Man erntet, was man sät - Aufstand
Durstein, Mitte Rondra 1041 BF
Aufstand
Holdwin von Rohenforsten schüttelte besorgt den Kopf. Die letzten Tage und Wochen über waren zahlreiche Vorratslieferungen auf Burg Durstein angekommen und Matrescha von Stanniz hatte die Bevölkerung Dursteins auch ihrer letzten Vorräte beraubt. Es ging alles auf eine lange Belagerung zu. Die Besatzung der Burg war durch die Drifter Garde deutlich verstärkt worden. Die Söldner, die Narmur für den Sturm auf die Yassburg angeworben hatte, waren derweil im Weiler Durstein einquartiert worden und sorgten dort für zunehmende Unruhe, denn der Baron war in Zahlungsrückstand und hatte die letzten Wochen vor allem mit leeren Versprechen Zeit gewonnen. Holdwin vermutete derweil, dass es der barönlichen Schatzkammer so schlecht nicht gehen konnte, waren doch allerlei Leckereien und andere Annehmlichkeiten in die Burg geschafft worden. Ein leises Klopfen an der Tür riss Holdwin aus seinen Gedanken. Auf sein Zurufen hin trat einer der Drifter Gardisten ein und meldete. „Eine Delegation der Söldnerführer begehrt Einlass in die Burg.“ Holdwin wirkte etwas verwundert. „Dann lasst sie halt rein. Sie werden wohl mit dem Baron wegen dem ausstehenden Sold sprechen wollen.“ „Der Waibel hat das Burgtor schließen lassen. Die Abordnung ist ziemlich groß und schwer bewaffnet. Es wirkt nicht, als wären die zum Reden gekommen.“
Holdwin erreichte das Torhaus gleichzeitig mit Josper von Kemlar. Der Burgvogt und der Hauptmann der Garde grüßten sich knapp und blickten dann zwischen den Zinnen hindurch. Der Gardist hatte nicht übertrieben. Die „Abordnung“ bestand aus mindestens der Hälfte der Söldner und war gerüstet, als ob es zum Kampf gehen würde. Damit nicht genug, gesellten sich immer mehr der übrigen Söldner zu der Gruppe hinzu. „Wo ist der Baron?“ und „Wir wollen unseren Sold.“ waren noch die freundlichsten Rufe, die zu den Burgmauern hinauf hallten. „Hier bin ich.“, rief Narmur mit einem Mal. Weder Holdwin noch Josper hatten ihn kommen gehört. „Ihr schuldet uns unseren Sold.“, rief ein vorwitziger Söldner. „Ich bin halt knapp bei Kasse. Die Aufständischen beklauen mich ohne Unterlass. Ich zahle euch alles, was ich kann.“, antwortete der Baron. „Das glaubt ihr ja selber nicht.“, rief der gleiche Söldner „Wir sehen doch, wie die ganzen Vorräte und feinen Sachen die in die Burg gebracht werden. Bezahlt uns, oder…“ Die Drohung hing in der Luft. „Oder was?“, fauchte Narmur. „Ihr Abschaum wagt es, mich auf meiner eigenen Burg zu bedrohen? Hauptmann, bringt den Schurken Benehmen bei.“ Josper schaute etwas verdutzt und schien sich unsicher zu sein, was von ihm erwartet wurde. Ein Ausfall wäre Selbstmord. Die Söldner waren der Burgbesatzung mindestens drei zu eins überlegen. Ein Augenblick verging und als nichts passierte, begann höhnisches Gelächter von den Söldnern herauf zu schallen. Daraufhin griff der Baron dem nächstbesten Gardisten die Armbrust aus der Hand und schoss dem Wortführer der Söldner geradewegs einen Bolzen in den Magen. „Das wird dich Respekt lehren.“, brüllte der Baron mit hochrotem Kopf. „Und nun trollt euch.“ Leider dachten die Söldner aber nicht daran, sich zu verdrücken, sondern schossen mit ihren Armbrüsten zurück, während einige besonders Vorwitzige das Burgtor mit ihren Äxten bearbeiteten. Diesmal war Josper besser vorbereitet, denn angesichts des feindlichen Auflaufes hatte er die gesamte Burgbesatzung unter Waffen antreten lassen. Auf sein Kommando hin eröffnete die Burgbesatzung das Feuer auf die Söldner und sorgten so für zahlreiche Verluste. Der Auflauf hatte sich innerhalb weniger Augenblicke aufgelöst. Zurück blieben nur einige tote und sterbende Söldner. Aber damit war die Sache noch nicht ausgestanden, denn kurz darauf erklangen Schreie aus dem Dorf herauf und erste Brände brachen aus. Den kriegserfahrenen Söldnern war klar, dass sie die Burg nicht erstürmen konnten. Sie hielten sich daher an den geplagten Dursteinern schadlos. Erst am frühen Abend beendeten die Söldner ihr grausames Tun und zogen ab. Zurück blieben rauchende Ruinen und so mancher toter Dursteiner. Viele Dursteiner hatten sich in die Wälder retten können, hatte Baron Narmur ihnen doch den Einlass verwehrt, da er fürchtete, dass die Söldner den Flüchtenden auf den Fuß folgen würden. Während Josper und Holdwin das Geschehen mit wachsender Fassungslosigkeit verfolgten, schien der Baron ganz guter Dinge zu sein. „Was schaut ihr denn wie drei Tage Regenwetter? Brumils Schergen werden kein festes Dach über dem Kopf haben, wenn sie kommen, und wir können nun strategisch wichtige Punkte im Dorf besetzen, ohne dass wir uns vorwerfen lassen müssten, unseren eigenen Untertanen das Dach über dem Kopf zu nehmen. – Das haben die Söldner für uns erledigt.“ Narmur deutete auf die Brandruine des Praiostempels, von dem nur noch die nackten Steinwände stehenblieben: „Hauptmann. Lasst den Tempel besetzen. Wir können von dort aus den unteren Abschnitt des Dorfes kontrollieren und unter Feuer nehmen, wenn der Feind anrückt.“ Josper zog die Augenbrauen zusammen: „Mein Herr. Das ist gewiss eine gute strategische Überlegung. Aber wenn der Feind beschließt, den Tempel zu nehmen, werden wir unsere Truppen von dort nur schwer in die Burg zurückholen können.“ Narmur wischte Jospers Einwand mit einem Handstreich weg: „Es ist besser, die Truppe dem Kampf auszusetzen. Das ist eine gute Übung! Hier in der Burg werden sie nur faul. Außerdem werden wir sie im Falle eines heftigen Ansturms rechtzeitig zurückziehen.“