Jahresscheid
Am Jahresscheid, dem 30. Rahja, versucht die Koscher sich eifrig auf die Namenlosen Tage vorzubereiten. Das Vieh bekommt gesegnete Kräuter zu fressen und wird mit dem Blut von Opfertieren bestrichen, die Vorräte werden mit Mehl bestäubt, über die Türen werden zwölfstrahlige Sterne gehängt oder gemalt (je nach Stand von Kohlekritzeleien über Strohsterne und Schnitzwerk bis vergoldeten und geweihten Stern über dem Tor der Thalessia.
Am Abend trifft man sich in jedem Ort zu einem großen gemeinsamen Götterdienst, an dem alle Geweihten zusammen die Bevölkerung segnen (und wehe denen, die fehlen ...). Zum Abschluß zündet man am ein heiligem Feuer eine Fackel oder Kerze an und zieht gemeinsam durch alle Gassen, wobei nach und nach jeder in sein Haus einkehrt. Das Feuer wird dann auf jede Stube und Stallung verteilt, denn nur dort, wo sein Schein hinfällt, bietet es des Nachts Schutz vor dem Namenlosen (in diesem Brauch vermischen sich wohl Elemente des Praios- und Ingerimmglaubens).
Schreckliches erzählt man sich (und gerade in diesen Tagen) von Schattengeistern, die gerade darauf lauern, daß jemand zu ihnen in die Dunkelheit tritt, und davon, was geschieht, wenn eine Kerze verlischt und nicht schnell genug wieder mit einer anderen entfacht wird. So hockt dann oft genug in Wengenholmer Bergbauernkate vom jüngsten Sproß bis zum greisen Großmütterlein die ganze Sippschaft fünf Tage um eine einziges Licht zusammen, mußten sie sich doch, um vom Krambold einen ausreichenden Vorrat an Wachskerzen erstehen zu können, ein Jahr lang jeden Kreuzer vom Munde absparen.
Unter den wohlhabenden Bürgern und Edelleuten gibt’s freilich solch mildtätig gesinnte wie die Komteß Iralda von Bodrin, die in jedem Jahr 1200 Wachskerzen an die Leibeigenen auf den gräflichen Gütern und die Koschtaler Städter verteilen läßt, oder den Angbarer Handelsherrn Odoardo Markwardt, in dessen Kontoren stets zum Jahrsscheid Öllaternen für gerade einmal 25 Heller zum Verkauf stehen. Am 1. Praios aber ziehen die braven Koscher mit ihren Fackeln zum Praioswend und werfen sie in die heiligen Sonnwendfeuer.