Die Hesindefestspiele zu Salmingen

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Ausgabe Nummer 48 - Peraine 1031 BF

Die Hesindefestspiele zu Salmingen

Ein Überblick der Ereignisse

SALMINGEN / BRN. DUNKELFORST. Seit Rohals Zeiten finden alle sieben Jahre in Salmingen die Festspiele zu Ehren der Herrin Hesinde statt; dann strömen Geweihte, Magier, Gelehrte und einfache Pilger von weither in die kleine Stadt an der Rakula, um Wissen auszutauschen, die Herrin Hesinde um Rat zu fragen und sich in ihre Mysterien zu versenken. In diesem Götterlaufe schloss sich nun abermals Kreis, und bereits vor dem 30. Phex, dem heiligen Versenkungsfest, waren die Gasthöfe und Herbergen Salmingens gut gefüllt – wenngleich die Besucherzahlen nicht so hoch waren wie üblich.

Der Vorabend des Festes
Baron Hagen von Salmingen-Sturmfels hieß auf dem Markte von Salmingen die Gäste aus nah und fern willkommen. Dann öffnete der Tempel seine Pforten, und zahlreiche Gläubige traten in die von Kerzen erleuchtete Halle ein, um dort den Vorträgen zu lauschen und angeregte Dispute zu führen. Denn der Salminger Tempel hat es sich zum Ziel gemacht, die hesinde- und nandusgefällige Bildung ins Volk zu tragen. Einen Überblick über die gelehrten Vorträge findet der geneigte Leser auf Seite 9 (Petrefaktion... Ein Kommentar zu den Vorträgen). Bei der jeweils anschließenden Disputatio hatte kein Geringerer als Seine Exzellenz Siopan der Helle den Vorsitz inne, der bis vor kurzem noch Hochgeweihter des hiesigen Tempels war, nun aber als Erzpraetor die Kernlande des Reiches bereist. Den Besuch der Festspiele ließ sich der für seine Eloquenz berühmte Lehrmeister freilich nicht nehmen.
Nach der geistigen Nahrung verspürte mancher weitgereiste Pilger das Bedürfnis nach profaner Stärkung. Vor allem das Salminger Alchemistenstübchen konnte über Mangel an Gästen nicht klagen, und man sprach eifrig den farbenfrohen Mixturen zu, welche der Wirt nach geheimen Rezepten zubereitet.

Das Große Orakel
Als am 30. Tage des Phex der Tempelgong zur Mittagsstunde rief, versammelten sich die Gläubigen abermals in der heiligen Halle, um das Große Orakel der Herrin Hesinde zu befragen. Und wirklich: Die Göttin erhörte ihre Gemeinde und ließ sie teilhaben an ihrer Weisheit und Weitsicht - wenn auch ihre Worte dunkel und verwirrend klangen.
Das Große Orakel
Wenn die Kröten schleichen
Zur Wiege des Schlangengleichen, Beim Hahnenschrei,
Entsprungen dem Ei,
Das keine Henne gelegt,
Im dunkeln Walde gehegt,
Dann ist der Anfang vom Ende da, Verhindert’s nicht der Helden Schar.

Als die Worte verklungen waren, herrschte zunächst ehrfürchtiges Schweigen. Doch dann begann unter der Anleitung der Hochgeweihten eine allgemeine Beratung. Die einen erinnerten sich dabei an die Sage vom Basilisken, jener schlangenhaften, Verderben bringenden Kreatur, die aus einem Hahnenei schlüpft, das von einer Kröte ausgebrütet wird. Andere dachten vielmehr an die Töchter Satuarias, von denen es heißt, dass die mächtigsten unter ihnen aus einem Ei schlüpfen. Und gibt es nicht genügend dunkle Gerüchte über Krötenhexen im Koschgau - oder im nahen Dunkelwalde? Während man noch so beriet, kam Botschaft aus dem benachbarten Weiler Nerbusch: Ein Müller berichtete, zahlreiche Kröten seien dort auf der Wanderung, doch nicht zum Flusse wie üblich, sondern in Richtung des Dunkelwaldes.
„Und sie haben bei Nacht das Madamal angequakt, Exzellenz“, beteuerte der Mann gegenüber Meister Siopan. Daraufhin wurde der Beschluss gefasst, sich an Ort und Stelle zu begeben, um dem sonderbaren Treiben auf den Grund zu gehen. Während Seine Exzellenz Siopan mit dem gewohnten Forschergeist die Expedition anführte, blieb Hochwürden Sefira Birninger zurück im Tempel, um weiter die Geheimnisse der Weissagung zu überdenken.

Das Geheimnis des Dunkelwaldes
Bald stellte sich heraus, dass es in der Tat zahlreiche Krötenwanderungen gab, die von allen Seiten her sich auf den Dunkelwald zubewegten, als ob ein dunkler Ruf sie dorthin locke. So teilte sich die hesindegefällige Schar auf, um an verschiedenen Stellen in den verrufenen Wald einzudringen.
Leider vermögen wir der geneigten Leserschaft nicht zu berichten, was genau sich an diesem und dem nächsten Tage im Walde zutrug, denn keiner der Teilnehmer konnte, durfte und wollte ein Wort darüber verlieren. Ein Geweihter des Herrn Praios gab offen zu, dass das Wissen um die Ereignisse unter dem Siegel der Schweigens zu bleiben hätten. Doch versicherte uns die Kirche der Herrin Hesinde, dass derzeit keinerlei Gefahr bestehe und dass mitnichten die Geburt eines Basilisken zu befürchten sei oder bereits stattgefunden habe. So ist nach wie vor ungeklärt, was die sonderbare Krötenwanderung ausgelöst hat; manche glauben an eine höchst seltene Sternenkonstellation (vgl. den Kommentar auf Seite 13 (Ein Kommentar zum Großen Orakel)).
Andere wiederum munkeln, die Kröten seien verwandelte Hexen gewesen, die zu einem geheimen Treffen im Dunkelwald gepilgert seien, doch klingt dies eher unwahrscheinlich, da Hexen doch auf ihrem Besen reiten könnten und nicht mühsam über Sumus Rücken kriechen müssen.

Das Licht der Erkenntnis
Wie dem auch sei: Die Festlichkeiten fanden ihren üblichen Abschluss mit dem Mysterienspiel, das zu nächtlicher Stunde im Tempel aufgeführt wurde. Es handelt von einem reichen Manne, der seinen Reichtum und den Gelderwerb höher schätzte als die Gaben Hesindes und daraufhin mit Blindheit geschlagen wurde. Nach einem Jahr des Leidens und der vergeblichen Suche nach Heilung gelangte er schließlich zur Erkenntnis, und so wurde der Fluch von ihm genommen.
In seiner anschließend Predigt sagte Seine Exzellenz Siopan: „Viele Wege gibt es, zum Ziel zu gelangen: lange und kurze, schwere und leichte, steile und ebene. Welcher der rechte ist und welcher der falsche – Wer kann es sagen, bevor er ihn beschritten hat? Und manchmal ist es gerade der Umweg, der uns Erkenntnis bringt. Doch Erkenntnis muss am Ende des Weges stehen, soll er nicht umsonst gewesen sein. Das Ziel der Reise ist kein anderer Ort. Das Ziel der Reise ist ein anderes Ich. Die wahre Reise führt zur Erkenntnis.” Daraufhin entzündete er eine Kerze an dem Licht der Erkenntnis aus dem Mysterienspiel und reichte die Flamme weiter in den Kreis der Gläubigen. Ein jeder, der die Flamme empfing, gab sie weiter und teilte den anderen zugleich eine Erkenntnis mit, die er in den letzten sieben Jahre gewonnen hatte und für die er der Herrin Hesinde danken wollte. Eine Auswahl von zwölf bemerkenswerten Äußerungen findet der geneigte Leser am Rande dieser Seiten.
So endeten diese Festspiele nachdenklich und still, wie es dem Versenkungsfeste angemessen ist. Und es mag durchaus im Sinne der allweisen Schlange sein, dass nicht alle Fragen beantwortet, nicht auf alle Rätsel eine Lösung gefunden werden konnte.

Karolus Linneger