nutzte, um sein Schwert im Ruß der Flammen zu schwärzen, damit es in der Dunkelheit nicht verräterisch blitzte – Tobrien brachte einen auf Ideen, bei Praios! - hatten sich die Zwerge kurz verständigt und in die Dunkelheit aufgemacht – flink und geschickt, wie es nur Angroschim im spärlichen Licht vermochten.
Nach einer Weile kehrten sie zurück. Sie kannten sich unter Tage aus, aber nicht in einem Bergwald, deshalb hatten sie die Verfolgung nicht allein aufgenommen, sondern nur ihre dämmerungsgeübten Augen genutzt, um sich umzusehen. In der Tat präsentierten sie den Menschen alsbald den Bolzen, an dem noch Robans Blut klebte, eine Schachtel Feuerzeug und eine grobe Kartenskizze der Umgebung. Am Rande der Karte, die wirklich sehr, sehr grob war, hatte jemand Hinweise in kupferrot, schwarz und blau angebracht, doch hatte sich die Person dabei einer Geheimschrift bedient. Keines der Zeichen war im Garethi gebräuchlich und noch weniger im Zwergischen. Ladislaus und Sigismund sahen sich an und zuckten die Schultern. Sie konnten damit nichts anfangen und Sambrax reichte die Karte, ebenfalls schulterzuckend, an Rondrolf weiter.
„Interessant“, brummte dieser. „Die Zeichen erinnern mich ein wenig an die Zeichen, welche man bisweilen an Zaunpfosten oder Hausmauern findet. Füchsisch nennt man es, eine Geheimsprache der Gauner und Diebe. Leider beherrsche ich die Zeichen nur unvollständig, aber diese Zeichen stehen wohl für sichere Unterkunft oder so etwas. Möglicherweise auch für lohnende Beute. Wie gesagt, allzu bewandert bin ich in dieser Zeichensprache leider nicht.“
„Immerhin seid ihr bewandert“, bemerkte Ladislaus anerkennend. „Also der Unterschlupf der Bande oder der Ort, wo sie auf lohnende Beute hoffen.“
„Was auch immer, morgen folgen wir der Fährte, und wenn wir diese Drecksbande nicht fangen, lass ich mir den Hintern mit Scharlachwurz färben!“
„Reizvolle Vorstellung“, seuzfte Rondrolf, faltete die Karte und ließ sie in seinem Wams verschwinden.
„Tun wir unser möglichst, dass dein Hinterteil seine natürliche Färbung behält!“